Darf man Majestäten verhöhnen?Artistin

Wien ist andersrum? Nein. Aufgeregt.

Zum fünften Mal schon läuft in diesem Frühjahr das erfolgreiche Schwulenfestival „Wien ist andersrum“. Heuer hatte es in seinem Logo außerdem das Zeichen O5, Zeichen des katholischen Widerstandes gegen den Faschismus, und verstand sich selbst als ein „Festival des Widerstands vom anderen Ufer“. Und weil das alles noch nicht genug war, provozierten die Veranstalter außerdem mit provokanten Plaketen wie „Jörg ist schwul“ oder „Wolfgang ist eine richtige Sau“.Das brachte nicht nur biedere Gemüter auf den Ständer, sondern auch Schwulenorganisationen und Leute, die mit der Homosexuellenbewegung sympathisieren. Selbst wenn es um Jörg Haider gehe, habe auch er ein Recht auf Intimsphäre. Außerdem sei ein Outing jedermanns- und frau eigene Sache und dürfe einem nicht von außen aufgezwungen werden.

Die Verantwortlichen des „Skandals“, Hannes Sulzenbacher und Jochen Herdieckerhoff vom Verein „ecce.homo“ sind deswegen mehr als befremdet: „Ist Jörg schwul? Warum muss man da gleich auf den Haider kommen? Gibt es niemand sonst, der schwul ist und den selben Vornamen hat? Und jemanden als ,richtige Sau zu bezeichnen, ist normalerweise nicht unser Jargon, sondern… Hier war es offensichtlich satirisch gemeint. Aber das ist hierzulande scheinbar nicht mehr erlaubt. Das fällt dann unter Majestätsbeleidigung und löst gleich einen Skandal aus. Anderswo ist man im Umgang mit einer Regierung härteres gewohnt. Da muss man sich nur einmal ,Spitting Image im BBC anschauen, wie da Margret Thatcher verhöhnt wurde.“

Apropos Haiders angebliche Schwulität. Auch von Regierungskritikern wird bemängelt, dass die Denunziation Haiders als Schwuler nicht nur ein Tabubruch gewesen sei, sondern außerdem kontraproduktiv gegenüber den Anliegen der Homosexuellen.

Die Schwulität eines Politikers dürfe man höchstens dann outen, wenn er selbst eine repressive Politik gegenüber Homosexuellen betreibe. Aber wenn man Haider ALLES vorwerfen könne, DAS nicht.

So kurz ist das Gedächtnis der Österreicher.

Abgesehen davon, dass Jochen Herdieckerhoff mit seinem Artikel „Der Jörg will eh bloß kuscheln“ vom 21. März in der taz nicht als erster des Bärentalers Buberlliebe aufdeckte, gab und gibt es eben von Seiten der FPÖ immer wieder massive Angriffe gegen Homosexuelle. Schon vergessen?

Aber der Reihe nach: Schon 1991 machte etwa Elfriede Jelinek auf die versteckte Homoerotik Haiders aufmerksam. Immer wieder wurde auch in internationalen Blättern darüber spekuliert. Wesentlich deutlicher wurde da die Kärntner ÖVP die in ihrem Wahlkampf 1999, als sie Haider als „Fiinocchio“ (italienisch für Schwuler) darstellte. Die SPÖ plakatierte unbeanstandet 1998 eine Karikatur, die Haider als Nonne zeigte, die innig Bischof Krenn küßte. Diese Liste der Untergriffe ließe sich beliebig fortsetzen.

Ebenso endlos sind die Attacken der Freiheitlichen gegen Schwule und Lesben. 1994 denunzierte Peter Westenthaler einen SP-Gemeinderat als Homophilen; Meischberger bezeichnete das Liberale Forum als „Schwuchtelpartie“, Salzburger FP-Funktionäre verleumdeten eine Technoparade als „Forum für Homosexuelle und offenen Suchtgiftmissbrauch“, in ganzseitigen Inseraten hetzte die FP 1994 gegen zwei prominente Frauen, denen sie vorwarfen lesbisch zu sein; FP-Abgeordneter Pretterebner verfolgte im selben Jahr einen SP-Minister wegen dessen angeblicher Homosexualität; Hilmar Kabas bezeichnete die Rosa Lila Villa als „subventioniertes Bordell“, Pawkowicz hetzte aus der tiefsten Schublade gegen das „Wien ist andersrum“-Festival usw. usf.

Und den bösen Worten folgten auch böse Taten. Der § 209 StGB, beschlossen durch FPÖ und ÖVP, bedeutet eine klare Menschenrechtsverletzung. Nicole Fontaine, Präsidentin des Europäischen Parlaments meinte bei einer Presskonferenz am 7. April dieses Jahres, „dass es sich bei dieser Bestimmung um eine Menschenrechtsverletzung handle und dass Österreich daher gegen den EU-Vertrag verstoße. Dies müsse der Regierung in Wien auch klargemacht werden, hier gehe es nicht um eine Einmischung in innere Angelegenheiten, sondern um die Achtung von Menschenrechten.“

Bleibt noch der Vorwurf des Mißbrauchs des „O5“-Zeichens. Wie man weiß, ist diese Bewegung „erst“ in den letzten Kriegstagen von konservativer und katholischer Seite als Zeichen zivilen Widerstandes entstanden.

Dass sich nun die alten, durchaus verdienten Herren dieser Bewegung dagegen verwehren, dass „ihr“ Zeichen in Erinnerung gerufen wird, als Mahnung die bestehende Zivilgesellschaft nicht wieder in Gefahr zu bringen, verwundert, denn in dieser Logik dürften dann auch drei Pfeile oder Hammer und Sichel nicht mehr als Symbole des Widerstandes verwendet werden?

Weiters: Nicht nur der bürgerliche, auch der sozialistische Widerstand zeigte jahrzehntelang überhaupt keine Solidarität mit jenen Leuten, die mit dem rosa Winkel in den KZs entweder ums Leben kamen oder zwar irgendwie überlebten, aber in der wieder erlangten Freiheit auf keinerlei Unterstützung und Hilfe zur Bewältigung ihrer KZ-Vergangenheit rechnen durften.

„Meßt uns erst an unseren Taten“, tönt es unentwegt vollmundig aus dem Munde des Bundeskanzlers. Es sei.

Eine satirische, künstlerische Aktion wird dazu benutzt, um einen Vorwand zu haben, einem regierungskritischen Festival den Geldhahn zuzudrehen. So einfach ist das. Und alles ganz ohne Zensur.

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