Ein Krieg kann auch einmal zu Ende gehnArtistin

Mirjam Unger über ihre Nöstlinger-Verfilmung «Maikäfer flieg»

Kriegsende 1945 in Wien: Eine Stadt zwischen Verzeiflung und Aufbruchstimmung. Christine Nöstlingers beindruckenden Erinnerungen an diese Zeit sind 1973 im Buch «Maikäfer flieg» erschienen. In Kürze kommt die gelungene Verfilmung von Mirjam Unger ins Kino. Im Interview mit Robert Fischer erzählt Mirjam Unger über die Entstehung des Films und persönliche Erinnerungen an den ersten eigenen Kinobesuch.

Foto: Robert Fischer 

Wie kam es zur Idee, «Maikäfer flieg» zu verfilmen?

Ich habe Christine Nöstlinger ca. 2012 im Rabenhof persönlich kennengelernt, wo Gerald Votava, mein Lebensgefährte, in einer Theater-Version von «Iba de gaunz oamen Leit» mitgespielt hat. Gleich danach habe ich «Maikäfer flieg» gelesen, und hatte sofort die Idee, das Buch zu verfilmen! Im ersten Moment war ich zwar ein bisschen unsicher, denn mir kam der Stoff viel zu groß zum Verfilmen vor, gleichzeitig hatte ich große Lust auf das Projekt! Dann habe ich Gerald Votava das Buch zum Lesen gegeben, und auch er war sofort Feuer und Flamme, da er ja selbst großer Nöstlinger-Fan ist! Wir haben dann beide nächelang darüber geredet und diskutiert, wie man das Buch am besten umsetzen könnte. So hat sich die Idee in den nächsten vier Jahren langsam immer mehr konkretisiert.

Was ist deiner Meinung nach die wichtigste Aussage im Buch?

Für mich war diese sofortige Aufbruchsstimmung, nachdem der Krieg beendet war, total wichtig. Wie Christine Nöstlinger beschreibt, dass ein Krieg auch einmal zu Ende ist, fand ich aufregend. Aber was dann? Ich finde es sehr spannend, dass Augenzeugen als auch Christine Nöstlinger selber sagen, als Kinder waren diese paar Monate nach dem Krieg die spannendste und schönste Zeit ihres Lebens, weil sie so eine große Freiheit gespürt haben. Der Humor trotz der schlechten Vehältnisse, den die Nöstlinger in das Buch reinbringt, das hat mich einfach total fasziniert. Dieses tragisch-komische Element spielgelt am meisten das Leben wieder, so wie ich es sehe.

Inwieweit war Christine Nöstlinger in das Film-Projekt involviert?

Christine Nöstlinger ist ja prinzipiell sehr cool. Sie hat gesagt: Ja, machts des! Probierts des! I bin gespannt, ob´s klappt! Dann hat sie noch gemeint: I hob eh schon des Buch geschriebn, deshalb will i ka Drehbuch schreibn. Wenn Ihr an Film machen wollts, dann macht´s ihn, ihr seid´s die Filmleute, ich vertraue euch! Aber es war klar, dass wir mit Fragen jederzeit zu Ihr kommen konnten. So sind wir oft für Gespräche bei Christine Nöstlinger zu Besuch gewesen, sind 4 bis 5 Stunden in Ihrer Küche gesessen, und dann hat sie erzählt und erzählt. Es ist genau so schön, Ihr zuzuhören wie Ihre Bücher zu lesen. Ich schätze Ihren scharfen Verstand, und Ihre unfassbar tolle innere Haltung!

Wie bist du als Kind erstmals mit Kino in Berührung gekommen?

Ich bin in Währing aufgewachsen. Meine Gasse war die Gentzgasse, das war quasi meine kleine Welt. Da gab es einen Bäcker, eine Milchfrau, eine Trafik und ein sehr schönes, altes Kino, das es heute leider nicht mehr gibt. Das war das Kamera-Kino, ein irrsinnig schönes Kino. Das hat ein bisschen so ausgesehen wie das Bellaria-Kino jetzt, mit einem alten Eingang, einer Theke für Sportgummi und Getränke und einem alten Kinosaal. Da ist meine große Schwester immer mit mir hingegangen, als ich so ca. fünf Jahre alt war.

Wie ging es dann weiter?

Mit 14 Jahren habe ich dann zum ersten Mal Filme von Regisseuren wie Sergio Leone und Jean-Luc Godard gesehen. Später kam ich dann zu Radio und Fernsehen, aber eigentlich sehr intuitiv, das war alles so ein bisschen ein Zufall. Obwohl mir diese Arbeit Spaß gemacht hat, habe ich gespürt, dass mir da noch etwas fehlt. Ich habe dann von der Filmakademie erfahren, absolvierte die Aufnahmeprüfung für Regie und habe begonnen, dort zu studieren. Ich bin zwar noch zwanzig weitere Jahre beim Radio geblieben, weil das auch eine Art Heimat für mich ist. Aber beim Kino bzw. beim Regieführen hat sich dann alles für mich zusammengefügt: der Ton, das Bild, meine Liebe zum Schauspiel und den Schauspielern. Dadurch habe ich an der Filmakademie erstmals das Gefühl gehabt, richtig angekommen zu sein!

An «Maikäfer flieg» haben neben dir noch viele andere Frauen mitgearbeitet. Haben es Frauen im Filmbereich schwerer als Männer bzw. siehst du da in den letzten Jahren Verbesserungen?

Ich bin sehr stolz, dass ich für «Maikäfer flieg» mit einem tollen Frauen-Team zusammengearbeitet habe, zu dem u. a. Produzentin Gabriele Kranzelbinder, Kamerafrau Eva Testor, Drehbuchautorin Sandra Bohle oder Gustav/Eva Jantschitsch als Filmmusikkomponistin gehören. Frauen im Filmbereich setzen sich immer mehr durch, und es ist aktuell eine starke Bewegung Richtung Chancengleichheit zu beobachten. Es liegt nun offen, dass Frauen beim Film bislang weniger Geld bekamen, geringer an Budgets beteiligt waren und beim Fernsehen weniger Aufträge hatten. Das wird sich bald ändern. Wahrscheinlich durch eine kommende Quotenregelung, mal sehen …