Geld arbeitet nichtArtistin

Banken krachen wie bestellt für Wagenhofers neuen Film

Wagenhofer.jpgNach seiner Aufsehen erregenden filmischen Bestandsaufnahme zur Welternährung We Feed The World legt Filmmacher Erwin Wagenhofer mit seiner neuen Dokumentation Lets Make MONEY den Finger in die nächste Wunde von Weltkonzernen, die anonym und ausbeuterisch agieren. Im Gespräch mit dem Augustin nennt er einiges, was stinkt, beim Namen.

Lassen Sie Ihr Geld arbeiten, dieser Spruch war für dich der Anstoß, Let`s Make MONEY zu drehen?



Ich habe vor Jahren diesen Werbespruch einer Bank gelesen, der ein kompletter Humbug ist. Wer hat schon je Geld arbeiten gesehen? Man kann das Geld zur Bank tragen, damit die Bank etwas damit macht. Ich hab vielleicht zu viel, und du brauchst vielleicht Geld für eine Wohnung. Oder: Ein junger Tischlermeister, der sich eine Existenz aufbauen will, braucht einen Kredit; das ist auch gut so, wenn es dafür eine Stelle gibt. Das muss auch keine Schranken haben und an der Wiener Grenze aufhören. Das ist nicht das Problem. Aber wenn es anonymisiert wird, wenn das alles nach London geht, dann wieder irgendwo verteilt wird, wenn dir Renditen versprochen werden von zehn und mehr Prozent, die absurd sind, weil die gar nicht funktionieren können, weil wir ein niedrigeres Wirtschaftswachstum haben

auch so eine Frage, das mit dem Wirtschaftswachstum, oder?



Ja, wozu man das braucht, könnte man ebenfalls hinterfragen. Es war für mich immer ein Punkt in meinem Fragekatalog: Warum eigentlich Wirtschaftswachstum? Wenn wir also ein Wirtschaftswachstum von zwei bis drei Prozent haben, und es verspricht dir jemand bei einer Beteiligung 15 bis 20 Prozent Gewinn, dann muss dich wer beschmieren, das geht gar nicht anders, dann ist das einfach ein Fake.

Und dieser ist vor kurzem zusammengebrochen



und reißt uns alle mit rein.



Eine bessere Promotion als eine weltweite Finanzkrise gibt es ja gar nicht für den Film. Wie geht es dir mit dieser Aktualität?

Ich weiß noch gar nicht, wie ich damit umgehen soll. Nicht nur ich, alle, die sich damit beschäftigt haben, wussten und wissen, dass es auf Dauer nicht gut gehen konnte. Alle haben gesagt: Es crasht. Es war nur die Frage, wann und wie? Geht das langsam, gibts einen Tsunami, oder ebbt das langsam aus? Und es war erst der Anfang. Die Politiker werden nervös, die sind zum Großteil ahnungslos, wussten überhaupt nicht, was da auf sie zukommt.

Und jetzt garantieren uns die Politiker unsere Spareinlagen. Wer garantiert da wem?



Der Staat garantiert. Wer ist der Staat? Das sind aber wir. Das heißt, wir garantieren uns jetzt unsere Spareinlagen selbst. Wenn wir garantieren, brauchen wir Reserven. Dafür haben die Notenbanken und Nationalbanken normalerweise Gold eingebunkert und Währungsreserven. Die hat aber unser letzter Finanzminister verkauft, wir haben keine Reserven mehr. Ich würde gerne einmal den Herrn Molterer fragen: Was ist die Garantie? Nicht einmal die Wiener Straßenbahn kann noch für etwas garantieren, weil die haben sie auch schon verkauft. Die haben nicht gewusst, was sie tun. Das ist auch im Film drinnen. Bis auf ein paar wenige, die haben bei Zeiten abgesaugt. Aus.

Hatten wir das nicht schon mal?

Genau dasselbe Modell hatten wir schon einmal, und Roosevelt hat nachträglich den Wirtschaftscrash von 1929/30 analysieren lassen. Am Schluss kam ein Wort heraus: Saugpumpe, aber in die falsche Richtung, nämlich Geld von unten, von den Ärmsten nach oben gepumpt. Die oben wissen, und das ist der Sinn der Privatisierung, die wissen, dass man mit Geld gar nichts anfangen kann. Das ist nix, das ist Papier. Was willst du mit dem, wenn du schon reich bist, also kaufst du mit Geld eine Wasserquelle, eine Ölquelle, eine Goldmine, die Wiener Straßenbahnen, ein Autobahnnetz oder ein Kanalnetz. Weil, wenn nix mehr was wert ist, gehört das Netz dann dir. Und am nächsten Tag geht ja alles ganz normal weiter: Wir scheißen weiter, wir trinken weiter Wasser, wir fahren weiter mit der Straßenbahn, aber diese Leute werden dann die Ticketpreise bestimmen. Die Politik hat sich mit der Wirtschaft ins Bett gelegt. Das Drama ist nur, dass die Politik kein abgehobenes Phantasiegebilde ist, die Politiker repräsentieren den Staat, der Staat sind wir, und die Scheiße haben jetzt wir am dampfen.

Und wir sind die Blöden, weil wir unsere Repräsentanten letztendlich selbst gewählt haben

Dass dort die größten Sumpern sitzen, ist wieder ein anderes Kapitel, weil Politik eine Negativselektion ist. Die klügsten Kopfe werden heut nicht in die Politik geschickt, sondern nach London ins Finanzdienstleistungszentrum. In der City of London sind zwei Millionen Menschen nur im Finanzdienstleistungsgewerbe tätig. Die entwickeln dann solche Privatisierungskonstrukte. Anstatt, dass man diese gscheiten Leute nimmt, das sind ja keine Idioten, und sie dort engagiert, wo die Probleme sind: in der Ausbildung zum Beispiel. Oder sie mit der Umweltproblematik konfrontiert. Aber es wird nichts entwickelt, sondern nur Angst gemacht.



So gesehen dürfte man sich deinen Film ja gar nicht anschauen, weil man nachher vielleicht mit noch größeren Sorgen unterm Türschlitz rausgeht. Der Film erklärt sehr nüchtern die Hintergründe der Finanzkrise. Gibt es einen Hinweis, der das Publikum positiv entlässt?

Doch. Am Schluss sagt Anton Scheer: Wer bezahlt`s, wir? Der kleine Mann, die kleine Frau, die überhaupt keinen Einfluss drauf haben außer sie organisieren sich! Und das ist genau das, was wir alle in der Zwischenzeit tun, das sollte man nicht vergessen: Greenpeace wurde ja nicht von irgendeiner Regierung gegründet. Oder Amnesty International ist auch nicht von der ÖVP gegründet worden, sondern von Initiativen, das haben Leute wie du und ich gemacht. Wie würde die Welt aussehen, wenn es Gruppen wie Attac nicht gäbe? Nur geht es halt ganz, ganz langsam.



Info:

LetMake Money (107 Min. Dokumentation, Ö 2008)

Premiere bei der Viennale 08

28. 10., 20 Uhr Gartenbaukino

29. 10., 11 Uhr Künstlerhaus

ab 31. Oktober im Kino

Info: www.letsmakemoney.at