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Leinwand und Podium im Zeichen der Menschenrechte

Das Filmfestival this human world lädt zehn Tage lang zu Filmen, Diskussionen, Workshops, Lectures, Konzerten und Partys. Schwerpunktthemen sind in diesem Jahr unter anderem Einblicke ins Leben hinter Gittern, Syrien im Film und queer-lesbische Pornos aus der Punkszene.

Foto: J.M. Louis/SHNP3

Wien erklärt sich zur «Stadt der Menschenrechte» – auf der Homepage der Stadt Wien (www.wien.gv.at) heißt es dazu, dass die Stadt Wien im Jahr 2014 einen Prozess startet, «der ausgehend vom aktuell hohen Niveau die Wahrung der grundlegenden Rechte langfristig sichern und Wien zum internationalen Vorbild in Fragen der Menschenrechte machen soll.» Grundsätzlich geht es auch darum, die Sensibilität für das Thema zu stärken. Das Festival this human world macht Wien seit 2008 quasi zur «Filmstadt der Menschenrechte», zumindest für mehrere Tage rund um den 10. Dezember, der seit 1948 als Tag der Menschenrechte begangen wird. Inzwischen ist das Filmfestival auf eine Länge von zehn Tagen angewachsen und somit das zweitgrößte in Wien. Dass der Erfolg reziprok zur leider zusehends dramatischeren Weltlage wächst, könnte eingeworfen werden, oder aber dass die Aufmerksamkeit für Ungerechtigkeit, soziale Schieflagen und das Interesse an Personen und Initiativen, die sich dagegen auflehnen, ebenso größer wird. Mit dem breiten Spektrum an Filmen aus verschiedenen Genres, speziellen Angeboten etwa für Jugendliche und Schulen (this human YOUTH), Podiumsdiskussionen, Filmgesprächen und einem Rahmenprogramm, bei dem auch die Unterhaltung nicht zu kurz kommt, bietet das Festival eine Plattform für Information, Vernetzung und Austausch zwischen Filmemacher_innen, Expert_innen und dem Publikum.

Am 4. Dezember beginnt das Festival, und traditionellerweise findet die Eröffnung im Gartenbaukino statt, wo in diesem Jahr «At Home» des griechischen Regisseurs Athanasios Karanikolas gezeigt wird. Zu Beginn lässt die Hauptfigur Nadja ihren Blick über das Ägäische Meer schweifen. Sie steht auf der Terrasse eines modernen, luxuriösen Einfamilienhauses nahe Athen. Es ist nicht ihr Haus, aber dennoch ihr Zuhause; seit vielen Jahren arbeitet sie als Haushälterin für eine Familie, zu der sie ein geradezu inniges Verhältnis hat, doch als sich die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers verschlechtert und Nadja noch dazu schwer erkrankt, wird sie kurzerhand gekündigt. Dass sie neben ihrer Arbeit auch ihr Heim und die Menschen, die sie als Freunde sah, verliert, macht ihr schwer zu schaffen. Karanikolas, der bei der Österreich-Premiere anwesend sein wird, setzte die Geschichte über Abhängigkeiten, Loyalität und Klassendifferenzen in ruhigen, undramatischen Bildern und Szenen um. «At Home» ist auch in der Filmreihe this human WORKS zu sehen, eine alljährliche Programmschiene, die sich mit Fragen heutiger Arbeitswelten auseinandersetzt. Der französische Dokumentarfilm «Job Centre, please hang on» beleuchtet nicht nur die Situation Arbeitssuchender, sondern auch die Arbeit der Job-Center-Angestellten, die unter dem Druck stehen, Vermittlungsquoten zu erfüllen. Um das Phänomen Remigration geht es in «China Reverse» der Österreicherin Judith Benedikt.

Mit «A World of Prisons?» setzt this human world einen Schwerpunkt zu einem aktuell heiß diskutierten Thema, nämlich dem Umgang mit Strafgefangenen – und zwar aus der Innenansicht. Die ausgewählten Beiträge zeigen das Leben hinter Gittern zum Beispiel in einem libanesischen und einem israelischen Frauengefängnis («Scheherazades’s Diary» und «Locked Down»), «9999», ein belgischer Film, befasst sich mit dem «Maßnahmenvollzug», der psychisch kranke Täter_innen betrifft, und «EU013» bringt Einblicke in italienische Anhaltelager, die rechtlich gesehen keine Gefängnisse sind, Asylwerber_innen werden in diesen Anstalten jedoch bis zu eineinhalb Jahren hinter Schloss und Riegel verwahrt – eine übrigens EU-weite Praxis.

«Syrien im Film – die Kamera als Lebenszeichen» ist ein weiterer Schwerpunkt mit aktueller Brisanz, bei dem sich die Kurator_innen bewusst gegen Nachrichtenbilder und «gegen Bilder von Leichenbergen und Gräueltaten» entschieden hätten, so die künstlerische Festivalleiterin und Co-Kuratorin Zora Bachmann: «Es ging uns darum, genauer hinzusehen, die Syrer_innen auch selbst zu Wort kommen zu lassen.»

Vergnüglich, allerdings nicht jugendfrei ist das Programm, das Zora Bachmann, Denice Bourbon und Mara Verlic unter dem Titel «Every Time We Fuck We Win!» zusammengestellt haben. Ein Kriterium der Auswahl queer-lesbischer Pornos aus der Punkszene war, nicht zuletzt, Humor wie Denice Bourbon verrät:«Humour does not automatically reduce the hotness.»

Zu guter Letzt sei noch auf die Work-in-Progess-Präsentationen von Nina Kusturica, die auch den thw-Trailer 2014 produziert hat, und Oliver Werani (der gemeinsam mit Stefanie Franz und Birgit Bergmann 2013 den Publikumspreis für die Wagenplatz-Doku «Dreck ist Freiheit» bekam) hingewiesen. Nina Kusturica gibt am 12. 12. Einblicke in ihre Arbeit am Film «Ciao Chérie», in dem es um einen Callshop geht, während Oliver Werani erste Ausschnitte aus seiner Doku «Obdachlos» (Arbeitstitel) ebenfalls am 12. 12. zeigen wird.

Info:

this human world

International Human Rights Film Festival

4. bis 13. 12. 2014

Eröffnung am 4. 12. um 20 Uhr im Gartenbaukino mit dem Film «At Home»

Preisverleihung am 11. 12. um 19.30 Uhr im Haus der Europäischen Union

www.thishumanworld.at