Marias KampfansageArtistin

Faltungen, Quetschungen, Zerrungen, Druckpunkte, Spannungen in Farbe

Lassnig.jpgDem Tode, in Kärnten als Sensenmann bezeichnet, den angeblich verminderten Vergnügungen im Alter und den Kinderschändern kündet die Künstlerin Maria Lassnig ihren Widerstand an. Mit viel Kraft, Energie und Härte reflektiert sie in knalligen Farben geschlechtliche Themen.

Ein rosafleischiger Mann mit sehr hellblauen Augen und leerem Blick zerquetscht eine Art rosa Weltkugel, die auch einen deformierten Kopf darstellen könnte. Der Weltzertrümmerer (2001) heißt das Bild mit dunkelblauem Hintergrund. Die mittlerweile schon 89-jährige Künstlerin Maria Lassnig geht in ungewohnter Härte in ihrer derzeitigen Ausstellung Das neunte Jahrzehnt im MUMOK das Thema der männlichen Gewalt an. Der Sportsmaster (2002) hält zwei dunkelblau uniformierte Mädchen, die diszipliniert Handstand machen, fest und Der Kinderschänder (2001) kniet über einem leblos wirkenden, leeren Körper in Mädchengestalt, der einer rosa Gummipuppe ähnlich schaut. Der wuchtige Mann berührt das Gesicht des Wesens mit dicker, lilagrauer Hand.

Ein Bild, das Maria Lassnig unbedingt ausgestellt haben wollte Das wird gezeigt!, sagte sie , verweigerte Kurator Wolfgang Drechsler zuerst: Der Don Juan von Österreich (2001) hängt nun in der Ausstellung, ist aber nicht im Katalog abgebildet. Ein Kompromiss zwischen dem Kurator, der es am längsten mit der autonomen, sturköpfigen Künstlerin aushielt, und der großen, alten Dame, die immer konsequent ihren eigenen Weg bestritt. Ein Jahr lang wurde die Ausstellung vorbereitet, der Bilderkern aus der Schau in der Londoner Serpentine Gallery im letzten Jahr erweitert und weiter entwickelt.

Das von Lassnig verwendete männliche Modell war schon über das Bild Insektenforscher I (2003) beleidigt, auch mit dem Bild Der Biologe (2003), der nackt und in männlicher Resignation auf ein einzelnes Ei starrt, in dem eventuell Leben steckt, war der Mann sicher nicht glücklich aber dass er als Kinderschänder herhalten musste, war wohl der Gipfel. Er hat das nicht gewußt, dass ihm da ein Mädchen umgehängt wird, meint Drechsler mit etwas verlegenem Lächeln über das sehr eindeutige Bild zum Thema Sexuelle Gewalt gegen Mädchen, auf dem das nächste Mädchen ohne Gesicht, von zwei ausgestreckten Armen mit den Handflächen nach oben gehalten, mit den Beinen um den Körper des Mannes, in der Mitte des Bildes schwebt. Wie die schwebende Jungfrau im Zirkus, die ein Messer oder Fallbeil in zwei Teile schneidet und die später wieder unversehrt und ganz ist.

Knallharte, verletzliche Nacktheit

Ein Maler sollte nicht über seine Modelle lästern. Maria Lassnig will eben provozieren, diese Bilder sind extrem inszeniert, urteilt der Kurator. Dass das Modell auch als gebürtiger Kärntner als Symbolfigur herhält, ist aber klar. Lassnig arbeitet in dieser Ausstellung anscheinend Kindheits- und Jugenderinnerungen auf, die so nicht ihre sein müssen, aber sicher nicht, wie viele JournalisInnen annahmen, alleine vom späteren Amstetten handeln.

Maria Lassnig selbst war typisch für Kärnten ein uneheliches Kind. Ihr Stiefvater war Bäcker und im Ort sehr beliebt. Dazu gibt es auch ein Bild, die Mehlspeisenmadonna (Madonna of the Pastries) aus 2001, nach Edouard Manet gemalt. Maria Lassnig hatte immer eine sehr innige Beziehung zur Mutter, dabei gab diese sie als Kind zuerst zur Oma und später in eine Klosterschule. Als die Mutter 1964 starb, ging es ihr sehr schlecht, erzählt Drechsler. Lassnig malte damals verschiedene grünrote Garten-Bilder zum Thema Letztes Bild meiner Mutter im Liegestuhl (1964) mit einer entschwebenden, liegenden Mutter mit offenem Mund und rötlichen, verknoteten Selbstfiguren.

Die Kunsthistorikerin Abigail Solomon-Godeau spricht von einer Kunst des Feminismus, denn es gibt keine feministische Kunst, sondern allein Kunst, die von feministischer Praxis und Theorie beeinflusst wurde. Doch während die Erkenntnisse der feministischen Kritik inzwischen generell Eingang ins progressive Denken gefunden haben, ist von einigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen die feministisch beeinflusste Kunst, die parallel zur Herausbildung einer feministischen Theorie entstand, nicht auf vergleichbare Weise akzeptiert oder integriert worden. Nur wenige nehmen Maria Lassnig ihre Kunst des Feminismus ab, deren Eingrenzung eben schwierig ist, eine Frauenfreundin sei sie sowieso nicht, meinen Künstlerkolleginnen.

Lassnig bringt immer wieder feministische Themen wie weibliche Autonomie nicht nur in Krisenzeiten, Erotik im Alter oder Kritik an klassischen Rollen ein das Alter ist ja schließlich auch nur eine Rolle, die eine Frau unterschiedlich auslegen und bespielen kann. Offen kritisiert sie weibliche Identitätsmuster. Das Plakatsujet einer nackten, älteren Frau, die sich eine Pistole an die Schläfe hält und eine zweite auf den Betrachter richtet, ist knallhart und in den U-Bahn-Stationen im Großformat zwischen all den süßlichen Frauenplakaten schwer zu ertragen. Die Handlung, die ich da vollziehe, ist die einer einfachen Verzweiflung. Ich male mich wie eine gelbe Zitrone mit einer Waffe. Das Alter ist für mich dabei weniger das Thema noch nicht! Der Tod schon.

Die nun im MUMOK gezeigte Variante Lassnigscher Kunst der letzten zehn Jahre ist ebenfalls knallhart, und man fragt sich, ob es der Kurator war, der die Themenblöcke mit den knalligen Hintergrundfarben in türkis, rot oder grüngelb in dieser Weise seriell gestaltete oder ob die Darbietung der Schau den Wünschen der Malerin folgte. Lassnig wollte die Blöcke zum Teil anders haben. Sie kommt ja von der Farbe, von der Malerei her und wollte die Bilder mehr mischen, mehr auseinander reißen. Ihre Aufteilung wäre anders gewesen, erklärt Drechsler, der ganze Themenblöcke wie die Fußballerbilder aus der Ausstellung heraushielt.

Mystisches, unnachgiebiges Kärnten

Wie schon in vorigen Ausstellungen visualisiert Lassnig Kritik an, aber auch Trauer über geschlechtliche Rollen. Neu ist ihre Sehnsucht nach den in der Gesellschaft zumeist über die Rolle der Ehefrau, Geliebten oder Mutter vermittelten Zärtlichkeit. Sie sagt selbst, sie opferte der Kunst eine reale Familie, aber es wird wohl auch die künstlerische Konzentration auf sich selbst gewesen sein, die traditionelle Verbindungen verhinderte. Van Gogh glaubte in der Tradition seiner Zeit, dass Wahnsinn der unbedingt zu zahlende Preis für seine Kunst wäre, Lassnig hingegen scheint zu wissen, dass eine starke, sturköpfige, autonome Frau die Rechnung der Einsamkeit und des verminderten männlichen Begehrens bezahlen muss.

Lassnig mietete sich in den 80er Jahren ein altes Schulhaus in den Kärntner Bergen, das Nachfolgemodell gegenüber ihrer einklassigen Volksschule ist nun ihr Atelier. Dort, nahe der Kapelle unterhalb der Kirche, malte sie im Keller der ehemaligen Schule im Sommer verschiedene Kärntner Modelle, die mit Plastikfolien experimentierten, was Lassnig als geeignete Metapher für Mann/Frau Darstellungen hielt. Das Paar (2005) schaut sich tief in die Augen, unter erstickende, trennende Plastikhüllen gesteckt, die wohl ähnlich Herbert Achternbusch, der tote Menschen in seinem Film Der Wanderkrebs in einen durchsichtigen Regenmantel gehüllt darstellte , Abgerücktheit und Distanz verbildlichen sollen; aber auch eine Herausforderung sind, dem Durchsichtigen eine malerische Form zu geben. Am Ende ist eine Mystik herausgekommen, sagt Lassnig. Ein neues Bild von 2007 ist Die uneheliche Braut, in der ein Brautschleier aus Plastik eine traurige Frau mit einsamer Brust und geschlossenen Augen umgibt. Ihr Gesicht liegt im Schatten.

Für die große Kärntner Ausstellung zeitgenössischer Kunst, die Emanzipation und Konfrontation, die K08 der fleißigen Kuratorin Sylvie Aigner, wollte Lassnig kein einziges Bild herausrücken. Landeshauptmann Haider sponserte noch letztes Jahr die Großausstellung an verschiedenen Standorten Lassnig schimpfte, weil das MUMOK ein Bild herlieh. Ich brauche immer einen Widerstand, sagt sie im Film-Interview in der Ausstellung. Das Landleben in Kärnten bringt einen Widerstand. Draußen führt gerade Museumsdirektor Edelbert Köb eine Gruppe Anzugträger durch die Ausstellung. Lassnig setzt sich ständig allem aus, befindet er.