Nicht mehr alles vorher wissenArtistin

Musikarbeiter unterwegs ... in die musikalische Artenvielfalt

Ein Wochende Ende April lang bietet der Verein Viennese Soulfood mit seinem 7. Festival die Gelegenheit, die geballte genreübergreifende Pracht heimischer Musik zu genießen.Es gibt Konzerte und Tonträger, aus denen geht mensch verändert hervor, dringend und inwärts bewegt, daran zu arbeiten, «ein besserer Affe zu werden» (Rob Wright/No Means No), selbst zu klingen, singen, schreiben, was immer … Es gibt Interviews, die leisten Vergleichbares. Wie jenes mit Max Gaier, Rania Oslam und Maja Osojnik, den Kurator_innen des 7. Viennese Soulfood Festivals, das vom 26. April ab 16 Uhr bis Sonntag, den 28. April im Brut 16 Live-Acts aufbietet, von den eröffnenden Regolith bis zum Abschluss mit Die Strottern (mit Blech). Dazu gibt es die zweite Auflage von Maja’s Musikmarkt, Gelegenheit, sich durch das breite Angebot heimischer Labels zu hören und – wenn mensch will – zu kaufen, Willi Landl liest John Cage, diskutiert wird auch werden. Was Viennese Soulfood – gegründet 2007 als Verein, bei dem weiters Andreas Harrer, Sixtus Preiss und Hanibal Scheutz aktiv waren und sind, ein freundschaftlicher Verband von Menschen mit erhöhter Affinität zu Kunst und Musik samt entwickeltem Desinteresse, diese in Kastln zu stecken – damit im Sinn hat, fehlt der heimischen Musik- und Festivallandschaft in dieser Form definitiv.

Der Clash im Backstage

Max, bei 5/8erl in Ehr’n Teil einer der Erfolgsgeschichten der jüngeren Wiener Musikszene, spricht von der Wiederentdeckung von «Neugierde & Naivität» und der Sehnsucht – gerade auch des Publikums -, «nicht mehr alles vorher zu wissen». Er zitiert Hannah Arendt, um unser aller Einbildungskraft als ein Geschenk zu definieren, das uns erlauben würde, in der Vielfalt die Gleichartigkeit zu sehen. Während wir in einer (medialen) Welt leben, die uns die Gleichförmigkeit, den Gleichklang als Vielfalt vorgaukelt. Das Line-up scheut dabei nicht davor zurück, scheinbar Unvereinbares wie The Bandaloop, Teilnehmer_innen der Songcontest-Vorausscheidung, und BulBul im selben Kontext zu programmieren, ohne dabei Beliebigkeit zum Gestaltungsprinzip zu machen. Das Verhältnis 50:50 von weiblichen und männlichen Performer_innen war ein Muss («Wir hams verflucht»). «Wir haben 9 Stunden gebraucht, um das Line-up zu finden, und wir haben streiten gelernt», geben die Kurator_innen in dreifaltiger Schnuckeligkeit zu Protokoll, die klarmacht, wie viel diese drei Menschen grundsätzlich miteinander anfangen können. Was für den Spagat, sich bei einem solchen Festival samt gesellschaftlichen Implikationen und seiner kulturellen Wichtigkeit bis zur Erschöpfung der persönlichen Energie- und Zeitressourcen zu engagieren, während der persönliche Existenzkampf als Künstler_in mit ungeregeltem Einkommen keine Pause macht (Maja ist vielfältig musikalisch tätig, Rani arbeitet unter anderem mit Fotografie), unerlässlich ist. Nicht missverstehen, dieses «Triumvirat» nimmt keine sudernde Leidenspose ein und die Musikarbeiter verfluchen beim Lachen den Umstand, dass sich die Einladung der Printposse zum selbstgekochten Kurator_innenessen anders als für die Radiomenschen (Ö1, FM4 und Radio Orange an einem Tisch, yummie!) nicht mehr ausgeht. Als eine der vielen Ideen und Themen, die das 7. Viennese Soulfood Festival explizit berührt – dabei nicht auflösen kann und will -, steht die Frage der Solidarität zwischen Künstler_innen im Raum, die sich genötigt sehen, immer schärfere, klarere individuelle Profile zu entwickeln, dabei aber stets Gefahr laufen, sich in sich selbst einzubunkern und von anderen zu isolieren. Oder die Frage, was denn «Fair Trade» in Bezug auf Musik heißen kann. Mit dem Genreübergriff als zentrale Kulturtechnik wird (Selbst-)Hilfe geleistet, sich nicht länger von den Formen den Blick auf die Inhalte verstellen zu lassen. Als ein Mittel Aufmerksamkeit zu erregen, dienen Flyer mit handschriftlichen Statements der auftretenden Künstler_innen. Was von «ich glaub, ich bin ein bisschen rosa» (First Fatal Kiss) bis zu «Watsche?!» (Lisa Kortschak) reicht, dem Kellner gefällt «ohne mich wäre alles noch viel schlimmer» (Matija Schellander). So wie Viennese Soulfood früher seit 2008 erst wöchentlich, dann zweiwöchentlich den Roten Bogen am Gürtel mit Jam-Sessions und «freiem» Djing bespielte, was Menschen bis heute vermissen, ist das Festival kein singuläres, isoliertes Ereignis. Im Vorfeld wurden etwa die Playlists von sechs Wiener Cafés mit Musik bestückt, die beim Festival vorkommt, das Gefühl, dabei «offene Türen einzurennen», stellte sich nicht nur im Fett & Zucker ein, wo heimische Musik aus queeren Zusammenhängen zum Soundinventar gehört. «Stop Accepting – Start Seeking!», auf der Homepage des Festivals zu lesen, ist ein wirklich schöner Satz, am 26. April die Suche im Brut zu beginnen eine dringende Empfehlung.

7. Viennese Soulfood Festival & Maja’s Musikmarkt 2

26. 4. – 28 .4. 2013, Brut im Künstlerhaus (www.brut-wien.at)

viennesesoulfood.at