Rückkehr zur StimmeArtistin

Sofa Surfers: Energiemaschine, not playing the game

Seit 1996 machen die Sofa Surfers Musik, die von Wien aus international wahrgenommen wird. Blindside heißt ihr neues Album.

Der Musiker Wolfgang Schlögl kommt vom Arbeiten an einer Theatermusik, jongliert im Kopf den Release des neuen Albums der Sofa Surfers, erste Konzerte zur Präsentation (etwa in Porto und Prag) und einen Film-Soundtrack. Dennoch erweckt er nicht den Anschein des gestressten Multitaskers, ist unaufgeregt und konzentriert. Er spricht im Bewusstsein, dass er ein Kollektiv repräsentiert, das keinen Frontmann hat.Die Sofa Surfers sind ein Verband sechs kreativer Menschen. Michael Holzgruber, Markus Kienzl, Wolfgang Frisch, Timo Novotny (von Anfang an für die optische Seite der Band zwischen Live-Visuals und Musik-Videos zuständig), eben Wolfgang Schlögl und Emmanuel Obeya, der seit dem Album Sofa Surfers (2005), dem roten Album singt.

Universal Declaration Of Human Wrongs

Dieses Wieder-Arbeiten mit Lyrics und Stimme ist nicht die erste künstlerische Neupositionierung, die die Sofa Surfers vornahmen. Zu Zeiten des Downtempo-Hypes und dem Dorfmeister-Remix von Sofa Rockers wurden sie in die Wiener Elektro-Szene und deren Erfolgsgeschichte eingemeindet (das hat uns schon genützt, sagt Schlögl, aber auch zu Missverständnissen geführt), dabei verschließt sich ihre Musik solchen einfachen Kategorisierungen. Aus Elementen von Breakbeat, Club-Musik, DJ-Culture, Dub, Techno oder Trip-Hop schöpfen die Sofa Surfers ihren Sound. Befreit von den Zwängen klassischer Bandstrukturen Holzgruber, Kienzl und Schlögl spielten in der Indie-Pop-Band Red Red Rosary gaben sie nun um die Zwänge der neuen elektronischen Musik wenig.

Stattdessen blieben Neugier, Forschergeist und Beweglichkeit Qualitäten, die sie definieren. Zum letzten Album war von einer Hardcore-Band nach dem Krach zu lesen. Blindside ist aktuell eine avancierte Übung in Uneasy Listening, eine Musik, die in großer Verdichtung präzisen Bestandsaufnahmen politischer und emotionaler Dystopien ästhetischen Mehrwert abzuringt. Bonds and bondage/shacks and shackles and dreams deferred/systematic attacks and roadmaps to nowhere () und murder music, music to murder by heißt es in Hardwire, einem von neun zwingenden Stücken. Kein Tanz auf dem Vulkan, wenn überhaupt ein Tanz wider den Vulkan. Schrittfolge und Tempo fordern Instinkt und Intellekt. Unbequemheiten jenseits von Party und Parteigründung. Neben der Meisterschaft der Sofa Surfers auf konventionellem (Bass, Gitarre, Drums samt wiedergefundener Lust daran) und elektronischem Instrumentarium sind es Obeyas Vocals, die Blindside zum Ereignis machen.

Der Einsatz seiner Stimme gibt dieser oft bewusst fast kalten, funktionalen Musik (da sind einige Refrains in der Lade geblieben ) ihr Herz, was dann doch Begriffe wie Soul oder Blues nahelegt. Wobei die Sofa Surfers von deren Klischees so weit entfernt sind wie die gnadenlose Republik Österreich 2010 von einer Insel der Seligen. Blindside korrespondiert so mit den Soundtracks der Band für die Brenner-Filme wie Der Knochenmann. Filme, die einen wirtschaftlichen Backbone der Bandexistenz liefern und inhaltlich in komödiantischer Brillanz fundamentale Dinge verhandeln. You and me/we know time’s the real enemy/like a horror show/slow motion trainwreck indefinitely. (Sinus).

Wolfgang Schlögl im Interview

Zwei, drei neuralgische Punkte der Bandgeschichte?

Der ganze Entstehungsprozess der Band war eine spezielle Sache, weil wir aus den Trümmern einer vorherigen Band zu dritt weiter Musik gemacht haben. Wir hatten ein Studio im Kunstwerk in der Lorenz-Mandl-Gasse, ein wichtiges Zentrum für uns auch der Silverserver hat dort angefangen. Wir haben dort begonnen, mit unserem Atari aufzunehmen. Was wir uns aus der Techno Experience geholt haben, war weniger die Musik, als die Möglichkeit, alles wieder selber zu machen. Nicht in ein Studio gehen zu müssen.



Eine Neudefinition?

Es ist auch mehr Arbeit geworden, das Selbstverständnis hat sich geändert. Man war nicht nur der Gitarrist, der Sänger. Wir waren zusammen im Studio, mussten erst einmal die Geräte kapieren, learning by doing. Eine aufregende Zeit, ’96, ’97, ’98. Zu dieser Zeit haben wir Timo Novotny kennen gelernt, der seine ersten Experimentalfilme gemacht hat. Wir haben dann in diesem Surrounding angefangen, Musik zu Bildern zu machen. (). Es gab wenig Blueprints dafür, wie wir eine Gruppe bleiben können und unseren neuen Hörgewohnheiten und Fortgehverhalten gerecht werden.

Die visuelle Ebene statt der Lyrics?

Ich war damals der Sänger und extrem froh, dass ich erlöst war. Weil mit 28 hatte ich nicht das Können oder die Lebenserfahrung zu sagen: Das ist ein Text, den ich gerne mit jemandem teile. Das ist jetzt Gottseidank wieder anders geworden. Die Idee, ein Kollektiv auf die Bühne zu stellen, war uns sehr wichtig. Uns sind diese Egoismen angegangen, auch weil das oft das Songwriting ruiniert hat. Einmal in einer Band zu sein, wo man für eine Nummer eben keine Gitarre braucht Der nächste Punkt war, wie wir 2004/2005 mit dem Mani wieder zu einer Form gefunden haben das ist ein Sänger, der auch live ein guter Fokus ist. () Mani ist Afroeuropäer, und wir arbeiten uns gern an dieser Kante ab: Was ist weiße Musik, was ist schwarze Musik? Das hat mit der Sozialisation zu tun. Ich liebe Hip-Hop, ich steh auf Soul-Musik, gleichzeitig ich bin ein Whitey. Das war auch bei unseren Dub-Anleihen so es wäre falsch auf Backingband von Lee Perry zu machen. Das geht bis zum Sampling. Darüber haben wir viel nachgedacht.



Die Rückkehr zur Stimme?

Ich wollte an einer rockigen Musik arbeiten, die nicht Crossover ist, gewisse Soul-Elemente hat, wodurch wir die Freiheit haben, wieder subjektiv rockiger zu werden, ohne Rockmusik zu machen so kompliziert das klingt. () Wir haben 2002 das Encounters-Album gemacht (mit diversen Vokalisten, Anm), das hat schon einen Nerv getroffen. Damit waren wir viel unterwegs, und das war unser erfolgreichstes Album. Gleichzeitig gibts bei uns so einen Reflex das kennen wir jetzt, mach ma was anderes

Ihr managt euch selbst.

Ich hab fast meine musikalischen Skills verloren zugunsten des Vermittelns, bin immer mehr von der Band weggedriftet, als Kommunikator zwischen diesen ganzen Polen das hat mich total zerissen. Das war so 2000/2001. Wir haben dann viel gestritten und diskutiert, was sich bei uns gut ausgeht. Mit Encounters war dann klar wir machen alles gemeinsam. Allerdings hatte Wolfgang Frisch dann einen Tinitus, Markus Kienzl hat ein Soloalbum gemacht, ich hab eines gemacht (als I-Wolf, Anm) was meinem Selbstbewusstsein als Musiker gut getan hat. So war das nächste Sofa-Surfers-Album erst 2005.

Anfangs hast du die Produktionsmittel erwähnt.

Wir wären autark, wenn wir nicht solche totale Freaks wären und auf unser Können vertrauen würden wir sagen mittlerweile, wir können uns nicht selber mischen, was diesmal mit Ollmann super geklappt hat. Bevor wir da ewig streiten, quälen wir lieber einen anderen (lacht)

Das neue Album …

Nach dem roten Album haben wir gesagt: Wir wollens mehr krachen lassen. Uns selbst zwingen, genauer zu sein. Mittlerweile wissen wir, wie wir einen Soundteppich machen und auf dem dahinreiten. Wir wollten aber präzise bleiben, ein grantigeres Album machen. Dann ist viel im Proberaum passiert, von Wolfgang Frisch sind viele Riffs gekommen, durch Mani, der seinen eigenen Prozess hat, kriegt es dann eine Brechung, er kann so weich bleiben bei dieser Musik.

Das Dystopische

Es ist ein Ventil für uns. Wolfgang Frisch und Markus Kienzl haben dazu einen etwas anderen Standpunkt als ich, sie sehen sich vom Naturell her als eher grantig und müssen das so ausleben. Ich bin ein eher frohgemuter Mensch, gleichzeitig gibt es genug, was mir sehr auf die Nerven geht. Ich hole mir das aus gesellschaftlichen und politischen Friktionen, die mich fertig machen. Zusammen können wir das in Energie umbauen, diese Energiemaschine ist eine wichtige Funktion, die die Band für uns hat. Weil warum tust du dir das an als Musiker? Es ist jede Platte so wie aus dem Stand zu springen, weil es steht nicht fest, dass uns das die nächsten zwei Jahre unser Leben finanziert. Aber wir können mit der Band nicht aufhören.



Info:

Sofa Surfers Blindside erscheint am 26. 3. 2010

Live: 15. 4., sound:frame, Ottakringer Brauerei

www.sofasurfers.info