Und die Band heißt … Walter!Artistin

Musikarbeiter unterwegs … beim Anschleichen an den Konzeptrock

In unberechenbaren Zeiten muss die Musik wendiger werden. Ein positives Fallbeispiel: das Trio Walter. Von Rainer Krispel.

Foto: Mario Lang

Stellen wir uns diese Serie als eine Anwendung des situationistischen «Dérive» vor, mit Musik und der Augustin-Deadline (selbst eine so freie, so großzügige Zeitung kann nicht ohne …) als dialektische Vorgaben des (eben nicht) «ziellosen Umherschweifens». Immer wieder reagieren wir auf Signale der (Wiener) Musikwelt und lassen uns von ihnen anziehen. Mit dem nahenden Frühling werden diese stärker und vielfältiger. Ganz stark etwa jene, die Sibylle Kefers neues Album «Hob i di» aussendet, die erste Veröffentlichung von Bader Molden Recordings, die am 9. März im Café Heumarkt (stadtpolitisch heiße Gegend!) präsentiert wird. Ebenso kräftig lockt «Zoo», das Debüt von Walter. Schon sitzen wir mit Arthur (Gitarre, Stimme) und Michael (Drums) im Sopherl und reden über Album und Band, die komplettiert von Paul (Bass, Stimme) wenig später ihre wöchentliche Probe im gehnahen Studio t-on absolviert.

 

Conzeptalbum mit «C»

Als Fan in der angloamerikanischen Rockmusik verwurzelt, gibt’s zu Walter und den neun Liedern auf «Zoo», mit so schönen Titeln wie «Roger, the Rhino» oder «Humanzee», Assoziationen zuhauf. Schon wähne ich mich via Zeitmaschine mit Frank Zappas unsterblicher, Livealbum gewordener Frage «Does Humor Belong in Music?» im Sinn auf dem Weg in eine Bar in Minneapolis. Dort erörtern Paul Westerberg und Tommy Stinson 1985 die Frage, wie denn ihr viertes Studioalbum heißen soll. Die Antwort – «Tim» – ist kaum vernehmbar, weil aus der Jukebox The Clash mit «I’m So Bored With The U.S.A.» zu hören sind, einem Lied, das als «I´m So Bored With You» in die Welt kam. 32 Jahre später, in der Stadt mit dem W, in einem Lokal ohne Jukebox, erfahren BildMusikArbeiter Lang und ich, dass die Alternative zu Walter «The Spaghettis» gewesen wäre, und so gesehen …

Arthur und Michael führen uns bei gleichmäßiger Bieraufteilung (zweimal Puntigamer, offen, zweimal Wieselburger, Flasche) in die wunderbare Welt von Walter. Wenn Menschen, die schon ein bisschen länger auf dem Planeten sind, etwas gemeinsam machen, gibt es natürlich eine, nein, haufenweise Vorgeschichten, zum Teil schon gemeinsames Musikmachen zu Schulzeiten in den 80ern. Dass die diversen Interpret_innen dabei nicht nachhaltig österreichweit weltberühmt wurden, mag anzuprangern sein. Müssten wir doch dann womöglich nicht regelmäßig den gefallenen Falco medial durchhecheln. So oder so fanden Arthur, Michael und Paul schließlich zueinander, 2012/2013 mag das gewesen sein. Michael, der im Gespräch unter anderem das Loblied des «edukativen Fernsehens» singt, scheint nicht unter lyrischem Ideenmangel zu leiden, und die Walter-Songs kontextualisierenden Konzepte «Claus mit C» und eine «Austropoperette» schreien dringend nach Umsetzung. Weil «Zoo» ein großes Vergnügen ist, launige, stimmige (Erwachsenen-)Rockmusik mit genau der richtigen Dosis an Details, dem allzu offensichtlichen Songverlauf immer wenigstens eine Idee voraus. Zappas Frage nach dem Humor wird positiv beantwortet, die neun Tierstudien widmen sich auch weniger vertrauten Kreaturen – lesen Sie den «Killifish» ruhig nach. Dass es «Zoo» in der Form gibt, wie es am 13. März live präsentiert wird, nahm mit dem Lied «Love to dig» seinen Anfang, ein Lied über den … Nacktmull! «We can hardly see or hear but we don’t care / coz where we live there ain’t too much light nor air / we may be strange and weird, well that’s what we are and we feed our babies our faeces coz that’s what they want – yeah we’re the naked moles.»

 

Bildungsrelevant

Textlich und musikalisch superb outen sich Walter quasi nebenbei als Bildungsveranstaltung, oder wussten Sie, dass der Haut dieses Wesens als einem der wenigen Säugetiere die Substanz P fehlt? Eben! Während The-Clash-Manager Bernard Rhodes im Geist anerkennend nickt (erklärte er seinen Schützlingen doch die üblichen Themen der Rockmusik, allen voran die Liebe, als obsolet), bergen die Walter-Lieder noch viele solcher Erkenntnisse und erfreuen mit gewaltigen Portionen Schalk im Nacken. Dazu passt, dass das Trio nicht die Präsentation zum Album getimet hat, sondern das Album zum Konzerttermin. Dem ausgeprägt eigenwilligen Charakter dieser Band entsprechend, und der ewigen Sehnsucht des durch Beruf und Nachwuchs oft notgedrungen zum Wochenend-Fortgeh-Amateur gewordenen Menschen nach Wochentag-Freiheit, legen Walter diesen auf einen Montag. Dafür bekommen die anwesenden Tiere, Verzeihung, Menschen, mit dem Eintritt die CD dazu. Bevor wir uns auf den Weg ins Probenstudio machen, wo Walter in ihre wahren Ichs schlüpfen (Paul hat seines vergessen!), lassen sie mich noch wissen, dass «Zoo» mit Stefan Frankenberger im Studio 77 aufgenommen wurde – ein lieber Stiegen-Nachbar … Die Welt ist kein Dorf, sie ist ein Zoo. Roar!

Eigenverlag

www.retlaw.at

Live: 13. 3., Local

Heiligenstädter Str. 31, 1190 Wien