Wasser auf Straches Mühlen?Artistin

Ein Salzburger Festspiel-Ensemble überdenkt seine «Provokation»

Was können Künstler_innen tun, um einen Triumph rechtsextremer Politik angesichts der «Flüchtlingswelle» zu verhindern? Und ist die «Hochkultur» eine Plattform für diese Auseinandersetzung – oder vereinnahmt sie alles, was als künstlerischer Protest, als Provokation oder als produktive Irritation geplant war? Nach dem «Skandal» um die «Jedermann»-Aufführung bei den diesjährigen Salzburger Festwochen drängte sich uns «Provokateur» Robert Kainar als Auskunftgeber auf. Robert Sommer befragte ihn dazu.

Foto: Markus Lackinger

Wie es immer passiert, geriet auch der Vorfall, der sich Mitte August abspielte, rasch in Vergessenheit. Denn der irritierende Moment beim Parade-Event der österreichischen Hochkultur wird dem Abonnenten, der Abonnentin scheinbar mitgeliefert wie die obligatorische Würze zum Eintopf. Kein Jahr ohne Brüskierung der Salzburger Elite, scheint die Devise zu sein, und oft gewinnt man den Eindruck, die Oberen hätten ihre Brüskierung selber bestellt.

Zur Erinnerung eine kurze Rekapitulation des Ereignisses im August 2015: Die Mitglieder der extra für die «Jedermann»-Aufführung gebildeten Jazz-Formation «ensemble013» hatten FPÖ-Chef H.-C. Strache und dessen Wiener Statthalter Johann Gudenus mitten im Publikum auf dem Domplatz entdeckt und sich zu einer spontaner Geste der politischen Ablehnung entschlossen. «Um ein politisch-künstlerisches Statement abzugeben, haben wir nach der Auftritts-Musik, die Raum für Improvisationen lässt, die ‹Internationale› zitiert», erklärte Ensemble-Gründer Robert Kainar. Sich die Treffgenauigkeit des Einsatzes dieser klassischen Hymne der Revolution zu überlegen, die in manchen Weltgegenden missbraucht wurde, aber in Zonen heftiger Klassenkämpfe immer noch ein Lied der Subversion ist, fehlte in diesem Moment die Zeit.

Jedermann-Darsteller Cornelius Obonya glaubte, die Reinheit der Kunst verteidigen zu müssen. Er erklärte sinngemäß in einem Facebook-Eintrag, solange die demokratischen Strukturen in einem Land einigermaßen passen, gebe es wohl andere Foren, sich politisch zu äußern. Vermutung: Er will auch im nächsten Jahr den Jedermann spielen und sich’s mit dem Festspielleiter nicht verscherzen. Dieser, Sven-Eric Bechtolf, vermittelte nämlich der Welt, dass er die Methode, sämtliche gesellschafts- und hochkulturkritische Kunst zu vereinnahmen und durch Integration wirkungslos zu machen, nicht perfektioniert hat – anders als sein Vorgänger Gérard Mortier, der seinerzeit drohte, das Festspielhaus aus Protest gegen die Regierungsbeteiligung von Jörg Haiders FPÖ vorzeitig zu verlassen. Bechtolfs Statement: «Private oder politische Meinungskundgebungen der Künstler haben in keiner der Vorstellungen der Salzburger Festspiele die Billigung der Festspielleitung, und wir haben das Ensemble ausdrücklich darauf hingewiesen, dergleichen in Zukunft zu unterlassen. Wir entschuldigen uns in aller Form für diese Störung der Inszenierung bei allen Zuschauern.»

«Eine Maßregelung war nie das Thema»

«Ich habe jetzt den Eindruck, dass Kollege Obonya – wenn er gewusst hätte, welche ‹Freunde› er sich mit der Verurteilung der Anti-Strache-Intervention plötzlich schaffen würde – sich zurückgehalten hätte mit seiner Distanzierung», meint Kainar. Auch ein persönliches Gespräch mit dem Festspielleiter, das sich zufällig ergeben habe, sei sehr positiv verlaufen. Eine Maßregelung des Ensembles sei nie Thema gewesen. Es wird auch 2016 die Begleitband der Jedermann-Aufführung sein, ist Kainer zuversichtlich. Er hoffe, er habe Bechtolf klar machen können, dass die Rechtsgefahr im Allgemeinen unterschätzt werde und dass die Konfrontation mit diesem gefährlichen Trend ein Auftrag der Kunst sei, zumal der Kunstbetrieb zu den ersten Opfern einer freiheitlichen Sparorgie zählen würde.

Was sein Ensemble nicht bedacht hätte, ist der Umstand, dass der Boss der Freiheitlichen eine breite mediale Plattform bekam, um die Provokation mit der Internationalen zu einem willkommenen Wahlwerbungsgeschenk umzudeuten. Lange Zeit beschränkte sich die proletarische Attitüde Straches darin, dass er sich inmitten der diversen Musikantenstadeln dieses Landes sehen ließ. Inzwischen kokettiert er taktisch mit der Rolle seiner Partei als zeitgenössischer Interessensorganisation der Arbeiterbewegung. So gesehen stellte sich die vermeintliche Negation des Rechtspopulismus, das Signal des Arbeiterliedes, als Wasser auf seine Mühlen heraus. Auf seiner Facebookseite frohlockte Strache postwendend: Die situationsbedingte Musikimprovisation «geschah sicher in Anerkennung unserer großartigen Wahl- und Umfrageergebnisse, nach denen ja die Mehrheit der Arbeiter mittlerweile die FPÖ wählt. Nicht umsonst beginnt die dritte Strophe der Internationale mit: In Stadt und Land, ihr Arbeitsleut, wir sind die stärkste der Parteien.»

Seine schlechte Laune konnte Strache dann doch nicht verbergen. Denn er kann öffentlichen Widerspruch durch Künstler_innen, zu denen er sowieso ein gestörtes Verhältnis hat, in Wirklichkeit gar nicht leiden. Also schließt er seinen Facebook-Eintrag verstimmt: «Vielleicht sollte sich die Musikkapelle, die sich ‹ensemble013› nennt, nachdem wir den August 2015 schreiben, und der erst jetzt so richtig der mediale Durchbruch gelang, in ‹ensemble0815› umbenennen.» Damit auch jene Wähler_innen, denen Straches ironisches Spiel mit Revolutionssignalen nicht koscher vorkommt, Anlass zum Schenkelklopfen haben.