Yasmo sagtArtistin

Musikarbeiter unterwegs … mit Schiller, Poetry, Rap und Feminismus

«1000 Liebe» heißt das neue Album von Yasmo & Die Klangkantine. Eine musikalisch und inhaltlich wunderbare Angelegenheit, finden Rainer Krispel (Text) und Mario Lang (Foto).

Am Anfang ist Zweifel im Haus, als ich den Download-Link zum Album bekomme. Vertraute Fragen – kann ich etwas anfangen mit der Musik, sagt sie (mir) etwas? «YKK» und «Rouge» – wir grooven uns ein, bei «Weit Weit Weg» haben wir uns gefunden und geben uns nicht mehr her. «Und ich versteh dich, auch wenn ich dich eigentlich nicht verstehen kann», verbalisiert Yasmin Hafedh aka Yasmo zur von Ralph Mothwurf komponierten Musik, vom Gitarristen und musikalischen Leiter mit der vielköpfigen Klangkantine meisterlich umgesetzt. Bei «Salzwasser», «Baby» und «Girls Wanna Have Fun» bleibt der Mund offen, das Herz pumpert und funkt dem Intellekt Euphoriekürzel zu, die dieser inmitten sich abspulender Gedankenblitzketten und stimulierender Assoziationspuzzles bejaht. Schon möchte ich mich mit der Frau, die «Girls Just Want to Have Fun» von Cindy Lauper (die den Song in die weibliche Perspektive setzte) jahrelang als Klingelton ihres Fons verwendete, in ein Grundsatzgespräch stürzen. Wie genial es ist, das Wort «just» im Titel auszulassen, und wie viel und was allein das schon sagt. Eine Atempause, Geschichte wird gemacht, wenn wir etwas formulieren.

Der Weg zu geilem Jazz mit geiler Lyrik

Mit 16 war Yasmo, heute 26, auf ihrem ersten Poetry-Slam, im Jänner 2007 («Damals gab es nur einen monatlichen, mittlerweile ist die ganze Stadt voll mit Slams»), im Februar nahm sie erstmals teil. «Dann hat man mich nicht mehr von der Bühne bekommen», lacht sie. Ein erstes Outlet für ihren Umgang mit Sprache, ihr Schreiben war gefunden. Die Tochter einer Friseurin und eines Kellners/Kochs erinnert sich an eine frühe Begeisterung für (Kinder-)Theater, und weiterführend: «Meine Pubertät war ein wenig geprägt von Schiller, wenn man so möchte.» Dessen Sturm und Drang, dessen Sprache und Hingabe an diese erscheinen nur dem oberflächlichen Blick abwegig als Inspirationsquelle einer wortgewandten, explizit feministischen, substanziellen und zeitgemäßen Protagonistin der aktuellen Popkultur. Die aus Deutschland stammende alleinerziehende Mutter Yasmos spiegelt sich ohrenfällig in der klaren Hochsprache der Wienerin wider. Als Stimme einer Band, deren acht Musiker_innen aus allen österreichischen Bundesländern stammen, kommen ihr verstärkt Dialektphrasen unter, die sie gekonnt als liebevolle Details in das ohnehin dichte, verzweigte und diskursive Wortnetz ihrer Kunst mit der Klangkantine einwebt. Was dieses noch fesselnder im positiven Sinne macht. «Auf dera Wöd samma olle Ausländer (jo, recht hat er)/Und das ist gut» («Weit Weit Weg»). Der Weg zur Musik führte parallel zum Eintauchen in die Welt der Slam-Poesie über die Beschäftigung mit Deutsch-Rap («Die Sprachbilder, die Vergleiche, die Wortspiele») und aus dem Netz geladenen Beats zur Hip-Hopperin Yasmo. Ein mit ihrem Musiklehrer Thomas Raab (heute als Krimiautor erfolgreich) in der Schulklasse erarbeiteter Rapsong gab weitere Kicks.

Feminismus ist …

In der von männlichem Machismo nicht freien Hip-Hop-Welt («Kleines, du bist süß, aber lass das mit dem Rappen» – «Salzwasser») geht Yasmo reflektiert und selbstbewusst ihren Weg. 2011 erschien «Keep it realistisch», 2014 folgte «Kein Platz für Zweifel». Teile der Klangkantine lernte sie bei einem Jazz-Slam des ­Veranstalter_innenkollektivs FOMP (fomp.eu) kennen, bei dem Poet_innen mit ihren Texten auf Musiker_innen treffen und gemeinsam unmittelbar etwas entstehen lassen. Die Euphorie des gelungenen Auftritts überdauerte den «alkoholischen Übermut» nach dem Gig, die Klangkantine wurde «gross» entworfen. Ralph Mothwurf stellte die Musiker_innen zusammen, neben ihm selbst sind das Flo Spies (Komposition/Posaune u. a.), Tobias Vedovelli (Komposition/Bass), Reinhard Hörschläger (Drums), Markus Pechmann (Trompete), Leonhard Skorupa (Altsaxofon), Andreas Lindenbauer (Tenorsaxofon) und, seit der prestige- und nervositätsträchtigen Albumpräsentation im Konzerthaus, Anna Maurer (Tasten). Was Yasmo & Die Klangkantine gelingt, ist eine so wundervolle wie eindrucksvolle Symbiose von Text und Musik, die fließt, unterhält und (auch) fordert, dabei in seltener Klarheit das Große und das Kleine, das Politische und Persönliche, den Übermut und das Niederdrückende an- und ausspricht. Bei allem verdienten Zuspruch, den diese Musik erfährt, das materielle Künstlerinnen(über)leben bestreitet Yasmo hauptsächlich als Schreiberin – nach dem Interview muss sie ihre Kolumne für die Literaturzeitschrift «& Radieschen» abliefern – und Slam-Poetin. Davor erzählt Yasmo noch von einer Online-Haterin – «Endlich, eine Haterin!» –, die sich mit «Feminismus ist Krebs» ausgerechnet in der Pause eines feministischen Poetry-Slams, den sie mit Kollegin Mieze Medusa veranstaltet, zu Wort meldete. Haterin – du hast falsch!

 

Yasmo & Die

Klangkantine:

«1000 Liebe» (Ink Music)

Live: 27. April, WUK

yasmo-klangkantine.com