Augustin 269 - 02/2010

Vom Titel-Schwund zum Drall-Titel

Kleine Titelkunde. Das Wort hat bekanntlich mehrere Bedeutungen. Zum Beispiel bezeichnet es den akademischen Grad, den eine Person erreicht hat, oder irgendeine besondere Würdigung. In dieser Hinsicht herrscht im Augustin ein gewollter Titelschwund vor. Ein Herr Dreifachdoktor wird nur seinen nackten Namen im Augustin finden, eine Frau Hofrat wird gleich aus zwei Gründen um ihre Eminenz gekürzt: weil ihr Titel nämlich noch dazu genderverkehrt ist. Der Leser, die Leserin, der oder die die meisten von Redaktion und Lektorat übersehenen akademischen Grade in dieser Ausgabe findet, kriegt eine kleine Aufmerksamkeit zugesendet.

Die zweite große Bedeutung des Titels: die Zeitungsüberschrift. Statt Untertitel könnte man auch Unterüberschrift sagen, das klingt aber saublöd, weswegen wir im Augustin dem Haupttitel in der Regel einen Übertitel verpassen.Der Augustin ist insofern eine normale Zeitung, als das Titelmachen im Allgemeinen eine Chefsache ist, das heißt in unserem Fall: Die zweiköpfige Textredaktion maßt sich zuweilen das Recht an, Titel der freien MitarbeiterInnen zu verändern. Dem jungen Journalisten, der dieser Tage im Gratisblatt «Heute» einen netten Text über Hans, «Wiens freundlichsten Zeitungsverkäufer», platzieren durfte, ist wir können es nur vermuten zugute zu halten, dass der Titel über seinem Artikel auch in diesem Fall vom Chef kam. Er lautete: «Falls Sie ihm zwei Euro geben, bedenken Sie …». Im Konnex mit dem Text, in dem der Journalist ganz wertfrei berichtet, dass der Augustinverkäufer jetzt in einer Gemeindewohnung lebt, ist diese Überschrift suggestiv: Bedenken Sie, ob Ihr Mitleid angebracht ist angesichts eines Wohnungsbesitzers. Einer Bloggerin (www.kobuk.at) ist diese Manipulation sofort aufgefallen. Ihre Titelversion heißt «Bevor Sie zu HEUTE greifen, bedenken Sie …», und ihr Text: «… dass diese Zeitung von Menschen gemacht wird, die selbst in Villen leben und dennoch andere Menschen an den Pranger stellen, wenn diese sich erdreisten, zwar arbeitslos- und beinlos, aber nicht obdachlos zu sein.» Die Gratiszeitung gehört, wie die Krone, der Dichand-Familie.

Der Titel kann der Geschichte also einen Drall geben, der im Text selbst nicht angelegt ist. Ein Spiel ist fällig. Die Augustin-Redaktion als Drallgeber. Christa Neubauers Tauben-Rezepte (S. 19) könnten den Titel DIE KRISE FÜLLT WIENER KOCHTÖPFE MIT TAUBEN haben; die neue Rubrik mit Veranstaltungsberichten von Kulturpass-BesitzerInnen (S. 36) den Titel ALIBI-ARME IM THEATER; die Geschichte über die Klagen der jungen Afghanen über die europäische Festungspolitik (S. 11) den Titel TRAISKIRCHEN: PARADIES GEGEN GRIECHENLANDS ABSCHUBLAGER; der Bericht über die Unsitte der ärztlichen Strafmandate im Falle unentschuldigten Fernbleibens den Titel WEISSE GÖTTER DREHEN DURCH. Schaun’S einmal, welche Überschriften wirklich gewählt wurden.

Nicht nur Zeitungen und Bücher haben Titel, sondern auch Demos. Eine Demo, die am Freitag, dem 5. März um 13 Uhr auf dem Praterstern beginnt, trägt einen besonders schönen Titel: VOM TRAUM ZUM RAUM. Über weitere Gründe, an dieser Demo teilzunehmen: Siehe S. 5.

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