Augustin 283 - 10/2010

Die Ostler (u.a.) sind die Unsrigen

«Augustin? Hab vor Jahren ein paar gekauft. In letzter Zeit sind nur mehr Ostler zu sehen. Hab also darauf verzichtet. Die sollen lieber daheim betteln.»

Nicht alle verstehen das Anliegen des Augustin-Projekts, wie dieser Kommentar auf der ORF-Wien-Website bestätigt. Sein Verfasser kann nicht wissen, dass die «Ostler», die seinen Ekel erregen, «daheim» nicht einmal mit einem Arbeitslohn überleben könnten, geschweige denn durch Betteln. Er weiß es nicht, weil er ja den Augustin nicht mehr liest, seit dessen KolporteurInnen annähend die Buntheit des Planeten widerspiegeln.Bisher hat es (vermutlich) keine Gesellschaft gegeben, die nicht ihre spezifischen Sündenböcke kreiert hätte. Nichts hält Herrschaftsverhältnisse stabiler als die Produktion von Sündenböcken. Derzeit müssen «die Ostler» diese Rolle spielen. Nicht die Kitzbühler St.-PetersburgerInnen sind damit gemeint, sondern die Roma aus der Slowakei, aus Rumänien.

Die «erste Generation» der Augustinverkäufer waren die (männlichen) Wiener Originale zwischen Praterstern und Gruft. Sie galten als «die Unsrigen», obwohl kaum einer ihrer Kunden über den Standesschatten sprang, um z. B. einen der «Unsrigen» zum privaten Weihnachtsfest einzuladen. Die ersten «Fremden» beim Augustin waren die Flüchtlinge aus afrikanischen Staaten. Manche Freunde der «Unsrigen» weigerten sich, die Straßenzeitung aus einer schwarzen Hand zu nehmen. Aus einer Drogendealerhand, wie das Vorurteil lautete. Mit der Zeit wurde in Wien die Figur des nichtweißen Zeitungsverkäufers zur Selbstverständlichkeit.

Die «Ostler» können nicht zur Selbstverständlichkeit werden, zumindest morgen noch nicht. Denn einflussreiche Medien und reaktionäre MinisterInnen sorgen dafür, dass Österreich in Sachen Roma-Abwehr nicht abgehängt wird von Staaten wie Frankreich, Italien, Ungarn, Tschechien, Slowakei und Rumänien, die ihre Roma zurück nach Indien beamen wollen.

Super, dass der Augustin für alle da ist, für die Obstler und für die Ostler, reimt ein aufgeklärter Verkäufer mit Ösi-Pass, der sich selbst zur Obstler-Fraktion zählt, zu den Freunden des Destillats nämlich (es müssen nicht gefährdete alte Obstsorten sein).

Super, dass der Augustin für alle da ist, sagte der Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell von der Uni Wien bei der Pressekonferenz «15 Jahre Augustin»; er verwendete andere Worte dafür: «Im Gegensatz zu traditionellen Medien gelingt es dem Augustin, die Buntheit der Gesellschaft abzubilden. Der Augustin ist und bleibt das soziale Gewissen der Stadt.»

Das Hausjell-Diktum bleibt eine Herausforderung für uns Schreiberlinge. Die vorliegende Ausgabe sollte aus Anlass der Fiesta zum 15-jährigen Bestehen eine Art journalistische Siesta ausdrücken, die wir dem Herausforderungszwang abtrotzen. Aber leider macht das Böse keine Siesta, weshalb sich aufgeregte Sprache in die Festnummer mischt: weil SozialarbeiterInnen versuchen, die «Miete» für nächtliche Obdachlosen-Notbetten rückgängig zu machen, weil der Internet-Buchverkäufer Amazon sich absolut fragwürdiger Partner erfreut oder weil Österreich endlich einen Journalismus braucht, der nicht Raiffeisen-Presseaussendungen abdruckt, wenn über Raiffeisen die Rede ist.

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