Augustin 307 - 11/2011

Geldbeschaffung ist eine Frage der Seriosität

Die Behandlungskosten seien gedeckt, lautete eine Jubelmeldung bei Redaktionsschluss. Bei Lacrimioara Merjan, einer aus Rumänien stammenden Augustin-Verkäuferin, wurde Brustkrebs diagnostiziert. Als Angehörige der Roma ist sie auf dem rumänischen Arbeitsmarkt so gut wie chancenlos, und keine Arbeit haben ist gleichzusetzen mit nicht krankenversichert zu sein. Somit muss sie die Chemotherapie selbst bezahlen und das kann sie jetzt auch dank vieler Augustin-Leser_innen.  

Und die Redaktion konnte aufatmen, sie dürfte richtig gehandelt haben. Als ihr dieser Fall herangetragen wurde, lag es nicht sofort auf der Hand, die (Kranken-)Geschichte der Straßenzeitungs-Verkäuferin samt Spendenkonto in der Ausgabe Nr. 305 zu veröffentlichen, denn gibt es nicht viele unter den rund 500 Kolporteur_innen, die finanzielle Zuwendungen gut gebrauchen könnten? Warum soll Lacrimioara Merjan eine Sonderrolle zukommen?

Weil dadurch auch die miserable ökonomische Situation, in der besonders Roma in «Osteuropa» stecken, wieder einmal in Erinnerung gerufen werden sollte (in Österreich ist die Situation unvergleichlich besser, wie dem ja, stimmt schon Fußball-Artikel dieser Ausgabe zu entnehmen ist). Ihre gesamte Familie ist laut Ehepaar Merjan nicht krankenversichert, somit ist kein Einzelschicksal an die große Glocke gehängt worden, sondern ein strukturelles Problem wurde aufgegriffen: der Ausschluss einer Volksgruppe vom Tropf. Und darin sehen wir auch unsere Aufgabe, hinter die Kulissen zu blicken und nachzufragen, warum eine Straßenzeitungs-Verkäuferin ihre Chemotherapie selbst bezahlen muss. Viele Leser_innen dürften diesen eingeschlagenen Weg goutiert haben, sonst können wir uns die hohe Spendenbereitschaft nicht erklären.

Einladungen zu spenden, sollen in diesem Blatt auch weiterhin nur in Ausnahmefällen ausgesprochen werden, was sich aber in Bälde ändern könnte und sollte, betrifft im weiteren Sinne das Erscheinungsbild des Augustin. Nein, es ist kein neues Layout angedacht, und wir werden auch weiterhin das Hochglanzpapier meiden wie die Regierung die Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer, aber was bezahlte Anzeigen betrifft, muss der Augustin vom hohen Ross ein beinahe inseratenfreies Blatt zu sein heruntersteigen. Wir können uns auf Dauer den Luxus, auf bezahlte Anzeigen zu verzichten, nicht leisten. Die einzige Cashcow im Stall des Augustin ist nun mal die Zeitung. Durch die Zeitungseinnahmen werden nicht nur das Printmedium selbst, sondern alle Medienabteilungen wie Radio Augustin und Augustin-TV, die zahlreichen Projekte für Verkäufer_innen und die gesamte Sozialarbeit finanziert. Der Augustin erhält keinen Cent an Förderungen, hat auch nie einen Groschen von der öffentlichen Hand, von Parteien oder Kirchen geschnorrt und wird auch nicht mäzenatisch gefüttert.

Wir schätzen werbefreie Zonen und halten die Ohren zu, wenn auf Radio Ö1 durchgegeben wird, dass ein Glücksspielkonzern die Konzertübertragung ermöglicht habe, doch es wäre mittlerweile masochistisch, das Anzeigen-Feld nicht zu beackern schonend, versteht sich!

Da liegt mir ein Sager eines befreundeten Journalisten im Ohr, der meint, eine Zeitung ohne Inserate sei keine richtige Zeitung. Also, wundern Sie sich nicht, wenn der Augustin noch mehr Zeitung wird.

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