Augustin 322 - 05/2012

Schnitzel oder Liebe?

Der Augustin ist nicht gerade disponiert, postmaterielle Werte zu propagieren. Die Habenichtse, die den Augustin vertreiben, können sich mit doppeltem Selbstwertgefühl nicht eine doppelte Menge an Wurstsemmeln kaufen. Ausgerechnet in Wien, wo nach einem Bonmot des Dichters Peter Ahorner nicht die Moral nach dem Fressen kommt, sondern die Nachspeis‘, sollte das Primat des Schnitzels (also des Geldes) vor der Liebe in Frage gestellt werden?Und dennoch: Man kann sich den Augustin als Staat vorstellen, in dem zwei Währungen zirkulieren, die für zwei ökonomische Systeme stehen: die Geldökonomie und die Aufmerksamkeitsökonomie. Kürzlich wurde in diesem Blatt die volle Vielfalt des «Gesamtkunstwerks Augustin» vorgestellt. Quantitativ überwiegen auf unserer Liste der Subprojekte die Aufmerksamkeitsgeneratoren. Also jene Einrichtungen, in denen die darin Involvierten oft zum ersten Mal in ihrem Leben, weil bisher alles schief gelaufen ist, von der Lieblosigkeit der diversen Eltern-Ersätze (Erziehungsheime etc,) bis zu den Traumata durch Schulversagen unvermutete Erfahrungen des Respektiertwerdens machen. Ich nenne als Beispiele: die Theatergruppe, das «Stimmgewitter», das Fußballprojekt Schwarz-Weiß Augustin…

In einer Gesellschaft wie der bestehenden verwandelt sich in dem Maße, wie die «großen Erzählungen» verschwinden und das Vertrauen in die Rettungskräfte der jeweils eingespeicherten Religion verdampft, das Geld zum allerwichtigsten religiösen Fetisch. Es wäre unter diesen Bedingungen verständlich, jene Augustinprojekte in die Kategorie des Sekundären einzuordnen, die «nur» immaterielle Armenhilfe leisten, nicht materielle. Weiter gedacht: Potentielle Liebhaber_innen könnten den vermeintlich solidarischen Vorschlag machen, das Spektrum des Gesamttkunstwerks zu reduzieren, um Einsparungen zu erzielen. Eine Konzentration auf das Printmedium und den Vertrieb, also auf de «Effizienz-Standbeine» des Augustin, erlaube es, die «Liebhaberei» billiger zu machen. 25 Euro pro Monat sei in Zeiten der Krise keine Lappalie.

Ich bitte Sie, Notiz von einem aktuellen Leser_innenbrief zu nehmen. Es heißt hier: «Liebes Redaktionsteam, ich bin jetzt Augustin-Liebhaberin geworden, aus Solidarität mit dem Gesamtprojekt. Für die Zeitung alleine hätte ich es mir noch länger überlegt, weil 25,- monatlich schon ein bisserl viel Geld ist.» Hier äußert sich eine Leserin, für die gerade das breite Spektrum der Sub-Projekte die Einzigartigkeit des «Unternehmens Augustin» ausmacht.

Ohne sie wäre der Augustin auf die Funktion der Geldbeschaffung für Geldlose reduziert. Ist er aber per definitionem nicht. Er versteht sich als Generator, der die Talente der involvierten Marginalisierten zu Tage fördert und diesen ihren Selbstwert zu entdecken erlaubt. Empowerment kommt nicht von zehn Euro zusätzlich pro Tag im Geldbörsel, sondern von der Erfahrung, respektable Kompetenzen zu besitzen, von denen man womöglich zuvor gar nichts ahnte. Zum Beispiel die Kompetenz, Fairplay zu betreiben und dennoch Torjäger zu sein. Zum Beispiel die Kompetenz, eine Radiosendung zu moderieren.

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