Augustin 365 - 05/2014

Die Vögel zwitschern: Mehmet geht

Augustin-Leserin Elisabeth Fritsch stolperte über meinen Artikel über den griechischen Bürgermeister (Nr. 364), der sich zu den Folgen der Entmündigung des Landes durch die EU-Spitze und zum Widerstand des Volkes äußerte; genauer, sie stolperte über die laiensoziologische These, dass die Wienerinnen und Wiener – im Gegensatz zu den in Bewegung geratenen Griech_innen – «wuchtige Erschütterungen ihrer Gemütlichkeit brauchten», um auf die Plätze und auf die Straßen zu strömen. Diese Katastrophentheorie sei mit wissenschaftlichen Forschungen nicht belegbar, schreibt sie. Eher sei das Gegenteil belegbar.Wie sehr hoffen wir, dass es zu Entwicklungen kommt, die der fröhlichen Wissenschaft unserer Leserin schmeicheln! Sie wird in dieser Ausgabe auf zwei Erschütterungen stoßen, an die wir die Hoffnung knüpfen, dass die sprichwörtliche Passivität der Österreicher_innen umschlägt in eine Praxis des zivilen Ungehorsams, für die es ja tatsächlich einige historische Vorläufer gibt. Diese aktuellen Erschütterungen sind die bevorstehende ungeheure Ausplünderung der Gesellschaft, um eine «Mafiabank» (© Werner Kogler) zu retten (Seite 10) und der Plan der Wirtschaftskammer, die Zeit um 100 Jahre zurückzudrehen und den 12-Stunden-Arbeitstag einzuführen (Seite 14). Beides ist der Gemütlichkeit eher abträglich, weswegen wir stark hoffen, unsere «Katastrophentheorie» möge katastrophal zusammenbrechen.

Eigentlich wäre es schön, wenn wir die Gemütlichkeit und die mit ihr verwandte Gelassenheit in die kommenden Unruhejahre hinüberretten, sie in den Widerstand integrieren könnten. Einer, dem das ganz gut gelingen könnte, verlässt in einigen Tagen das Augustin-Team. «Zwanzig Jahre Sozialarbeit sind genug», sagt Mehmet Emir (bevor er zum Augustin kam, war er Betreuer in einem städtischem Jugendzentrum). «Er möchte nicht mehr nur für Rechnungen arbeiten, sondern auch zumindest für eine bestimmte Zeit das Leben in Wien genießen. Es ist Frühling, die Vögel zwitschern, und bald muss der Hüseyin wieder einmal zum Zahnarzt», heißt es in der neunten Folge der «Abenteuer des Herrn Hüseyin» in diesem Blatt (Seite 35). Verraten wir zu viel, wenn wir sagen, dass unserem Mehmet die Seelenwelt des Herrn Hüseyin, dessen Rubrik im Augustin weiterläuft, sehr sehr vertraut ist?

Klar, die Transkulturalität gilt für uns alle als schick. Von Mehmet lernten wir aber, dass es eine Herausforderung ist, in Wien nicht der «Mehrheit» anzugehören und im heimatlichen kurdischen Gebirgsdorf «der Deutsche» zu sein. Mehmet Emir mäandriert auf verschiedenen Ebenen zwischen zwei Welten, die er schwer in sich trägt. Der Apfel (so nannten die Osmanen das bewunderte Wien) und der Maulbeerbaum, das ist die eine Spannung. Sozialarbeit und Kunst, das ist der zweite Streit in ihm. Zu gehen, um die Vögel zwitschern zu hören, kann man so übersetzen: Mehmet braucht Zeit, um seine großen künstlerischen Projekte zu realisieren, die er vor sich hinschob. Und die niemand sonst realisieren kann. Sein Dorf hinter den sieben Bergen (manche ihrer Gipfel sind von der türkischen Besatzungsarmee okkupiert) hat er als Fotokünstler 30 Jahre lang begleitet. Und wir, die wir ein bisschen traurig sind, werden sein Werk begleiten, und wir werden regelmäßig lesen wollen, wie es dem Herrn Hüseyin geht.

«Nach außen ein demokratisches System»

IG-Milch Obmann Grünzweil im Augustin-Gespräch

Im April 2015 wird in Österreich das System der «Quoten» in der Milchwirtschaft abgeschafft. Der Augustin sprach darüber mit IG-Milch Obmann Ewald Grünzweil.In einem Jahr wird es keine «Quoten» bei der Milcherzeugung mehr geben. Was bedeutet die «Quo… weiterlesen

Bitte seien Sie achtsam

eingSCHENKt

Die Türen schließen. Der Zug fährt ab. Eine Stimme aus dem Off ertönt. «Seien Sie achtsam: Andere Fahrgäste benötigen Ihren Sitzplatz vielleicht notwendiger.» So heißt es neuerdings in der Wiener U-Bahn.Kleine Revolution an der Durchsagefront. Nicht … weiterlesen

Keine Geburtstagsgeschenke für die Kinder

Die Abenteuer des Herrn Hüseyin (9)

Im Türkischen sagt man: «Der Fuchs landet beim Kürschner.» So ist es auch beim Herrn Hüseyin, wo auch immer er eingeladen ist, besucht er seinen nicht echt-griechischen Gastronomen-Freund im ersten Bezirk.An der Bar sind ähnliche Menschen wie unser H… weiterlesen

Gedichte

Verstecken

Ostereier, Osterlamm,
Osterpinzen – kane Prinzen …
Gibt’s denn de nu – de Letzteren? –
I moa, i hab nu nia an g’sengn.
Wenn scho, dann in a Rolln verpackt –
doch mehr war’s nia – drum hams versagt …Reimerei

Heit reim‘ ma uns koa G’sa… weiterlesen

LUST. Lasst uns leben!

Aus der KulturPASSage

Der Titel des aktuellen Kabarettprogrammes von Werner Brix trifft – nach Aussage des Künstlers – den Kern der Sache. Werner Brix führt uns vor Augen, dass man das Leben in jedem Fall genießen sollte und nicht wegen jeder Kleinigkeit alles schlechtred… weiterlesen

Rossini fährt über die großen Teich

«Weiß nie genau, wohin sich der Text entwickelt» – Gespräch mit Kurt Palm

Der umtriebige Regisseur und Autor Kurt Palm (geb. 1955) hat mit seinem neuen Buch «Bringt mir die Nudel des Gioachino Rossini» nur vordergründig eine witzige Persiflage auf das Western-Genre vorgelegt. Zwischen den Zeilen beschäftigt sich Palm in de… weiterlesen

Die Besten verrieten das Vaterland

Markus Kupferblum und sein Ensemble «Schlüterwerke» haben Großes vor

Gibt’s nicht schon genug Weltkriegserinnerungsangebote in diesem Jahr? Musst nun auch du einen Beitrag zu dieser Gedächtnisinflation hinzufügen, fragen wir Markus Kupferblum, der mit seinem Musiktheaterensemble »Schlüterwerke» Großes plant. Ich glaub… weiterlesen

Kalksburg, Dorf an der Grenze

Dort, wo der Verkehrsstau zu Hause ist und die Öffis fehlen.

Eine sonst durchaus vernünftige Freundin von mir bringt ihre Kinder mit dem Auto in Kindergarten und Schule. Geht nicht anders, sagt sie, in Kalksburg gibt’s so gut wie keine Öffis. Wer in Kalksburg wohnt, darf sich als Wiener_in bezeichnen, kann abe… weiterlesen

Schmutz & Schund bis zum Endsieg

Wie die Wienbibliothek zu ihrer Ersten-Weltkriegs-Sammlung kam

Der christlich-soziale Wiener Bürgermeister Weiskirchner, in vielerlei Hinsicht ein Kotzbrocken, hat dank seiner Kriegsbegeisterung ungewollt einen Schatz hinterlassen, von dem andere Städte nur träumen können. Gerhard Murauer, Mitarbeiter der Wienbi… weiterlesen

Wer sind die Umzingler?

Hypo-Schlamassel: «Die Totengräber der Transparenz sind umzingelt»

Die Hypo-Bank und die Aussicht, dass sie von der Regierung in einer Art abgewickelt wird, die den in der Zweiten Republik bisher größten Schaden für das öffentliche Vermögen stiftet, haben eine schon lange nicht gesehene gesellschaftliche Empörung he… weiterlesen

teilen: