Der Palast, der nicht Palast bleiben durfteDichter Innenteil

Heute kann Udo Lindenberg hier nur mehr auf die Wiese pinkeln

«So deutsch ist das höchste Haus der Welt», titelt Anfang Jänner der Spiegel. Das Haus, das fast einen Kilometer hoch ist. Der Burj Chalifa in Dubai. Was hat das mit Mario Langs Fotochronik vom Abriss des Palastes der Republik im ehemaligen Ostberlin zu tun. Man ahnt es. Die Stahlträger des Palastes, in dem die DDR-Volkskammer tagte und in dem sich das Volk (Ausnahme: die Punks der DDR) vergnügte, z. B. beim legendären Udo-Lindenberg-Konzert 1983, wurden nach dessen Abriss 2006 eingeschmolzen. Eine türkische Firma verkaufte die Tonnen nach Dubai. Da freut sich der deutsche Patriot und sein Kleinformat, der Spiegel: Mit deutschem Stahl kann man leicht Rekordwolkenkratzer bauen, so könnte die Botschaft lauten, und in modifizierter Form, formuliert für DDR-NostalgikerInnen, lautet sie so: Die DDR lebt; nie war ihr Stahl dem Himmel näher.Nicht nur DDR-NostalgikerInnen hatten sich für die Rettung des Palastes der Republik eingesetzt. Der Angriff der Vereinigungssieger gegen den DDR-Städtebau der Moderne von den 60er bis zu den 80er Jahren veranlasste junge ArchitektInnen und KritikerInnen des westlichen Triumphgehabes viele von ihnen kamen aus Westberlin zur Gründung des «Bündnis für den Palast». Sie verloren den Kampf.

Ich habe in den vergangenen Tagen hier in Wien Freundinnen und Freunde gefragt, warum der Palast der Republik abgerissen wurde. Darunter auch stets gut informierte. «Asbestverseuchung», lautete die allgemeine Antwort; niemand musste dafür auch nur zehn Sekunden überlegen. Bis vor kurzem wäre das auch meine Antwort gewesen. Die Fakten: Der Palast ist 1990 wegen Asbestverseuchung geschlossen, jedoch nicht 2006 wegen Asbestverseuchung abgetragen worden. 2006 gab es nämlich keinen Asbest mehr. Zwischen 1998 und 2003 wurde um 35 Millionen Euro der im Baukörper vorhandene Asbest entsorgt.

«Besondere Sorge macht den Verantwortlichen die schier unvorstellbare Menge an Asbest, die auf den 230 000 Quadratmetern Gesamtfläche verbaut ist. Egal, ob Fußböden, Wandverkleidungen, Heizkörper, Wasserrohre alles Asbest, Asbest, Asbest.» Hier wird kein weiterer DDR-Bau beschrieben. Es ist ein Zeitungsbericht über das UNO-Hauptquartier am East River, 1951 nach Plänen von Le Corbusier fertig gestellt. Selbst in Zeiten, als die Beziehungen zwischen den USA und der UNO ziemlich gestört waren, wäre die Forderung nach Abriss dieses Palastes der Welt mit einem Achselzucken ignoriert worden. Derzeit wird das UNO-Zentrum renoviert. Der Asbest kommt raus.

Verseucht ist der Rasen, der heute die Stelle bedeckt, wo der Palast der Republik stand. Nicht asbestverseucht, sondern vergiftet mit den Errungenschaften nach der Wende: Korruption, falsche Zertifizierungen, fehlende Kontrollen, frisierte Machbarkeitsstudien, geschönte Bilanzen, eine Wettbewerbs-Farce. Das Projekt der Wiedererrichtung des Preußenschlosses auf dem Areal des Palastes der Republik ist zu einem potenziellen «Tatort»-Thema geworden, nachzulesen auf der Website

http://schlossdebatte.de.