Die Death Café BewegungDichter Innenteil

Am Küchentisch (43. Teil)

Ein Skype-Gespräch zwischen zwischen Elisabetta, Gründerin des ersten Death Café in Italien und Jella, 1. Wiener Death Café.

19. August 2014, Malcesine, nahe Verona.

Elisabetta: Ich erzähle dir von unserer kleinen Gruppe, die an diesem warmen Nachmittag aus nur drei Leuten besteht, sich an den Tisch des Death Café setzte, lukullisch bewirtet vom Cafetier des Il Punto, in Malcesine, einem wundervollen kleinen Ort an den herrlichen Küsten des Gardasees nahe Verona. Ein sehr spezielles Licht umringte uns während des Meetings und ich möchte gerne mehr darüber sagen vor allem was eine der Teilnehmerinnen, Michaela, anschließend über die Atmosphäre dieses Sommernachmittags erzählen wollte: «Wie ausgesprochen leuchtend die Stimmung, mit den vielen Menschen auf den Plätzen und die Musik und dieses Licht vom See her, der sich in den Häusern spiegelt, die Balkone voller Blumen und die warme Brise mit dem Duft aus Jasmin. Eine ganz bestimmte altertümliche Süße liegt über diesem besonderen Platz an diesem Augustnachmittag, in Resonanz mit tausenden anderen Sommer zuvor, und möglicherweise sogar auch mit anderen Existenzen zuvor, und genau das macht das eigene Herzen warm, offen und fragil. Ich glaube an die unendliche Schönheit der Nostalgie des Lebens. Daran, wie unfassbar schnell Zeit vergeht, und ich glaube an den perfekten Moment. Unsere Bewusstheit rettet uns. Danke liebe Elisabetta!»

Was bewirkt das Wort Tod? Wie reagieren wir darauf? Ist es Düsternis, Stille, Auflösung, Frieden, das Ende der Erinnerungen, oder Nicht-Existenz wie Epikur sagte, in seinen Briefen über das Glück: Tod ist nichts anderes als das Stillstehen der Gefühle.

Antworten auf diese lebenswichtige Frage gibt es viele wie zum Beispiel «Wenn ich an Tod denke, denke ich an Dunkelheit, Kälte und ich empfinde Angst.» «Ich fürchte mich vor Schmerz und Qual.» «Ich denke an eine lange lange Reise.» «…ein Durchgang, der schwierig zu manövrieren ist, eine Veränderung unseres Körpers.» Gegenstand von Konversation und Beobachtung während unserer Meetings ist, dass das vorherrschende Thema die behutsame Begleitung und Annäherung an das große Thema Tod ist und wie die Religionen verschiedene kulturelle Betrachtungsweisen und Rituale etabliert und verfestigt haben.

Die Katholische Kirche zum Beispiel intellektualisiert diese lebenswichtige Ereignis, verknüpft es mit zu vielen Anspielungen und Hinweisen innerhalb der religiösen Aspekte, wobei doch der Tod etwas völlig Natürliches darstellt, der uns die Möglichkeit offenbart Frieden mit uns und der Welt zu schließen. Für andere jedoch sind Religionen entstanden aus biologischen Gründen, um Leben zu beschützen. Jella: Und der Buddhismus zum Beispiel stellt den Tod nicht als Schreckensgespenst dar. Dinge, Personen und Schicksale loszulassen und lernen den eigenen Tod anzunehmen sollte man früh genug praktizieren, dazu gibt es über die Jahrtausende spezielle, übertragene Übungen, Meditationen, Kontemplationen von Meister_innen an ihre Schüler_innen. Der Buddhismus bringt mir den Tod näher als der Katholizismus. Elisabetta: Hier in Verona sind die Leute sehr katholisch und zum Death Café kommt fast niemand! Das muss man sich einmal vorstellen, was die Religion mit den Menschen anstellt! Nun, im zweiten Teil unseres Meetings fokussierten wir uns auf die Dinge, die wir in unserem Leben zu realisieren wünschen: lieben, den Mut haben Liebe auszudrücken, Schüchternheit überwinden, Kinder haben, die Entwicklung des eigenen Bewusstseins, freudvolle Beziehungen erfahren können (ein Hindernis dazu ist, dass wir in dem schuldigen Glauben erzogen werden alles sei Leid, und wir müssten in diesem Leid gefangen bleiben) Jella: Meiner Meinung nach offeriert der Buddhismus essentiell philosophisches, spirituelles, geistiges und sehr bodenständiges körperliches Handwerk, um mit Leid – für uns alle unvermeidbar – nicht destruktiv umzugehen, sondern integrativ, wachsend. Die Katholische Kirche aber kommt da gleich mit der Schuld. Das ist kein Ausweg und niemandem wird damit eine hilfreiche Hand gereicht. Es festigt nur ihre Macht.

Elisabetta: Aber so sind die Leute hier, einige kommen trotzdem oder gerade deswegen, wir sind nur eine kleine Gruppe von Interessierten. Ich habe schon öfters bei einigen Cafés in der Nähe angefragt, ob wir ein Death Café veranstalten dürfen und ich erhielt immer nur Ablehnung, Ablehnung. Wir leben doch im 21. Jahrhundert oder nicht? Wieso fürchten sich die Leute so, es ist ein so großes Tabu, der Tod. Ich habe als erste in Italien ein Death Café, vor sechs Jahren begründet, mit der Hilfe von Jon Underwood, der die ganze Bewegung als Social Franchising von England aus leitet. Mein Mann und ich haben es gemeinsam betreut. Er hat sich vor drei Monaten das Leben genommen. Er hatte seine Job verloren, er wurde krank, wusste nicht weiter, hat aber Hilfe nicht zugelassen. Ich habe alles versucht. Aber wir alle sind unbeständig, alles ist unbeständig, das ist die Natur aller Dinge und wenn wir dieses Bewusstsein in unsere Leben integrieren, haben wir die Chance es bewusster zu (er-!)leben. Jella: Ja, ein wichtiger Aspekt ist, dass der Tod mir gehört, er gehört nur mir, er gehört nicht irgendjemandem anderen, es ist mein, mein Körper und ich, wir bestimmen. Leider gibt es konkrete Gesetze und Einschränkungen zum Tod; wie darf ich sterben, wie muss ich begraben werden usw. Elisabetta: Das ist hier in Italien wirklich noch streng von außen bestimmt, die Kirche. Ich habe – so etwas gibt es glaube ich nur hier in Padua – einen Master in Death studies and the end of life for the intervention of support and the accompanying. Es wäre wünschenswert dieses Studium auch in anderen Universitäten und Städten zu etablieren. Ich bilde mich permanent weiter mit Fortbildungen zu dem Thema. Das letzte Seminar das ich machte war: A Training in Compassionate Presence mit Frank Ostaseski. Aber um ehrlich zu sein habe ich diese Studien nur gemacht um mir einen sogenannten Fahrschein zu holen, ein Diplom, es bedeutet nicht viel. Viel wichtiger sind mir meine Treffen mit den Menschen.

Jella: Miteinander reden und miteinander sein ist das Schönste auf der Welt. Elisabetta: Ich rede da selber weniger, lasse die anderen reden und beobachte. Ich mag die zwanglose Offenheit der Gruppe und der Settings. Jede, jeder kann kommen oder nicht, erzählen oder lauschen, gehen oder bleiben. Wir geben ja auch keine Themen vor, nicht wahr? Jella: Ja darauf wird sehr großer Wert gelegt, laut Jon, dem Begründer, es soll und muss frei bleiben, ohne Ziel, wie der Wind – wie der Tod. Was macht die Death Cafés aus? Elisabetta: Hm, nun in jedem Falle unterhaltend, ein Miteinander zelebrieren, Diskussionen eröffnen, Vertrauen schenken, über den Schmerz reden, authentisch, tief, licht, sich damit zeigen, nicht zurückhalten, vieles teilen mit den anderen und nicht bewerten, nicht kategorisieren, so lassen wie es ist, ohne gleich zu beurteilen, Freude am gegenseitigen Austausch haben um des Austausches willens, keine Zweck erfüllen müssen, nichts leisten müssen, nichts beweisen. Caffe Latte trinken, Kuchen essen oder Parmeggiano mit Oliven, all die guten Früchte aus der Erde und von den Tieren, ja Respekt voreinander haben und vor den Abgründen der anderen, das Leben wird geschenkt und wieder genommen. Basta! Jella: Aber das Leben! Da hängt soviel dran, all die Erinnerungen, die Erlebnisse, die Befürchtungen, die Objekte und Subjekte, die Besitztümer und die Erben, die sich drängen. Und soviel Ungesagtes, Unausgesprochenes nehmen wir mit in den Tod. Ob das gut ist, ich weiß es nicht, es kommt darauf an ob es belastet, ob es den Übertritt in die andere Dimension verzögert, behindert.

Elisabetta: Sicher, wir täten gut daran uns mit dem Altern und dem Tod ganz real auseinanderzusetzen. Das Perfideste ist den Tod zu verteufeln oder mit Angst und Schrecken als etwas Grauenvolles, Böses darzustellen. Daher wollen viele nur wegsehen und weghören sobald sie mit dem Tod konfrontiert werden. Jella: Das stimmt, kulturell betrachtet sind wir noch ganz weit weg davon den Tod als ein schönes Ereignis wahrzunehmen und ihn – so wie eine Geburt, die ja auch unglaublichen Schmerz hervorruft – feiern zu können, als etwas Gutes, Anzustrebendes, Wertgeschätztes.

Was lernen wir denn in der Schule über uns, über Leid, über Tod? Gar nichts. In Religionskunde, ja da wird Leid zum Symbol, Tod zu ewiger Verdammnis und vielen solcher schauriger kultureller Prägungen. Ich kann dazu nur sagen: Das ist wahrlich nicht alles, hört nicht auf zu suchen und Fragen zu stellen. Die Bilder, die wir davon im Kopf haben können sich lösen. Und in vielen Fällen wäre ein Kulturverlust mit einem deutlichen Zuwachs an Humanität verbunden. Ciao, liebe Elisabetta, danke für das Gespräch!

Text & Grafik: Jella Jost

INFO:

Das 1. Wiener Death Café am 10. Dezember von 17 bis 20 Uhr

bei Johanna & Marco

Burggasse 24, 1070 Wien

Eintritt frei!

Bitte um Voranmeldung: deathcafevienna@gmx.at