Entweder Hüseyin oder LugnerDichter Innenteil

Die Abenteuer des Herrn Hüseyin (51)

Dieses Jahr wollte Hüseyin auf keinen Ball gehen, obwohl er in seinen früheren Jahren in Wien ein hervorragender Tänzer war und kein einziges Wochenende ohne Tanzen verging.

Grafik: Carla Müller

Es gab verschiedene Bälle. Am Opernball wäre er gerne gewesen. Aber solange der Lugner mit seinen jungen Frauen, der fast jedes Jahr eine Neue heiratet, obwohl er über 80 ist, mit sehr viel Geld immer Stars aus Übersee herbringt, möchte Hüseyin an diesem Ball nicht teilnehmen. Entweder Hüseyin oder Lugner. Dem Hüseyin wäre es peinlich hinzugehen. In all den Jahren, in denen er tausende Frauen neben ihren Freunden oder Ehemännern zum Tanzen aufgefordert hat, war es weder den Frauen noch ihren Begleitern peinlich. Hüseyin hat in seinen 35 Jahren Gastarbeitertum nichts Peinliches gemacht. Nur mit 17 Jahren, als er den Dreivierteltakt noch nicht im Blut hatte, wurde er von der Bedienerin, die die Wohnbaracken der Gastarbeiter reinigte und die sich auch im «Tanzsalon Oberbayern» aufhielt, zum Walzer aufgefordert. Er wollte nicht tanzen. Aber die am gleichen Tisch sitzenden Frauenjäger aus der gleichen Straßenbaufirma, die sich wie Manager oder Direktoren anzogen, mit Kölnischwasserduft, sahen in dieser Aufforderung für den jungen Hüseyin eine Möglichkeit, einerseits einer Frau nahe zu kommen, auf der anderen Seite die ersten Schritte in die Tanzkunst zu kosten. Sein bester Freund Tahir (Gott habe ihn selig) hatte den Hüseyin, ohne den Vater vom Hüseyin davon zu informieren, zum Tanzsalon mitgenommen.

Die Livemusikband spielte in Trachten. Als die Bedienerin der Baracken den jungen Hüseyin bei dieser Männerrunde sieht, glaubt sie ihren Augen nicht. Der Hüseyin ist auch da! Sie fordert den Hüseyin zum Tanzen auf. Hüseyin schämt sich. Er will nicht tanzen. Aber die am Tisch sitzenden Manager- und Direktorengastarbeiter belehren den jungen Hüseyin, dass es sich nicht gehört, einer Frau, die zum Tisch eines Mannes gekommen ist, den Tanzwunsch abzuschlagen. Er steht auf und geht mit der ersten Österreicherin seines Lebens auf die Tanzfläche. Zu zweit hatte er nie zuvor getanzt. Hüseyin schwitzt. Ihm ist es peinlich. Obwohl diese Vier-Minuten-Nummer schon angefangen hat, kommen ihm diese paar Minuten wie Stunden vor. Nachdem die Nummer aus ist, merkt Hüseyin, wie verschwitzt er ist. Er verlässt rapide den Tanzsalon und dann den Prater.

Außerdem ist dem Hüseyin heute nicht nach Tanzen, nachdem zurzeit in seinem Herkunftsland viele Menschen von den türkischen Sicherheitskräften regelrecht massakriert werden. Vor ein paar Tagen sind in den Kellern der Häuser um die 60 Menschen hingerichtet worden.

Vielleicht wird er sich nächstes Jahr in der Ballsaison auf das Tanzparkett begeben.

Ihr Hüseyin