Odyssee in der HaftanstaltDichter Innenteil

Aus einem Häftlingstagebuch (3)

Meine «Reise» beginnt am 6. 3. 2015 mit der Ankündigung für Graz-Karlau klassifiziert zu sein. Jetzt kann es nur noch Wochen dauern, dachte ich, bis ich in ein vermeintlich «normales» Gefängnis komme. Die Justizanstalt St. Pölten konnte mich scheinbar nicht schnell genug loswerden und am 10. 3. saß ich schon in der Abgangszelle.

Erst am Abend vorher wurde mir gesagt, ich soll packen, morgen geht´s los. Um mich zu verabschieden oder meine Dinge zu regeln, gab es keine Möglichkeit mehr, aber das scheint ja so gewollt.

Auf den gepackten Kisten sitzend geht es um 9.30 Uhr los. Auschecken aus der Kammer. Die gesamte Habe wird durchwühlt – freundlich geht das nicht ab. Ich unterschreibe ein Formular und ab in die Wartezelle. Bis 13 Uhr saß ich nun in einem fast leeren Raum mit Tabak und Kaffee als «Handgepäck» und einem Laib Weißbrot und Dosenwurst als Verpflegung.

Rein ins «Krokodil», so wird der Bus genannt mit dem Gefangene transportiert werden, der ist übrigens eine Beschreibung wert. In dem Bus sind kleine «Kabinen» für je vier (ca. 2,5 Kubikmeter) bzw. eine Person (ca. 1 Kubikmeter) eingebaut. Sie haben Holzsitze und etwa 10 cm hohe und 80 cm breite «Fenster». Eingepfercht und gut verriegelt komme ich mir vor, wie Transportvieh. Einem Tier steht mehr Platz zu.

Von 13 bis 20 Uhr geht es von Knast zu Knast. Einmal durften wir zum Pinkeln und Rauchen aussteigen. Wir sind in Wien Josefstadt angekommen, im dortigen Gefangenenhaus schlafe ich in einer leeren Zelle. Es gibt ein Stück Brot und Dosenwurst zum Frühstück um sieben Uhr, als Proviant wieder Brot und Dosenwurst. Um 9.30 Abfahrt, gleiches Tempo, gleicher Bus.

Sachen durchwühlt

Am frühen Nachmittag in Graz-Karlau angekommen. Schon wieder werden meine Sachen durchwühlt und mir wird mein THCene-Magazin weggenommen. Fängt das schon wieder an mit Zensur und der Einschränkung meiner Informationsfreiheit.

Mit Sack und Pack geht es in eine Zugangszelle. Die Möbel sind demoliert, die Matratzen dreckig, aber es ist nur für einige Tage. Groß «einrichten» brauche ich mich nicht. Erklärungen, Einweisungsgespräch? – Fehlanzeige! Am zweiten Tag werde ich schon zur Arbeit eingeteilt. Tags darauf heißt es: Packen! Morgen geht es in die endgültige Zelle. Komisch, das war noch vor der «Zugangs-Konferenz».

Ich gehe in keine menschenunwürdige Mehr-Mann-Zwangsgemeinschaft mehr! Das habe ich gleich einmal angekündigt und im Fall, dass ich wieder in so eine Zwangsgemeinschaft gezwungen werden soll, melde ich Belegsverweigerung an. Schon begann der Psychoterror, man drohte mir mit Konsequenzen, Strafen, Arbeitsverlust und Psychiater. Der Stockbeamte weigerte sich, mir das schriftlich zu geben und zu Protokoll zu nehmen, dass ich gegen meinen ausdrücklichen Willen in eine Zwangsgemeinschaft verbracht werden soll. Da scheinbar keiner mein Begehren weiterleitete, schrieb ich am nächsten Tag einen Brief an die Anstaltsleitung.

Ich wurde zum Traktkommandanten zitiert. Mittlerweile bin ich ziemlich runter mit den Nerven. Ich zittere, habe Schweißausbrüche und bin kurz vorm Heulen … Angeknackst wie ich war, trug ich meine Weigerung vor. Von ihm kam massiver (subtiler) psychischer Druck, rechtswidrige Drohungen mit Konsequenzen und falscher Freundlichkeit. Ich ließ mich trotz eines unguten Gefühls breitschlagen.

Das Gepäck auf die Zelle und sofort in die Arbeit, um mich erst einmal zu beschäftigen. Das hat ihnen nicht viel genützt, denn in meinem Kopf fuhr es Achterbahn. Nach der Arbeit in die Zelle, Tür zu. Mir hat es die Brust zugeschnürt und nach drei Stunden drückte ich die Notglocke. Egal, was passiert, ich muss hier raus! Steckt mich in den Bunker, macht, was Ihr wollt, ich halt´s nicht mehr aus …

Endlich irgendwo ankommen

Jetzt bin ich erst einmal in der Krankenabteilung. Wie es weiter geht, weiß ich nicht. Bleibe ich hier? Behalte ich meine Arbeit in der Gärtnerei? Werde ich wieder verlegt?

Ich will endlich irgendwo ankommen. Seit 17 Monaten sitze ich auf gepackten Koffern, nie wissend, was als nächstes geschieht. Ich hatte schon 13 Zellen, etwa 60 Mitbewohner und drei Gefängnisse.

Die Räumlichkeiten/Zellen hier habe ich noch gar nicht beschrieben. Da sind katakombenartige Gänge, schimmlig, abblätternde Farbe und bröckelnder Putz. Der Hof ist geräumig, mit einer Betonmauer eingefasst, mit Blick auf die zerfallende Fassade der Anstalt.

Die Zellen sind klein, düster, schwarze Böden, nikotingelbe Wände, Fenster «antik» auf 1,80 Meter Höhe, es ist kalt, die Leitungen und Abflussrohre liegen offen und ständig hört man es pfeifen und das Rauschen von WC-Spülungen. Wer kann, bastelt sich aus Schränken und Decken ein privates Refugium. Die Krankenabteilung ist schon «besser». Große, helle, saubere Räume, Fenster aus denen ich sehen kann. Aber leider bin ich nicht alleine und auch hier werden «Verschläge» gebastelt.

Auf ein Leih-TV kann man schon sechs Monate warten und ein «Hausradio»-Anschluss existiert gar nicht. Duschen kann ich täglich. Im Spital ist das Bett o.k.

Lobenswert ist die ärztliche Versorgung. Stellt Euch vor, ich werde untersucht. Meine Paradontose wird mit Ultraschall behandelt, was bisher nicht möglich war. Mittlerweile wackeln einige meiner Zähne …

Georg Huß wurde wegen Cannabisbesitz zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Stationen seiner Haft waren bisher die JA Eisenstadt, die JA St. Pölten und nun die JA Graz-Karlau.

In der vorigen Augustin-Ausgabe setzte sich Franz Blaha ausführlich mit seinem Fall auseinander. Auszüge aus Huß´ Häftlingstagebuch waren in den Augustin-Ausgaben 380 und 384 zu lesen.