Roma überall und nirgendwo in WienDichter Innenteil

Diese Schuhe, darin die Füße seine Schritte sind ausbalanciert: sie sind zwei wassersicheren Schiffen auf dem wilden Ozean des Lebens ähnlich. Schaue dir seine kleine Schwester an. Sie ist hübsch, wenn Marin den Arm um ihre Schultern legt. Für Marin gleicht es der Pause zwischen Ein- und Ausatmen. Das alles hat sich schon in seinem jungen siebenjährigen Leben ganz natürlich eingebaut. Schon mit vier Jahren hatte er Musikern aus seinem Dorf die Mundharmonika weggenommen. Ausgeborgt ohne Pardon.

Er wusste schon im Vorhinein, dass sie es ihm erlauben würden, einen ganzen Tag lang in für ihm fremden Straßen und Wäldern über das Instrument ein- und auszuatmen. Irgendwie hatten die Männer diesen Freiraum in ihre Auftritte und ihr Benehmen eingebaut: Wenn du von unserer Begeisterung und dem tiefgehenden Zauber angesteckt werden möchtest, dann musst du schlau, stark und erfinderisch sein.

Er unternahm solche ziellose Fahrten öfters am Anfang war die Musik nicht einmal wichtig. Glanz und eine Art von unzerstörbarer Ruhe zu erreichen war sein Ziel.

Die Ausstrahlung des Instruments und seine Klangpalette, worin man sich beim Zuhören ausbreiten konnte, sozusagen im Liegen seiner wahren Größe näher kommend

Man wurde nicht verpflichtet, sich auf eigene Beschränkungen und Nichtigkeiten zu konzentrieren. Dazwischen gab es diese Pausen, wo weder ein- noch ausgeatmet wurde. Seine Schritte innerhalb des Gedankenlaufs konnten darin immer wieder tiefgreifende Ruhe finden. Wer hatte das gedacht? Auf einer Dritte-Welt-Ebene, die Roma, mitten unter den reichen Westeuropäern. Marin macht Musik und seine Schwester tanzt dazu, Geld kommt ziemlich oft in den umgedrehten Hut davonlaufen, wenn die Polizei erscheint. So lernt man Wien kennen von unterschiedlichen Seiten.

Es gibt Fußspuren im Schnee, die man schon lange vor sich sieht, bevor die Schritte gesetzt werden. Natürlich gilt das auch für die nasse Erde und die Sandspuren am Strand.

Es ist für Marin selbstverständlich geworden, Fußabdrücke von anderen auf seinem Weg platziert, aufzunehmen, ohne unbedingt die dahinter liegenden Namen wissen zu müssen und diese für alle Ewigkeit zu notieren.

Natürlich begibt man sich in all seinem Spektrum auf den Weg, als kleines Kind sozusagen, das alleine ausprobieren und erfinden muss, was zu seinem eigensten Element so passt.

Beschreitet fremde Straßen und Wälder. Knüpft Kontakte mit anderen Lagen der Geschichte, alles von derselben Intension durchwoben. Und diese Intension äußert sich über die Musik. Daran kann Marin später mit seinen Leuten arbeiten und feilen. Die anderen Musikerpersönlichkeiten und ihre einsamen Anfänge, ohne einen Gedanken an Erfolg, nur an die Vollendung das muss der Junge erst mal verkörpern können. Der Blick liegt nicht nur in der Vergangenheit. Fühler sollten mit der Zukunft verbunden sein. Wird im Jenseits musiziert?

Hier, schau dir seine kleine Schwester an. Unter seinem linken Adlerflügel: Ist sie nicht hübsch, bezaubernd auf ihre Art? Sie wird leicht mit ihrer Schönheit ihren Weg finden aber es ist Marins Musik, darum geht es jetzt in zehn, fünfzehn Jahren die muss umwerfend und zugleich geistreich sein. Bei ihm muss es klingen.