Schlussplädoyer eines TierschützersDichter Innenteil

Chris Moser, Künstler und Angeklagter im so genannten Mafiaprozess, § 278a, gegen 13 Tierrechts- und Tierbefreiungsaktivist_Innen, hielt am 1. April 2011 im Schwurgerichtssaal Wiener Neustadt ein Schlussplädoyer, das mit Beifall des Publikums aufgenommen wurde. Das Urteil war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt der Angklagte ist von seinem Freispruch überzeugt.Fast drei Jahre sind seit meiner Verhaftung am 21. Mai 2008, dem Tag, an welchem ich von bewaffneten Polizisten meinen weinenden Kindern und meiner völlig verzweifelten Frau entrissen wurde, vergangen. Meine Familie blieb zurück in einem Chaos aus zerstörter Sicherheit, zerstörter Privatsphäre und zerstörtem Kinderspielzeug. KeineR der Verantwortlichen hat sich dazu geäußert! Stattdessen wurde ich eingesperrt! Warum?

Bekannterweise habe ich von 2006 bis zum Tag meiner ungerechtfertigten Verhaftung die Kampagne gegen den Pelzverkauf des Kleider-Bauer-Konzerns in Tirol koordiniert und geleitet. Es handelte sich dabei um Kundgebungen, welche behördlich angezeigt und nicht untersagt wurden. Ich habe auch über den Verlauf der Kampagne und speziell über deren kreative Schwerpunkte öffentlich referiert.

Das macht mich nicht kriminell!

Referiert habe ich auch auf den österreichweiten Animal-Liberation-Workshops, u. z. über Tierrechte in der bildenden Kunst und politische Aktionen mit kreativem Schwerpunkt.

Das macht mich nicht kriminell!

Ich habe einen Buchvorstellungsabend mitorganisiert, meine Mutter als Bibliothekarin macht so etwas wöchentlich.

Das macht mich nicht kriminell!

Ich habe an Aktionen des zivilen Ungehorsams teilgenommen, an Go-ins, Run-ins, Blockade- und Besetzungsaktionen und Jagdstörungen.

Das macht mich nicht kriminell!

Ich habe auch politische Flugblätter wie im Strafantrag richtig bemerkt «zur Verteilung bestimmt» bei mir daheim gelagert.

Das macht mich nicht kriminell!

Offenbar habe ich auch beunruhigende Kunstwerke geschaffen und Songtexte verfasst, beides findet sich in meinem polizeilichen Abschlussbericht. Meine künstlerische Arbeit war auch zentrales Thema bei meiner Einvernahme hier vor Gericht. Zur Illustration hier ein Zitat aus dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 22. 3. 2010, 41 Hv 68/09z-17, Seite 11: «Haben Sie in Ihrer Kunst ihre Gedanken und ihre Gesinnung zum Ausdruck gebracht?»

Das macht mich nicht kriminell!

Und dann natürlich E-Mails. Aus mehreren hundert, vielleicht tausend E-Mails, welche ich als Diskussionsbeiträge auf eine Mailingliste, auf welcher die Mitglieder sicher alle um meine zum Teil provokativen und ironischen Ausdrucksformen und Ausdrucksweisen wissen, wurden im Abschlussbericht etwa 20 und im Strafantrag etwa zwei herausgenommen teilweise wohl bewusst ohne dazugehörige Anführungsstriche und Ironietags, welche die Originalmails um einiges verständlicher machen, und immer aus dem Diskussionszusammenhang gerissen! Als Beispiel hier nochmals die E-Mail aus dem Abschlussbericht: «vgt = alf, nett eigentlich!» (vgt steht für Verein gegen Tierfabriken; alf für Animal Liberation Front, Anm. d. Red.), in der Originalmail steht darunter: «Ich hoffe, es ist hörbar, dass obiges spaßig geschrieben ist!» Das erklärt alles. Und wenn, wie im Abschlussbericht der zweite Satz fehlt, erklärt das auch alles, es ist nämlich beispielhaft für die Polizeiarbeit in diesem Verfahren, wo von vornherein ausschließlich Belastendes zugelassen wurde. Und in den Strafantrag wurde Derartiges entweder völlig unreflektiert oder absichtlich sinnverändernd übernommen.

Ich hatte an meinen zwei Einvernahmetagen die Möglichkeit soweit ich ausreden durfte diese wohlgemerkt PRIVATEN E-Mails in ihrem Zusammenhang darzustellen und auf diese Weise deutlich zu machen, dass es sich hierbei höchstens um überzeichnete, ironische oder bewusst provokante Statements handelt, was sich einerseits auch wie ein roter Faden durch meine künstlerischen Arbeit und andererseits auch meine verbalen Aussagen zieht! Und ob provokant, ironisch oder was auch immer, bei keinem dieser Mails wurden Straftaten nachbesprochen oder geplant.

Das macht mich nicht kriminell!

KeineR der Zeug_Innen der Anklage hat irgendwas und schon gar nichts strafrechtlich Relevantes in Bezug auf mich erlebt, festgestellt und ausgesagt! Diese Zeug_Innen betonten, wenn ich ihnen denn ÜBERHAUPT bekannt war wenn ja, von nichtuntersagten Kundgebungen sich lediglich an mein Aussehen erinnern zu können.

Das macht mich nicht kriminell!

Selbstanzeige einer Tierrechtsaktivistin

Die so genannten belastenden Depositen, die bei meiner Hausdurchsuchung mitgenommen wurden, waren Sojamilch, die die Beamten offenbar für Buttersäure hielten, Scherzartikel mit der Aufschrift Stinkbomben, die meinen Söhnen gehörten, Spritzen zur homöopathischen Behandlung unserer Hühner, Kaninchen und Katzen. Weiters meine Text- und Skizzenbücher und unzählige andere private Dinge. Wir haben mittlerweile vieles zurückbekommen, z. T. kaputt, aufgeweicht und schimmlig, () All die vielen Kisten voller persönlicher Gegenstände waren offenbar nicht belastend.

Zu allen meinen Anklagepunkten im Strafantrag hat die Verteidigung Zeug_Innen beantragt, keine einzige meiner Zeug_Innen wurde geladen und angehört; ich schließe daraus, dass der Richterin meine Argumentation bei meiner Einvernahme schlüssig erscheint.

Am 7. Oktober 2010 erstattete eine Tierrechtsaktivistin aus Linz eine Selbstanzeige nach exakt denselben Punkten, die mir im Strafantrag vorgeworfen werden. Bereits am 18. Oktober 2010 wurde die Aktivistin von der «Einstellung des Verfahrens» benachrichtigt, in dieser Benachrichtigung steht wörtlich: «Die von Ihnen angeführten Handlungen vermögen einen Anfangsverdacht in Richtung § 278a STGB nicht zu begründen.» !!!!

Ich habe während des Prozesses hier wesentlich öfter das Bedürfnis gehabt, mich zu äußern, mich zu erklären und Begebenheiten klarzustellen, wie ich es tatsächlich auch getan habe, und es war für mich schwer und nicht zu gewöhnen, erleben zu müssen, wie hier die Beteiligten willkürlich unterbrochen und abgewürgt wurden. In meinem sozialen und politischen Umfeld zählt stets die Gewichtung der Argumente, und NICHT die hierarchische Position der Sprecherin. Es war für mich schmerzlich, feststellen zu müssen, dass das hier offenbar anders gehandhabt wird.

Ich habe pro Prozesswoche 2400 km zurückgelegt und saß 28 Stunden im Zug. Es war mir zeitlich unmöglich, als Künstler an Werken und Präsentationen zu arbeiten und als Restaurator Aufträge wahrzunehmen. Seit Prozessbeginn überleben meine Familie und ich ausschließlich durch Solidaritätsspenden aus der Bewegung.

An dieser Stelle von ganzem Herzen danke dafür! Ohne euch hätten wir das nie geschafft!

Bis zuletzt fehlende Akteneinsicht

Den Ermittlungs- und Anklagebehörden war es von Anfang an egal, wie und ob wir als Familie diese Art von Staatsterror überstehen können bzw. war der existenzielle Ruin vielleicht sogar kalkuliert. () Dieses Horrorerlebnis begann mit meiner Verhaftung am 21. Mai 2008 und wird mit meinem Freispruch am 2. Mai 2011 enden.

Dennoch macht auch der verdiente Freispruch all die Ängste, Tränen und traumatisierenden Erlebnisse meiner Familie niemals rückgängig! Wie wird durch den Freispruch die verzweifelte Angst meiner Kinder am Tag der Hausdurchsuchung relativiert?

Wie relativiert das die resignative Ohnmacht meiner Kinder bei meiner Verhaftung und bei den Besuchen im Gefängnis? Hier im Prozess kamen auch immer wieder Zustände wie Angst, Bedrohung und psychischer Druck zur Sprache. Meine Kinder wissen um den psychischen Druck, wissen welche Bedrohung und was für Angst diese Art von Staatsterror für sie bedeuten!

Wie relativiert ein Freispruch diesen Prozess, währenddessen ich nicht bei meiner Familie, nicht bei meinen Kindern sein konnte, meiner Arbeit nicht nachgehen konnte von politischer Tätigkeit ganz zu schweigen?

Die Verbrechen an fühlenden Wesen, rein zu Gunsten von Profitmaximierung und Bereicherung, die Verbrechen einer Gesellschaft, die nichtmenschliche Tiere ihrer Freiheit beraubt, sie ausbeutet und ermordet diese Verbrechen wurden hier weder verfolgt noch angeklagt, das ist leider bezeichnend!

Einen grässlichen Nachgeschmack hinterlässt auch die Gewissheit, wie hier polizeilich gearbeitet wurde, wie hier vertuscht und manipuliert wurde. (Ich erinnere nur an die verdeckte Ermittlerin, an die Vertrauensperson, an die unvollständigen E-Mailzitate in den Berichten und an die bis zuletzt fehlende Akteneinsicht.)

Ich bin weiterhin wütend über diese Zustände. Ich werde nicht auf Gerechtigkeit hoffen, sondern weiterhin dafür kämpfen! Für die Befreiung von Mensch und Tier, für die Freiheit der Kunst! Somit schließe ich mit einem Zitat von Bertolt Brecht: «Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!»

Info:

Website von Chris Moser:

www.radikalkunst.net