Vom Vorzeigeunternehmen in die moderne Sklaverei!Dichter Innenteil

Die österreichische Post

Es ist lange her, als die österreichische Post ein Prestige-Unternehmen war. Damals als Mitarbeiter_innen noch auf unbestechliche Betriebsrät_innen zählen konnten. Die Gewerkschaft stand auf der Seite der Angestellten. Heute ist weder Betriebsrat noch Gewerkschaft in der Lage, Partei zu ergreifen. Entweder hat man ihnen das Wort verboten, oder man hat sie «eingekauft».

Nach eingehender Rechere wurde mir bewusst, dass die Teilprivatisierung der ehemals verstaatlichten Post eine Brutstätte der modernen Sklaverei geworden ist, wo Korruption, Mobbing, Erpressung, Verrat, sexuelle Übergriffe, um nur einige der skandlösen Zustände zu nennen, auf der Tagesordnung stehen.

Eigentlich war ich bis vor kurzer Zeit nur Konsumentin dieses Unternehmens und hatte mit der ganzen Sache nichts zu tun. Nun ist der Fall eingetreten, dass man auch als Konsumentin zumindest indirekt in den Strudel der Korruption hineingezogen wird.

Alles neu umgebaut, alles neu strukturiert, so sollte der Kundschaft die moderne Sklaverei verborgen bleiben, da ja der Schein des Neuen einen guten Eindruck hinterlassen könnte. Der Fassade nach käme niemand auf die Idee, wie es hinter den Kulissen zugeht.

Wie soll ein Unternehmen funktionieren, wenn Fachpersonal zum Toilettenputz verdonnert wird, weil die Putzfrau zu teuer kommt und daher gekündigt wurde? Die Reinigung des Betriebsgebäudes samt «Häuseln» ist nur ein Teil, wofür ausgebildete Postbedienstete herangezogen werden.

Mir fiel schon vor längerer Zeit auf, dass bei der Post etwas unstimmig ist. Ich suchte die Schuld bei den Angstellten an der vordersten Front, hinter die Kulissen blickte ich nicht. Für mich waren sie allesamt nur faules Pack, so nach dem Vorurteil «Wer nichts kann, geht zur Post oder Bahn!», bis mir von einem Moment zum anderen bewusst wurde, was sich da vor meinen Augen wirklich abspielt.

Ich war nicht stolz darauf, den einen oder anderen Postbeamten zur Sau gemacht zu haben, weil von sieben Schaltern nur drei besetzt waren und die Warteschlange der Kundschaft schon am nahe gelegenen Markt angekommen war. Es schien mir alles wie in Zeitlupe zu gehen, denn Wartezeiten von mindestens 30 Minuten sind zermürbend.

Die Mauer des Schweigens wurde zum undurchdringlichen Martyrium jedes anwesenden Beamten, als ich das moderne Rumpelstilzchen zum Besten gab. Ich provozierte auf Teufel komm raus. Es erschien mir in diesen Momenten alles so unwirklich, was da vor mir geschah, nämlich «nichts»! Keine Widerrede, ich sah nur in «tote» Augen, und mir wurde klar, so verhält sich nur jemand, der Angst hat.

Kein Einzelfall


Es war für mich eine irrsinnige Anstrengung, hinter die Fassade des Postunternehmens zu blicken. Zumal ich eigentlich in den Augen der Betroffenen ein Feind war mit negativer Absicht. Das Interview, das ich nach etlichen Versuchen und dem Versprechen, den Informanten nicht preiszugeben, bekam, musste ich mit Papier und Bleistift festhalten ein Diktiergerät durfte ich nicht verwenden. Das Vertrauen in mich war nicht allzu groß.

Jene Person, die ihre Angst überwand, um sich meinen Fragen zu stellen, fand ich bewundernswert, wenn man bedenkt, wie emotional dieses Interview ablief: ein Bloßstellen der eigenen Person und gleichzeitig ein Befreiungsschlag.

Für mich stellte sich nun die Frage, wie ich dieses Interview zu bewerten habe. Es war für mich glaubwürdig, aber über Dinge zu schreiben, die nur auf einer Meinung beruhen und mein eigenes Empfinden dem Beamten gegenüber, ist zu wenig, um seriös zu arbeiten. Nach weiteren Recherchen und Befragungen mir bekannter Postbeamter, die allesamt die gleichen Beschwerden äußerten, war ich davon überzeugt, dass dieser Zustand kein Einzelfall ist.

Wissen Sie, wie es ist, an der Front zu stehen ohne unterstützenden Rückhalt der Anderen? Es herrscht Krieg! Jeder misstraut jedem. Mobbing, Verleumdung, Verrat oder sexuelle Belästigung Tag für Tag. Von den Kunden als faules Pack beschimpft zu werden, ist noch eine der freundlichen Bezeichnungen. Unserer eigentlichen Arbeit können wir nur begrenzt nachgehen, da wir zu Arbeiten verdonnert werden, die mit dem Post-Service nichts zu tun haben. Unsere Berufsbeschreibung könnte lauten: Dienstmädchen für alles, jederzeit bei Fuß, und wer nicht spurt, dem wird die Hölle heiß gemacht. Die Mehrarbeit, die wir leisten, wird weder ausbezahlt noch mit Urlaubstagen ausgeglichen. Die Überstunden sind bei manchen Mitarbeitern fast so hoch wie die normale Arbeitszeit. Einige arbeiten mehr als die Hälfte ihrer Zeit für lau. Und immer wieder die gleiche Methode: Wer sich weigert, fliegt. Es geht auf die Substanz.

Einen guten Ruf hatten wir Post-Angestellte noch nie, daran haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Es mag vielleicht den einen oder anderen Säufer im Unternehmen gegeben haben, der Spaß am Rausch hatte heute saufen wir aus Verzweiflung. Mittlerweile ist der Alkohol nicht mehr die einzige Droge. Abhängig von Tabletten und all dem Zeug, das den den täglichen Scheiß vergessen lässt, sind wir fast alle, weil uns das System fertig macht, und wer nicht säuft oder Aufputscher frisst, prügelt den Frust aus sich raus. Ohne irgendeine Pille ist ein Einschlafen bei mir nicht mehr möglich, dazu gesellten sich in letzter Zeit noch Panikattacken. Ich hatte so etwas noch nie zuvor in meinem Leben. Meine Frau steht resignierend neben mir und weiß sich selbst nicht mehr zu helfen, da sie selbst total überfordert ist. Die Kommunikation mit meinen Kindern beschränkt sich auf das Nötigste.

«Die junge Generation hat schon lange das Handtuch geworfen»


Vielleicht bin ich eine Memme, aber die Sorge, den Job zu verlieren, ist allgegenwärtig, zumal ich Alleinverdiener bin und schulpflichtige Kinder habe. Mein Familienleben ist schon dermaßen gestört, dass ich befürchten muss, dass Frau und Kinder irgendwann das Handtuch werfen und gehen. Da ist auch an ein Liebesleben nicht mehr zu denken. Wie denn auch als psychisches Wrack!? Am liebsten würde ich alles hinschmeißen, und meinen Kollegen und Kolleginnen geht es nicht viel besser. Irgendwie kann ich ja verstehen, dass Kollegialität keine Bedeutung mehr hat. Der Druck mit nichts auf der Straße zu stehen, ist ungeheuerlich.

Unsere Mitarbeiterinnen werden noch dazu ständig sexuell belästigt. Es kommt gelegentlich zu massiven Übergriffen. Die meisten nehmen es in Kauf, da viele alleinerziehend sind und keine andere Wahl haben. Die junge Generation hat schon lange das Handtuch geworfen, gekündigt, weil sie keine Lust hat, sich diesen Schikanen auszusetzen.

Neue werden sowieso nicht mehr eingestellt, kein Bedarf, wir sind Sklaven genug, so die Obrigkeit. Und wer nicht von alleine geht, wird wegrationalisiert. Es werden regelrechte Hetzjagden auf Mitarbeiter veranstaltet. Nicht einmal unser Privatleben ist tabu. Manche wissen mehr über mich als meine eigene Familie. Wenn einer von uns fremd geht, weiß es am nächsten Tag nicht nur die Ehefrau, sondern der ganze Betrieb. Besonders betroffen sind jene, die aus Sicht der Arbeitgeber das Verfallsdatum schon überschritten haben, zwar pragmatisiert nach altem Recht, dafür gemobbt in der Neuzeit. Zusätzlich macht uns auch der neu organisierte Zustelldienst das Leben schwer. Bis auf wenige Angestammte wurden die Zusteller, egal ob Brief- oder Paketdienst, durch Leiharbeiter ersetzt, die uns den Ruf noch mehr versauen. Die Aushilfen greifen schon mal in die Pakete oder Briefe werden weggeworfen, wenn der Adressierte nicht gleich zu finden ist. Eingeschriebene Post kann schon mal im Nirwana verschwinden oder im Chaos versinken. In letzter Zeit wird noch dazu geklaut, was das Zeug hält, und jeder Diebstahl bleibt an uns hängen, wir sind an der Front. Alles geht ja sprichwörtlich durch unsere Hände. Es ist schon vorgekommen, dass einer dafür unschuldig gefeuert wurde. Nach dem richtigen Täter wird nicht gesucht, es kommt doch viel billiger, den Schaden zu bezahlen als vertrauenswürdiges Personal einzustellen zu vernünftigem Lohn.

Natürlich kommt es zu Fehlern, die nicht passieren dürften. Bei dem Chaos, das bei uns herrscht, ist es aber nicht verwunderlich. Auch habe ich jeden Tag das Gefühl, heute könnt was passieren.

Ich war ziemlich konsterniert, und Schamgefühl kroch auch empor, noch nie hatte mir ein Mann einen so intimen Einblick in sein Seelenleben gewährt. Alle Hochachtung, dass er es getan hat. In meinen Augen von Memme keine Spur, aber auf dem besten Wege zum Burnout.