Billige Öffi-Tarife für Obdachlosetun & lassen

Die erste Pflicht der Sozialdemokratie

„Jetzt erwarte ich mir eine fette Schlagzeile im AUGUSTIN: Dem Beschluss Taten folgen lassen!“. Diesen journalistischen Tip gibt uns ein Leser, der den Wiener Landesparteitag der SPÖ Mitte September als Delegierter des Alsergrunds mitgemacht hat. Als rot gebliebener Sozialdemokrat ist er stolz, dass der Antrag seiner Bezirksorganisation – betreffend billige Öffi-Tarife für Obdachlose – eine Mehrheit gefunden hat. Als erfahrener Parteifunktionär ahnt er andererseits das Schicksal dieser Initiative voraus. Beschlüsse sind gut und schön. Auf die Umsetzung kommt es an. „Also bleibt am Ball“, rät er der Obdachlosenzeitung.

Der Beschluss des Landesparteitags im vollen Wortlaut:

„Betrifft: Benutzung der Öffis durch Obdachlose und sozial Schwache. Bewegungsfreiheit ist ein unerlässliches Grundrecht auch sozial Schwacher und Kranker in unserer Welt. Menschen, die von einer leistungsorientierten und kapitalistischenArbeitswelt an den Rand gedrängt oder gar ausgeschlossen werden, müssen sich frei in unserer Stadt bewegen können, um

  • sich gesund erhalten zu können, Krankheiten zu heilen bzw. chronische Erkrankungen zu behandeln (Arzt- und Ambulanzbesuche, verschiedene Rehab- und Therapiemaßnahmen, chefärztliche Genehmigungen, diverse Fahrten zu Entzugsprogrammen und Selbsthilfegruppen);
  • ihr Leben ordnen zu können und neue Perspektiven zu entwickeln (Suche nach Arbeitsplatz, Verbesserung der Wohnsituation, Wahrnehmung von Bildungs- und Fortbildungsangeboten, Qualifizierung);
  • ein Minimum an sozialem Netz aufrecht erhalten zu können und neue Freunde und Freundinnen zu finden, wieder Lebensmut zu schöpfen und Phantasie zu entwickeln für neue produktive Aufgaben in unserer Gesellschaft.

Es ist daher dringend erforderlich, den angeführten Personengruppen die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel in einem für sie finanziell leistbaren Rahmen zu ermöglichen. Die erste Pflicht der Sozialdemokratie ist es, den benachteiligten Gruppen in unserer Gesellschaft tatkräftig zu helfen, ihre soziale Situation zu verbessern und ein Leben in Würde und ökonomischer Sicherheit zu ermöglichen.

Der Wiener Landesparteitag beschließt daher:

Der Wiener Vorstand wir aufgefordert, durch entsprechende Regelungen den materiell schwachen Menschen in unserer Stadt die Benutzung der Öffis in einem für sie finanziell leistbaren Rahmen zu ermöglichen.“

Soweit also der Beschluss vom 16. September. Die Parteitagsregie sah eigentlich zunächst vor, dass dieser Antrag des 9. Bezirks „zugewiesen“ wird (ein bürokratischer Schein-Vorgang, der nichts anderes bedeutet, als dem Antrag ein Begräbnis erster Klasse zu bescheren). Auf Grund des Widerstands aus dem Alsergrund wurde dann aber doch abgestimmt und der Antrag erhielt eine Mehrheit der Delegierten. Formell ist die Wiener SPÖ-Führung damit nun verpflichtet, den Beschluss in irgendeiner Form in die Realität umzusetzen. Der SP-Vorstand setzt sich z.T. aus denselben Stadträtinnen zusammen, die dem AUGUSTIN seit zwei Jahren (so lange engagieren wir uns nun bereits für einen Nulltarif für Obdachlose und SozialhilfeempfängerInnen) vorstottern, warum sie den Ärmsten tariflich nicht entgegenkommen können.

Bekanntlich zahlen PensionistInnen (im Gegensatz zu SozialhilfebezieherInnen) für die Öffis nur die Hälfte; die Logik des Beschlusses, Obdachlosen die Benützung der Wiener Linien in einem „für sie leistbaren Rahmen“ zu gewähren, kann nur heißen: Nulltarif oder deutlichere Ermäßigung.

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