Biologische und soziale Sphärentun & lassen

Beserlpark-Report 1

Beselpark.jpgWo kann man sitzen, schreien, liegen, schlafen, quietschen, essen, rauchen, trinken, lesen und unbedenklich unbegründet stehen bleiben? Im eigenen Garten, würden die sagen, die so einen Flecken Grün besitzen. Der urbane Mensch muss etwas nachdenken, bis ihm einfällt, dass es so ein Angebot auch in UNSERER Stadt gibt.

Es ist der Park. Die letzte Oase in dieser Stadt, wo noch jede und jeder unzensuriert bis zur Sperrstunde ihren bzw. seinen Bedürfnissen und Gelüsten nachgehen kann. Überall sonst in der Stadt wird selektiert, vorgeschrieben, eingeschüchtert, rausgeschmissen, ja sogar weggescheucht oder nicht reingelassen. An jeder Ecke wird das personifizierte Überwachungspersonal aufgestockt und Kameras werden installiert. In der U-Bahn gibt es U-Bahn-AufseherInnen, in den Einkaufsstraßen Einkaufsstraßenbewacher, vor den Banken und großen Kaufhäusern abschreckendes Sicherheitspersonal, nach der Kassa Taschenüberprüfer, in den Nachtlokalen Türlsteher, auf Bahnhöfen die Bahnhofswächter, auf der Straße Mist- und Hundstrümmerlbestrafer und, und, und … und zu meiner großen Enttäuschung auch vereinzelt in den Parks des Bundes Parkwächter, die dort herumkontrollieren. Der öffentliche Raum wird ausgestattet mit bezahltem Personal, das UNS schützt vor Lärm, Schmutz, Gewalt, unliebsamen Menschen, unpassenden Gästen und ungewohntem Verhalten. Endlich können wir, MitbewohnerInnen dieser Stadt, unsere Verantwortung in Bezug auf Zusammenleben auslagern.

Ich frage mich nur, warum kaufe ich nicht gerne in Geschäften ein, wo ich als potenzielle Diebin betrachtet werde und man mich auffordert, meine Tasche zu öffnen, warum meide ich Lokale, die beim Eingang mein Gesicht bzw. meine Kleidung kontrollieren, weshalb versaut mir ein U-Bahn-Wächter den Tag, wenn er junge Leute von den Stiegen verscheucht, wieso schreckt mich das Sicherheitspersonal vor der Bank und warum irritiert mich der Bahnhofswächter, der Menschen, die zu viel Zeit am Bahnhof verbringen, vom Platz weist?

Eigentlich ist die Antwort ganz einfach: Diese Plätze sind ungemütlich!

Nicht nur deshalb oder vielleicht genau deshalb haben Parks so etwas anderes. Dort kann ich frei und ungezwungen wählen, ob ich sitze, liege, gehe oder turne, quatsche, schmuse, beobachte, esse, schlafe, musiziere, jongliere oder ob ich einfach nur so dasitze und in meinen Gedanken versinke. All das ist erlaubt und ich erlaube all das. Ein Zustand, der zufrieden macht, der Ruhe verbreitet, auch wenn es gar nicht so ruhig ist.

Der Freiraum im Park schafft Erholung und Erholung schafft Ausgleich und Ausgleich schafft Zufriedenheit und Zufriedenheit schafft Respekt und Respekt schafft u. s. w.

Genau deswegen sind Parks Lebensräume, deren Wert und Bedeutung gar nicht gemessen werden kann. Die Besucherzahl belegt bloß den Bedarf, aber sicher nicht die Wirkung.

Diese kleinen und großen Naherholungsgebiete sind eigene Biosphären, sowohl biologisch als auch sozial. Jeder Park hat eine ganz persönliche Note, die sich zusammensetzt aus Lage, architektonischer Gestaltung, dem Ambiente, dem Ausblick, dem Baum- und Blumenbestand, den Kinderspielplätzen und vor allem den großen und kleinen BesucherInnen. Letztlich ist es die Atmosphäre, die uns Menschen zum Verweilen einlädt.

Diese Atmosphäre möchte ich in Zukunft einfangen. In den nächsten Ausgaben werde ich über verschiedene Parks in Wien, aus meiner Perspektive, aber auch aus der Perspektive der ParkbenützerInnen berichten. Darum wundert euch nicht, wenn eines Tages jemand an euch herantritt und sich nach der Seele des Parks erkundigt.

Über interessante Tipps, Anregungen und Geschichten freue ich mich bereits jetzt. Eine E-Mail an redaktion@augustin.or.at würde dafür reichen.