Briefe an Dr. Sommertun & lassen

Sehr geehrter Herr Dr. Sommer!

Ich bitte Sie nicht um Rat, sondern ersuche Sie, Einfluss auf Ihre Freunde auszuüben. Sie mögen in Hinkunft davon Abstand nehmen, ihren Opferball in den zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit unserem Opernball zu stellen. Es mag für Ihre Freunde zwar befriedigend sein, die internationale und mediale Aufmerksamkeit von der Oper ab- und zum „Antiopernball“ hinzulenken, aber das ist ein populistischer, billiger Erfolg. Sie wissen, dass es für uns immer schwerer wird, prominente Gäste einzuladen, Schüssel und Häupl allein bringen die Paparazzi nicht aus dem Häuschen, und jene Sorte „Prominenz“, die der Baumeister in die Oper bringt, ist unter uns gesagt nicht gerade förderlich für das Renommee des Opernballs. Ihre Freunde haben es da ja leicht: Sie punkten ja gerade mit Nicht-Prominenz, appellieren an den Sozial-Voyeurismus der Journalisten, indem sie ihnen „authentische Menschen“ vor die Kameras stellen, und schmarotzen, mit Verlaub gesagt, am gewachsenen Image unseres traditionsreichen Opernballs, indem sie ihren Opferball über den Opernball definieren, und zwar als dessen Negation. Es ist immer leicht, „anti“ zu sein. Richten Sie das bitte Ihren Freunden aus. Warum sollten wir den Wienern nicht die Gelegenheit geben, sich an beiden Bällen, dem Opernball und dem Opferball, zu erfreuen?

Ihre leicht frustrierte

Elisabeth Gürtler, Opernball-Direktion

Sehr verehrte Frau Gürtler,

Ich denke, die Entwicklung der letzten Jahre ist Ihnen verborgen geblieben, und Sie verkennen daher die Situation. Nicht der Opferball definiert sich über den Opernball, sondern umgekehrt der Opernball über den Opferball. Der Opernball ist längst zum sekundären Ereignis geworden, das jährlich im Schatten des Opferballs der Straßenzeitung AUGUSTIN stattfindet. Aus der Sicht unbefangener Beobachter ist demnach der Opernball die Anti-Opferball-Demo der oberen Zehntausend. Er ist die missratene Kopie des Opferballs, die vulgäre Antwort des Staates auf die Zivilgesellschaft, die in der MARXergasse den Fasching feiert. Der Opernball ist die Staffage gewordene Angst der Etablierten vor den Unbestechlichen. Die Marxergasse ist weder der Küniglberg, noch die AUA, noch die Sozialversicherung, noch die Austria Tabak: Sie lässt sich, anders als Ihre Ringstraße, niemals blau einfärben.

Der Anti-Opferball in der Oper hat immer erbärmlich geendet und wird immer erbärmlich verenden. Die StrawanzerInnen Wiens lassen Vera Feldbusch, den Schüsselbund und die Gnome rechts liegen und tanzen in den Sofiensälen, bis der Tag orange wird.

An einem Tag ist der Bettler König das ist der alte Sinn des Wiener Volksfaschings (und seine Subversivität liegt darin, dass aus dem einen Tag leicht viele Tage werden könnten). Am Opferball lassen die Opfer ihre Opferrolle in der Garderobe (für immer?). Doch am Opernball gerieren sich die Täter als Täter, die Gnome als Gnome, die Krokodile als Krokodile. Sehr originell wo bleibt da die Idee Fasching? Auf diese Tour wird der Opernball immer im Schatten des Opferballs bleiben. Einzig mögliche Rettung: AUGUSTIN-KolporteurInnen übernehmen die Oper. Aber wer will die Oper retten? Es tut mir leid, Ihnen diese Wahrheit ins Gesicht schreiben zu müssen.

Tun Sie sich diese Sisyphos-Arbeit, die Ehre des Opernballs wiederherzustellen, nicht weiter an und besuchen Sie zu autohygienischen Zwecken den Opferball des AUGUSTIN. Sie werden sehen, wie frei Sie sich plötzlich fühlen.

Ihr Dr. Sommer

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