Camping im Zeichen der Würdetun & lassen

Wohnungslosentreffen in Freistatt – Teilhabe und Selbstbestimmung

In Freistatt, Niedersachsen habe ich eine besondere Seminarwoche erleben dürfen: das Wohnungslosentreffen im Sommercamp Freistatt. Es ging um Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit, Selbsthilfe, internationale Vernetzung, Nichtsesshafte, Armut und Reichtum, Mitbestimmung und Mitentscheidung.

Foto: Freistätter Online Zeitung

«Wir werden die Idee von Teilhabe und Selbstorganisation aufgreifen und zu unserer eigenen machen» und «Wir wollen die weiteren Planungen in unsere eigenen Hände nehmen» sind nur einige Auszüge der Erklärung des Abschlussplenums aller Teilnehmenden. Ziel des großen Wohnungslosentreffens ist es, Teilhabe und Selbstorganisation wohnungsloser und ehemals wohnungsloser Menschen zu fördern. Dieses Angebot ist bisher einzigartig in Deutschland und Europa. Es ist geplant, die Idee in Zusammenarbeit von Armutsnetzwerk Deutschland sowie Diakonie und politischen Entscheidungsträgern auf drei Jahre fortzuführen.

Wir wohnten in Zelten, schliefen auf Feldbetten. 77 Teilnehmer_innen aus verschiedenen Ländern, aus Dänemark, Finnland, Irland, Deutschland, den Niederlanden und Österreich. Freistatt liegt am Land, eine halbe Stunde Autofahrt von Hannover entfernt. Zirka 600 Menschen leben hier. Ein Supermarkt, ein Café, eine Kirche, ein Friedhof – aus. Es ist ruhig. Doch hier war einmal ein Erziehungslager für schwer erziehbare Jugendliche, die Gebäude stehen immer noch. Heute werden sie als Wohnheime für Obdachlose genutzt. Es gibt eine zentrale Küche, Werkstätten, betreutes Wohnen, eine Turnhalle, einen Fußballplatz, einen Hochseilklettergarten, einen Minigolfplatz, das besagte Kaffeehaus, eine Kirche, einen Friedhof – wie eine ganze Stadt für Obdachlose. In einem Hochhaus leben Menschen mit/ohne Behinderung, Wohnungslose im Rollstuhl, am Rand der Gesellschaft Lebende, Alkoholiker, «Veteranen der Landstraße» … Man sagt, viele kommen nach Freistatt, um hier zu sterben. Es ist nicht schlecht, hier seinen Lebensabend verbringen zu wollen.

Alles in allem waren meine Eindrücke durchaus positiv und optimistisch. Aus der Abschlusserklärung der Teilnehmenden: «Wir wurden respektvoll und freundlich aufgenommen. Das war ein anderer Umgang im Vergleich zu dem, was wir sonst üblicherweise erleben. Wir kannten uns vorher nicht oder nur wenig und konnten uns hier in Freistatt erstmals auf einer anderen Ebene begegnen, austauschen und gemeinsame Anknüpfungspunkte finden. Ein Gemeinschaftsgefühl ist entstanden und verbindet für die Zukunft. Und wir konnten feststellen, dass wir untereinander auftretende Konflikte aushalten und Gegensätze akzeptieren können. Gut so. Es war genügend Zeit für die Teilnahme und Mitarbeit an den Programmangeboten, aber auch Raum für Gespräche, Freizeit, Entspannung und Erholung. Alles gehörte dazu, um ein Miteinander zu finden. Wir machen den Anfang und wollen der Würde eine Stimme geben.»

Das nächste Wohnungslosentreffen ist für Sommer 2017 geplant.