Das globale Geschäft mit dem Verbrechen (1)tun & lassen

Die Zelle und der Markt

Wenn sich der Neoliberalismus mit dem Konservativismus verbandelt, führt das auf dem Feld des Strafvollzugs zu explodierenden Häftlingszahlen und zur Übertragung des Gefängniswesens an die Privatwirtschaft. Ersteres passiert in Österreich seit der blauschwarzen Wende, Letzteres gewinnt – zunächst nur als Idee – auch hierzulande Anhänger. Deren Vorbild sind die USA: 163 privat gemanagte Knäste gibt es dort bereits. Marktführer unter den Gefängnisfirmen ist die Correctional Corporation of America (CCA). Unser Autor Hansjörg Schlechter, der als Sozialarbeiter in der Straffälligenhilfe tätig ist, beschreibt in diesem zweiteiligen Text (Teil 1 erschien in Ausgabe Nr. 165) die Auswüchse des privaten Gefängnismarktes.Besorgniserregend ist die Ersetzung der Sozialarbeit durch Missionierungswut in privaten Gefängnissen. Im April 2003 starteten die „Soldaten Christi“ der „Champions for Life“ (CFL) in allen CCA-Gefängnissen ihre „faithed based programms“, vorerst für die Dauer von drei Jahren. „Champions for Life“ werden von einem ehemaligen Footballstar, Bill Glass, geleitet und gehören zur christlichen Rechten. Sie haben sich die Aufgabe gestellt, durch Missionierung und einem „spiritual warfare“ gegen den „Feind Kriminalität“ Rechtsbrecher wieder auf den rechten Glaubensweg zu bringen. Bei diesen Missionierungen in den Gefängnissen treten ehemalige und aktive Sportstars und SängerInnen auf.

Die Teilnahme der Gefangenen ist (natürlich) freiwillig und zieht keinerlei Vorteile im Vollzug nach sich. Nach Absingen von „“I’m an American““ kann sich jede/r Gefangene zu Christus bekennen, worüber genauestens Buch geführt wird …

Präsident Bush fördert ausdrücklich derartige Programme, durch die eine wesentliche Senkung der Kriminalität erwartet wird. Auf den Personalplänen der CCA-Gefängnisse (veröffentlicht auf deren Websites) finden sich keine betreuerischen, psychologischen oder sozialarbeiterischen Dienstposten.

Zweitgrößter Privatbetreiber hinter der CCA, deren Marktanteil in den USA bei 50 Prozent liegt, ist „The Geo Group inc“ (früher „Wackenhut Correction Corporation“, WCC). Sie betreibt weltweit 43 Gefängnisse mit 34.200 Plätzen und 8700 Beschäftigten. 34 dieser Gefängnisse mit 27.000 Plätzen befinden sich in den USA. Der Marktanteil in den USA beträgt 22 Prozent. Der Weltmarktanteil liegt bei 36 Prozent, womit Geo der größte private Anbieter ist. Über die Muttergesellschaft Wackenhut Corporation besaß der dänische Konzern Group 4 Falck bis vor kurzem (Mai 2003) die Mehrheit. WCC hat diesen 57-Prozent-Anteil an ihrer Mutter um 132 Millionen US-Dollar gekauft, nachdem der Konzernsprecher von Group 4 Falck erklärt hat, dass sich der dänische Konzern aus allen Geschäften mit Gefängnis- und Flüchtlingslagern zurückziehen werde und sich auf seine Kerngeschäft Sicherheitssysteme beschränken werde.

Zurzeit betreibt Geo mit seinen Tochterunternehmen in Australien, Großbritannien, Kanada und Südafrika Gefängnisse und Flüchtlingslager, darunter ein Maximum Security Prison für 3024 (!) Gefangene in Kutama Sinthumule (Südafrika) und das Ersatzlager für Woomera, nämlich Cocos Keeling Island. Auf dieser Koralleninsel im Indischen Ozean zwischen Sri Lanka und Australien werden Immigranten, die von den australischen Behörden aufgegriffen wurden, angehalten. Im Leitbild vertritt WCC die Vision, dass „jeder Straftäter rehabilitiert werden kann und ermutigt werden soll, an den Möglichkeiten und Vorteilen der qualitätsvollen Rehabilitationsprogramme teilzunehmen“. Aber nicht auf Cocos Keeling Island, ist man versucht zu sagen.

Group 4 Falck hat sich aus dem amerikanischen Gefängnismarkt zurückgezogen, dafür hat sie ihre Marktstellung durch die Fusion mit der britischen Gefängnis- und Sicherheitsfirma Securicor in Europa und Australien gefestigt. Der neue Konzern mit 340.000 Beschäftigten in 108 Ländern beabsichtigt nun aber seine Gefängnisdivision (Global Solutions, GSL) auszugliedern und zu verselbständigen. Probleme bekam hingegen Group 4 Falck mit seinem 50-Prozent-Anteil an der israelischen Sicherheitsfirma Hashmira, als die Journalisten Lagerquist und Steele aufdeckten (The Guardian, 2.Oktober), dass diese Sicherheitsfirma bewaffnete Sicherheitskräfte in israelischen Siedlungen in der Westbank stellte, die auch an Kämpfen mit Palästinensern beteiligt waren. Nach einer heftigen Debatte in Dänemark sah sich Group 4 Falck veranlasst, sich aus den Palästinenser-Gebieten zurückzuziehen.

Ein Scheck für Schwarzenegger

Der American Legeslative Exchange Council (ALEC) ist ein Zusammenschluss amerikanischer Abgeordneter (RepublikanerInnen, aber auch DemokratInnen) und umfasst zurzeit mit seinen 2400 MitgliederInnen ein Drittel aller amerikanischen Abgeordneten). Ziel dieses rechten Think Tanks ist, Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen, um den „freien Markt, den schlanken Staat und die individuelle Freiheit“ zu fördern. Um diese Ziele zu erreichen, fördern und sponsern 300 Konzerne und Kooperationen wie die National Rifle Associaction, Enron, Amoco, American Nuclear Energy Council, Chevron, Philip Morris, Texaco, Shell, IBM, Wackenhut und Correctional Corporation of Amerika und viele andere diese Lobbyplattform.

Das „Three strike“-Gesetz (drei einschlägige Rückfälle ergeben lebenslange Haft, in elf Bundesstaaten ist das bereits Gesetz) und „truth in sentencing“ (die Haft muss mindestens zu 85 Prozent abgesessen werden, was zu einer massiven Einschränkung der bedingten Entlassung führt, in 24 Staaten eingeführt) wurden in den Arbeitsgruppen von ALEC erstmals diskutiert und dann über deren Lobbyarbeit durchgesetzt.

Da ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die Wackenhut Correction Corporation mit einer Spende von 20.000 US-Dollar an den Inaugurationsfeiern von Präsident Bush beteiligte. Demokratische wie republikanische Kandidaten werden regelmäßig mit Wahlspenden von den privaten GefängnisbetreiberInnen bedacht, so erhielt auch Arnold Schwarzenegger in der Kalifornienwahl einen Scheck über 53.000 US-Dollar von der Geo Group.

Die Antiterrormaßnahmen nach dem 11. September lassen die Geschäftserwartungen der BetreiberInnen privater Gefängnisse und Anhaltelager in die Höhe schnellen, so geht der Geschäftsführer von Cornell Companies und des Interessensverbandes privater GefängnisbetreiberInnen, Association of Private Corrections and Treatment Organisations (APCTO), Steve Logan, davon aus, dass die etwa 900.000 in den USA „illegal“ aufhältigen Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten zur neuen Zielgruppe für private Gefängnisse werden (Prison Privatisation Report International, Nr. 44).

Die „halbe“ Privatisierung in Europa

Die Anhaltung, Betreuung und Versorgung von Asylsuchern, Flüchtlingen und ImmigrantInnen ist auch in Europa schon weitgehend in privaten Händen. Auch in Österreich wurde die Flüchtlingsbetreuung mit Schwerpunkt Rückkehrberatung von den gemeinnützigen Flüchtlingsorganisationen an die deutsche gewinnorientierte Firma European Homecare („Im Mittelpunkt steht der Mensch“ – wo „persönliches Engagement mit wirtschaftlicher Kompetenz verbunden wird“) übertragen.

Im Gefängniswesen sind die BritInnen mit 12 Gefängnissen die VorreiterInnen. Das französische Bauprogramm mit 28 neuen Gefängnissen und das italienische mit 22 neuen Gefängnissen, davon 11 teilprivatisierte, könnten allerdings zu einem neuen Ranking führen.

Den britischen Markt teilen sich vier Unternehmen auf. „United Kingdom Detention Services“ (UKDS) betreibt als größtes Gefängnis Forest Bank. Der Vertrag mit Her Majestie’s Prison Blakenhurst wurde 1999 nach der höchsten Selbstmordrate in einem Gefängnis in England und Wales gekündigt. Blakenhurst wurde nach einer öffentlichen Ausschreibung, in der das öffentliche Gefängniswesen als Bestbieter hervorging, wieder „zurückverstaatlicht“. In Ungarn als neues Beitrittsland der EU ist das erste private Gefängnis mit 700 Plätzen in Planung und Bau.

Die Diskussion über die Möglichkeiten der Privatisierung von Vollzugsanstalten in Deutschland wird vor allem in Hessen geführt. Das hessische Justizministerium hat 1999 eine aus JustizexpertInnen, WissenschafterInnen und PolitikerInnen zusammengesetzte Arbeitsgruppe „Modellprojekte zur Privatisierung im Strafvollzug“ beauftragt, die „rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen eines solchen Projekts zu überprüfen und entsprechende Lösungsvorschläge zu entwickeln“ (Freya Fluten, Indymedia 3/03).

Als Ergebnis der Arbeit dieser Arbeitsgruppe wurde festgestellt, dass „für Planung und Errichtung von Haftanstalten durch Private keine verfassungs- oder verwaltungsrechtliche Probleme entstehen“. Der Staat kann dieses Gebäude, wenn es den Anforderungen entspricht, mieten oder pachten. Weiters wird festgestellt, dass eine „Privatisierung auf der Grundlage des geltenden Rechts ohne Änderung des Strafvollzugsgesetzes möglich ist, wenn sich die Tätigkeit der Privaten auf Dienst und Serviceleistungen im weiteren Sinn ohne Eingriffsbefugnisse gegenüber den Gefangenen beschränkt“. Einer Privatisierung des Strafvollzugs als Ganzes steht jedoch das Grundgesetz entgegen. Die Entwicklung in unserem Nachbarland läuft auf eine Teilprivatisierung unter Private-Public-Partnership-Modellen hinaus. Das Hessische Justizministerium plant derzeit in Hünfeld die erste privat finanzierte, gebaute und teilweise zu betreibende Justizanstalt mit 500 Plätzen, bei der die Werkstätten, der Transportdienst, die Objektbewachung, die medizinischen und sozialen Dienste und die Küche ausgegliedert und privatisiert sind.

Den Zuschlag bekam die britische Firma Serco. Ganz im Sinne des Management Circle, der im März 2003 in Berlin zu dem Seminar „Haftanstalten, (teil-)privatisierte Justizvollzugsanstalten als neues Geschäftsfeld“ einlud und in seiner Seminarankündigung festhielt: „(Teil-)Privatisierung hilft nicht nur der Staatskasse, sondern wird sich auch als neues, interessantes Geschäftsfeld erweisen: für Banken, Leasinggeber, BauunternehmerInnen, Planer, Wach- und Sicherheitsgesellschaften, Rechtsanwaltskanzleien, Beratungsunternehmen …“

Nur die permanente Produktion von Verbrechen dient dem Profit

Die KritikerInnen und GegnerInnen privatisierter Gefängnisse weisen darauf hin, dass für gewinnorientierte Unternehmen ein ständiger Belag und eine permanente Produktion von „Verbrechen“ notwendig ist, da das Hauptinteresse Gewinn und nicht Resozialisierung und Senkung der Kriminalitätsraten ist. Darüber hinaus wäre eine Privatisierung des staatlichen Gewaltmonopols demokratiepolitisch bedenklich. An diesen Bedenken ist einiges dran, wie die Einflussnahme der amerikanischen Gefängnisunternehmen auf die strafverschärfende Gesetzgebung über massive Lobbytätigkeit beweist. Der in weiten Bereichen der Privatgefängnisse zwar deklarierte, aber nicht eingelöste Resozialisierungsanspruch weist auf den Hauptzweck dieser Unternehmungen (nämlich die Gewinnorientierung) hin.

Für das vor allem von der Politik als Grund für die Privatisierung gebrachte Kostenargument lassen sich wenig bis gar keine überzeugenden Belege finden. Es gibt keine seriösen Untersuchungen, die beweisen, dass Privatgefängnisse kostengünstiger und effektiver als staatliche sind. In einem BBC-Bericht vom 27.9.2002 über das wiederverstaatlichte Gefängnis Blakenhurst erklärte ein leitender Offizier den Unterschied zwischen dem privaten und dem verstaatlichten Blakenhurst: „Bei den Haftbedingungen gab es keine Unterschiede, da die Auflagen und Pönalen sehr hoch waren, der Unterschied war der, dass weniger Wachpersonal mit geringerem Gehalt das Gefängnis führen musste.“

Wenn also Privatgefängnisse kostengünstiger sein sollen, dann offensichtlich nur über Einsparungen beim Personal, das in den privaten amerikanischen Gefängnissen nicht gewerkschaftlich organisiert ist. Wie aber mit wenigen und schlecht ausgebildeten Mitarbeitern Gefängnisse gut zu führen sind, ist erst noch zu beweisen, wobei die Gehälter des obersten Managements deutlich über dem Niveau des öffentlichen Bereichs liegen.

Vollkommen unglaubwürdig wird die wirtschaftliche Betrachtung, wenn es um die volkswirtschaftlichen Kosten geht. Zwei Millionen Menschen einzusperren wie in den USA ist eine Vernichtung von Steuergeld ohne erkennbaren gesellschaftlichen Nutzen, es sei denn, diese Masseninternierung ist Bestandteil des Krieges gegen die Armen. Die Alternative kann daher generell nicht die zwischen staatlichem oder privatem Gefängnissystem sein, sondern nur zwischen Einsperren und Nichteinsperren.

Welche Maßnahmen geeignet sind, Resozialisierung für den Täter, Rechtsfrieden für das Opfer und auch Sicherheit für die Gesellschaft herzustellen, und welche es weniger sind, das sind die entscheidenden Fragen, die es zu beantworten gilt. Wenn nur ein Teil der Ausgaben für Ausgrenzung durch Haft in den Bereich der ambulanten Straffälligenhilfe und Konfliktschlichtung umgeschichtet werden könnte, wäre weder die Sicherheit der Bevölkerung gefährdet noch würde das Verbrechen explodieren. Das wäre effektive Sparpolitik.

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