Der Himmel der Gärtnerinnen & Gärtnertun & lassen

Ein Vorarlberger geht nach Afrika und weigert sich «zu helfen»

Geht ein Vorarlberger nach Afrika, trifft dort seine große Liebe, eine Tansanierin, und gründet mit ihr Tansanias erste Ausbildungsfarm für biologisch nachhaltige Landwirtschaft. Und legt Wert darauf, diese Tätigkeit nicht als «Entwicklungshilfe» zu etikettieren. Die «Arroganz der Helfer» ist ihm nämlich nicht ganz unbekannt. Ein Bericht von Hans Bogenreiter.

Foto: Sustainable Agriculture Tanzania

Alles der Reihe nach. Alexander Wostry reiste 2007 im Zuge eines Praktikums in den östlichen Teil Afrikas. «Mit einem Kompost fing alles an», erinnert er sich, als ob es gestern gewesen wäre. Seitdem hat es Ihm die nachhaltige Landwirtschaft angetan, und 2008 entspross daraus das Projekt ByT (Bustani Ya Tushikamane = Garten der Solidarität). «Definitiv war das Projekt der größte Stein, den ich bisher in meinem Leben ins Rollen gebracht habe. Es liegt mir deshalb am Herzen, beim Stein zu bleiben, hier in Tansania.» Nahe der tansanischen Stadt Morogoro kann seither ein Gegenkonzept zur Verwendung von Pestiziden und künstlichem Dünger veranschaulicht werden.

Die Organisation SAT (Sustainable Agriculture Tanzania, Nachhaltige Landwirtschaft Tansania) entstand – eine gemeinsame Gründung von Alexander Wostry und seiner Frau Janet Maro. Der Vorarlberger erzählt: «Janet war von Anfang an die Direktorin der Organisation. Sie verfügt über ein breites Wissen über Landwirtschaft und ist als Expertin über die Grenzen Tansanias hinaus anerkannt. Wir verstehen uns als Bewegung, die mehr oder weniger als Vorbild fungiert. Diese Philosophie ist die Basis, auf der wir auf horizontaler Ebene mit den Leuten zusammenarbeiten. Keine Entwicklungshilfe, sondern das gemeinsame Lösen von Problemen, um lebensfeindliche Umstände zu beseitigen, was auf der ganzen Welt nötig wäre.» Gerade der Zustand der «Entwicklung» in den sogenannten «entwickelten» Ländern verursache die Probleme des Südens, schon daher sei es unangebracht, von Entwicklungshilfe zu reden.

Letzter Ausweg Migration

In Tansania hat die Dünger- und Spritzmittelindustrie einen sehr großen Einfluss auf die landwirtschaftlichen Praktiken, was bedeutet, dass auch viele Kleinbauernbetriebe, welche von ihren Eigenerzeugnissen abhängig sind, auf künstliche Dünger zurückgreifen, um einen vermeintlich sicheren Ertrag zu erwirtschaften. Dass davon die Böden unfruchtbar gemacht werden und das Bodenleben abstirbt, wird natürlich verschwiegen. Als letzter Ausweg bleibt der Familie die Migration in die Stadt. Dasselbe Ergebnis kommt durch das Landgrabbing der großen Investoren zustande, die die tansanische Regierung ins Land lässt.

Weil die Nachfrage nach Ausbildung und Forschung im biologischem Landbau – der Alternative zur oben skizzierten industriellen Agrarproduktion – stetig anwuchs, wurde im September 2013 in der Stadt Morogoro der große Traum verwirklicht, die Eröffnung der ersten Ausbildungs- und Lehrbeispielschule für organische Landwirtschaft in Tansania. In den meist einwöchigen Kursen werden den Student_innen dort die wichtigsten Grundlagen des biologischen Anbaus in Theorie und Praxis beigebracht. Mittlerweile werden zehn verschiedene Kurse angeboten, von den Grundlagen des Bioanbaus über natürliche lokale Medizin, Lebensmittelverarbeitung bis hin zu einem zweiwöchigen Kurs über Permakultur. «Wir können den Menschen hier Wege aufzeigen, wie Sie ihr eigenes und das Leben ihrer Familie sichern und ein eigenes Einkommen kreieren können. Mittlerweile sind wir im ganzen Land bekannt. Wir arbeiten mit Universitäten und der Regierung zusammen. Hinzu beraten wir andere Länder in dieser Richtung, wie z. B. Malawi, Simbabwe und Äthiopien», berichtet das Ehepaar.

Das Geheimnis des Moringa-Baums

Tansania bietet für die biologische Agrarwirtschaft die besten Bedingungen. Durch das tropische Klima gibt es keine Vegetationsruhe, was 365 Tage Vegetationszeit bedeutet, also ein sprichwörtliches Paradies für einen Gärtner, eine Gärtnerin. Es gibt hier zudem eine Vielzahl an Bäumen und Gewächsen, die sich gegenseitig begünstigen und den Nährstoffgehalt im Boden von alleine erhöhen. Es gibt sogar eine Pflanze, die Malaria heilen kann, durch bloßes Teetrinken; oder einen Baum namens «Moringa», welcher so viele Nährstoffe in seinen Blättern vereint, wie sie kein Gemüse, Obst oder Milchprodukt zur Verfügung stellen kann. Eine der Gruppen fing inzwischen in Eigeninitiative an, andere Bauern auszubilden und sie für eine Umstellung auf biologische Landwirtschaft zu gewinnen. Das Projekt wurde im wahrsten Sinne des Wortes auf gutem Nährboden gepflanzt, und die «Früchte» lassen sich auch ganz gut in Zahlen ausdrücken; ein Beispiel: 965 Bauern und Bäuerinnen wurden ausgebildet und sind im Rahmen ihrer Dörfer aktiv.

Heute ist die Arbeit der Organisation bis über die Kontinentsgrenzen hinaus bekannt. So wurde Janet Maro zu einem «Runden Tisch» bei den Vereinten Nationen nach New York eingeladen. Neue Projekte sind in Planung. «Wir sehen uns als Graswurzelbewegung, die auf dem Wissen der Bauernschaft aufbaut und dafür entsprechendes Feedback bekommt. Im Feld arbeite ich eng zusammen mit den Farmern und dem ByT-Team. Wir praktizieren einfache Techniken, die für eine gesunde Produktion von Feldfrüchten und die Tierhaltung erschwinglich und leicht verfügbar sind. Arbeit in der Bio-Landwirtschaft ist ein lebenslanges Experiment. Immer wieder kommen neue Pflanzen und Methoden auf den Markt, das macht meine Tätigkeit aber erst so interessant. Als Direktorin von SAT bin ich verantwortlich für reibungslose Abläufe innerhalb der Organisation, und ich bin meinen Kollegen, die sich unermüdlich um die Realisation unserer Ziele bemühen, sehr dankbar. Für mich ist eine biologische und nachhaltige Landwirtschaft der einzige Weg, um auf unserer Erde neun Milliarden Menschen das Überleben zu sichern. In den Tropen, so auch in Tansania, ist eine Landwirtschaft, die alle Kosten niedrig hält, die beste. Die anderen Systeme sind teuer und daher für die arme ländliche Bevölkerung nicht leistbar, vor allem aber haben sie negative Einflüsse auf die Umwelt und Gesundheit», so lautet das Credo von Janet Maro.

Alexander Wostry: «Immer wenn ich nach Österreich zurückkomme, habe ich in der ersten Woche Probleme mit dem Magen. So sehr habe ich mich an Tansania gewöhnt.»

Info:

Alexander Wostry, Finance Manager/ Project Coordinator, Sustainable Agriculture Tanzania (SAT), P.O.Box 6369, Morogoro, +255/(0)768 219 060, +255/(0)655 219 060

Spenden: FÖRDERVEREIN «Nachhaltige Landwirtschaft Ostafrika» (NLO), Sparkasse Feldkirch, Konto-Nr.: 03100-602261, BLZ: 20604, IBAN: AT892060403100602261, BIC: SPKFKAT2BXXX



Moderne «Hilfe» ist berechnend

«Weit davon entfernt, bedingungslos zu sein, ist moderne Hilfe unverhohlen berechnend; von der sorgsamen Erwägung des eigenen Vorteils viel eher geleitet als von der besorgten Betrachtung der Not des andern. Hilfe ist auch nicht mehr Hilfe in Not, sondern Hilfe zur Beseitigung von Defiziten. Die offenbare Bedrängnis, der Hilfeschrei dessen, der in Not ist, ist kaum mehr Anlass der Hilfe. Hilfe ist vielmehr die unerlässliche, zwingende Konsequenz einer von außen gestellten Hilfsbedürftigkeitsdiagnose. Ob jemand Hilfe braucht, entscheidet nicht mehr der Schrei, sondern der Standard der Normalität. Der Hilferufer ist seiner Autonomie als Rufer beraubt.» Hier wird Marianne Gronemeyer zitiert, die sich in ihrer radikalen Entwicklungshilfe-Kritik vor allem auf Ivan Illich bezieht. Handeln Entwicklungshelfer_innen pauschal auf der Basis von fragwürdigen Hilfsbedürftigkeitsdiagnosen? Zu dieser Frage referiert die deutsche Autorin und Globalisierungskritikerin am Dienstag, dem 23. Februar 2016, ab 19.30 Uhr im Aktionsradius Wien., 1200, Gaußplatz 11.