Der treue Diener seines Herrntun & lassen

Biosprit E10: warum Berlakovich eine negative Presse riskiert

In der Sommer-Debatte über die Einführung von Biosprit bzw. den Bioethanoltreibstoff E10 agiert Landwirtschafts- und Umweltminister Nikolaus Berlakovich als einsamer Fels in der Brandung bzw. Rufer in der Wüste. Konsequent tritt das im Bauernbund verankerte Kabinettsmitglied für das vermeintlich umweltfreundliche Vorhaben ein – und bezieht dafür Prügel von allen anderen Parteien und der veröffentlichten Meinung. Unter den Tisch fällt, dass Berlakovich als «Steher» in dieser Frage vor allem die Interessen von Raiffeisen vertritt. Der Zucker-, Fruchtsaft- und Stärke-Hersteller Agrana – zu hundert Prozent im Besitz des Raiffeisenkonglomerats – hat sich in Österreich vorausschauend längst ein Monopol auf die Bioethanol-Fertigung gesichert.Es ist immer wieder lehrreich, den Ablauf von Medienkampagnen insbesondere zur Sommerzeit zu verfolgen, wenn Meldungen rar sind. Meist taucht ein Thema in der internationalen Vogelperspektive auf und wird dann von der heimischen Presse auf die hiesige Froschperspektive heruntergebrochen. So geschehen auch in der Bio-Sprit-Debatte. Sie begann mit Meldungen wie «FAO für Drosselung bei Agrosprit» («Der Standard») oder «Hohe Getreidepreise heizen Biospritkritik an» («Die Presse»).

Das von der Ernährungsorganisation der UNO aufgeworfene Problem, dass die steigende Bioethanol-Produktion und die Waren-Termin-Spekulation auf Getreide den Hunger auf der Welt, von dem derzeit rund 925 Millionen Menschen direkt betroffen sind, weiter verschärft, war auch für heimische Politiker_innen ein gefundenes Fressen. «Der Standard» berichtete unter der Schlagzeile «Breite Politikerfront ist gegen Biosprit E10». Expert_innen sind übrigens der Meinung, dass der Treibstoff erst interessant werde, wenn die zweite Ausbaustufe dieser Technik mit Stroh und Holzabfällen als Rohstoff erreicht werde.

Alle gegen einen

In einer Zusammenfassung der jüngsten Debatte hieß es: «SPÖ, Grüne, FPÖ und BZÖ sind gegen eine Einführung im Herbst, die ÖVP ist dafür. Kirche hat Angst um Lebensmittelpreise, AK sieht Millionenkosten.» Dabei haben alle Beteiligten so getan, als seien die Weichen für die verpflichtende Beimischung von Bioethanol zum Benzin nach einer Richtlinie der Europäischen Union nicht schon längst gestellt. Danach soll – zur Entlastung von Umwelt und Ölimporten – spätestens bis zum Jahr 2020 dem Benzin ein 10-prozentiger Anteil von Bioethanol beigemischt werden. In Österreich übrigens sind im Sprit für Otto-Motoren schon jetzt fünf Prozent Biosprit enthalten.

Dieser Zusatz soll ab 1. Oktober auf einen Anteil von 10 Prozent gesteigert werden. Da dies für ältere Automobile kritisch werden kann, wurde vereinbart, den Biosprit E10 als eigene Kategorie auszuweisen und an eigenen Zapfsäulen anzubieten. Nur die einschlägige Verordnung des Verkehrsministeriums ist noch ausständig. In Deutschland, wo das bereits früher der Fall war, erreicht das Produkt derzeit einen enttäuschenden Marktanteil von rund 15 Prozent.

In Österreich liegt diesem Plan eine sozialpartnerschaftliche Vereinbarung zwischen Erdöl- und Agrarwirtschaft zugrunde, die bereits Josef Pröll als Vorgänger von Berlakovich erzielt hat. In ihr ist die Befreiung des Biosprits von der Mineralölsteuer festgeschrieben, die den Treibstoff in der Tendenz um eine Spur günstiger als die anderen Ottokraftstoffe machen soll. Die Mineralölsteuerbefreiung ist jedoch die Grundvoraussetzung, um den Biosprit E10 zu einem konkurrenzfähigen Preis anbieten zu können. Zusätzlich wird das Produkt dadurch subventioniert, dass der Anbau der erforderlichen Rohstoffe – in Österreich und Umgebung Weizen und Zuckerrüben – gefördert wird.

Agrana verfügt über Biosprit-Monopol

Damit sind wir an der Adresse des heimischen Zuckermonopols Agrana angekommen. «Die Presse» schrieb: «Zwei Drittel der 500.000 Tonnen Getreide pro Jahr, die für eine Vollversorgung des Landes mit E10 notwendig sind, kommen schon heute aus Österreich und werden von der Agrana im Ethanolwerk im niederösterreichischen Pischelsdorf verarbeitet. Das restliche Drittel importiert die Agrana aus dem benachbarten Ausland. Im Gegenzug muss Österreich weniger Sojakraftfutter aus Brasilien importieren, da dies bei der Ethanolproduktion als ‹Abfall› anfällt.» Resümierend heißt es weiter: «Um E10 an den Kunden zu bringen, muss der Sprit gleich dreimal gefördert werden: bei der Herstellung, der Produktion und schlussendlich beim Verkauf.»

Der Raiffeisen-Konzern ist in der Entwicklung der Umwandlung von agrarischen Rohstoffen in Energieträger eine Reihe von Risken eingegangen, die sich wie eine Biospritanlage in Enns als Flop erwiesen haben. Umso wichtiger ist für den Konzern, dass die Investitionen in Pischelsdorf sich wie vereinbart langsam aber sicher amortisieren bzw. zu rechnen beginnen.

Das ist vermutlich der Hauptgrund, weshalb Berlakovich – trotz des Umfragetiefs seiner Partei – anlässlich der Einführung eines Kraftstoffes eine negative Presse riskiert. Als Vertrauensmann der Agrarier in der Regierung kann er es sich nicht leisten, auf die alte Vereinbarungen einfach zu vergessen. Der Dank von Raiffeisen ist ihm sicher.