Die Medien & der Wohltätertun & lassen

Bill Gates Stiftung schafft die Probleme, die sie zu bekämpfen vorgibt

Der Mythos von Bill Gates als dem spendabelsten und großzügigsten Gutmenschen des Planeten stirbt nicht aus. Mitverantwortlich dafür sind «Qualitätsjournalist_innen», die zwar das Objektivitätsgebot verinnerlicht haben (und damit den Anspruch, alles von verschiedenen Seiten aus zu betrachten), de facto aber als Lobbying-Agent_innen des «Wohltäters» handeln. Aus Anlass von Bill Gates 60. Geburtstag Medienkritisches von Axel Myhrtal.Im «Standard» war kürzlich zu lesen: «Investitionen in die Gesundheit von Müttern und Neugeborenen gehören zu den intelligentesten Investitionen, sagte die Co-Vorsitzende der Bill & Melinda Gates Stiftung am Montag in Mexiko-Stadt. Bessere Gesundheit führe zu besserer Bildung, besseren beruflichen Chancen und somit zu mehr Wohlstand, so die Ehefrau von Microsoft-Gründer Bill Gates auf einer Gesundheitskonferenz in der mexikanischen Hauptstadt.» Ein untadeliger, sachlicher, nüchterner Nachrichtentext aus der Sicht des «Schul-Journalismus». Mit keinem Sätzchen subjektiver Kommentierung, weltanschaulicher Haltung oder ideologischer Bewertung verunreinigt.

So unschuldig ist die Nachricht aus Mexiko leider nicht. Sie suggeriert, dass der Name der Gates-Stiftung für die «intelligentesten Investitionen in die Gesundheit der Frauen» stünde und dass Melinda Gates sowohl die Kompetenz als auch die Legitimation besitze, auf internationalen Gesundheitskonferenzen als Hauptrednerin aufzutreten. Die ganze Wahrheit ist, dass es umstritten ist, ob es Herr und Frau Gates in erster Linie um die Gesundheit der Menschen geht.

Lassen wir Kathrin Hartmann zu Wort kommen, die Autorin des Buches «Aus kontrolliertem Raubbau»: «In der Gates-Stiftung sitzen Angehörige der Pharma- und Saatgutindustrie wie beispielsweise Monsanto. Man kann praktisch sagen: Die Stiftung selbst ist eine Lobby-Organisation und Privatisierungsmaschine. Und man muss durchaus die Frage stellen, ob der Schaden, der durch die Investitionen in diese Konzerne angerichtet wird, die diese Stiftung tätigt und mit denen sie ihre vielen Milliarden generiert, nicht sogar an anderer Stelle die Hilfsprogramme zunichte macht oder erst die Probleme schafft, gegen die die Stiftung zu kämpfen vorgibt.» So habe die Stiftung 2007 im Nigerdelta ein Impfprogramm gegen Polio gestartet. Die Menschen dort litten allerdings unter den katastrophalen Folgen der Ölförderung – wie Asthma und einem schlechten Immunsystem. Im selben Jahr habe die Stiftung 423 Millionen Dollar in Aktien von BP, Exxon und Shell investiert.

Das sei bis heute so: «Die Stiftung investiert in Konzerne der Öl-, Kohle-, Chemie- und Bergbauindustrie, darunter befinden sich einige der schmutzigsten Konzerne der Welt (…) Das sind Unternehmen, denen nicht nur Umweltzerstörung, sondern auch Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.

Dass die Stiftung selber überhaupt keiner Kontrolle unterliegt, wird von den Medien nicht thematisiert. Hier wird der Gates-Mythos von einem allgemeineren Mythos gestützt, nämlich der Erzählung vom Triumph der wirtschaftlichen Kompetenz der Privatwirtschaft gegenüber der öffentlichen Hand. Mit einem Stiftungs-Budget von mehr als 42 Milliarden Dollar, das ist zehnmal so viel wie die Weltgesundheitsorganisation hat, kann Gates in die Parlamente der armen Länder hineinregieren.

«Das Leben von Bill Gates dreht sich inzwischen nicht mehr um vorrangig PCs, Smartphones und Software: Seit sieben Jahren widmet er seine Arbeit fast ausschließlich wohltätigen Zwecken. 1,2 Mrd. Euro gab Gates gemeinsam mit seiner Frau Melinda im Jahr 2014 für gemeinnützige Zwecke ab.»

Hier sind sowohl die Online-Kronen-Zeitung als auch der Online-Standard zitiert. Beide Medien bezogen nämlich ihren Beitrag zum Gates-Geburtstag aus derselben Quelle. Es war der APA-Text, den sie gemeinsam verwendeten; mit eigenen Recherchen hätte zumindest die «Seriösere» der beiden die Ahnung nachdenklicher Menschen bekräftigen können, dass es den «Wohltätern» vom Schlage Gates kaum um die Beseitigung der Ursachen der Armutskrankheiten in den Ländern des Südens geht. Aber wer soll solche Recherchen machen? Vielleicht Freelancer_innen, die für ihre journalistische Arbeit nicht einmal das bekommen, was der Augustin als Honorar auszahlen kann? Aber das ist eine andere Geschichte …