Drogendealerparanoiatun & lassen

Hilflos gegen 100 Revolverjournalisten

Tommy Angerer aus Wien, AUGUSTIN-Leser, ist durch den „Fall Omofuma“ aufgerüttelt und aufmerksam geworden. Seither beobachtet er das Vorgehen der Institutionen des Staates gegen Menschen mit dunkler Hautfarbe genau – und glaubt, eine gewisse Regie darin zu erkennen. Seit Ende September 1999 befindet sich sein afrikanischer Freund N. (Name der Redaktion bekannt) in der Justizanstalt Josefstadt. Angerer ist von dessen Unschuld überzeugt. Umso kritischer ist sein Blick auf die „Operation Spring“, wie die Polizei ihre Kampagne gegen die schwarze „Gefahr“ nennt. Dem AUGUSTIN stellte er seine Überlegungen zur Verfügung…Die zeitlichen Zusammenhänge offenbaren nach meiner Meinung den politischen und manipulativen Charakter der Polizeiaktionen. Erinnern wir uns: Die erste Operation geschah wenige Wochen nach dem Tod von Marcus Omofuma und einen oder zwei Tage nach dem ganzseitigen Inserat der Kabas-Partei („Hilflos gegen 1000 Nigerianer“). Damals wurde die zeitliche Nähe zum Fall Omofuma von den Behörden als „reiner Zufall“ abgetan; der offensichtliche Zusammenhang mit der Wiener FPÖ wurde jedoch praktisch negiert. Aber selbst wenn man den „Zufall“ der Spring 1 noch durchgehen lassen wollte, so ist das bei der Spring 2 nicht mehr möglich: Sie fand wenige Tage vor den Wahlen am 3. Oktober ’99 statt.

Eine kleine, aber bemerkenswerte Begebenheit belegt die „Regie“: Wenige Wochen vor der Wahl kamen Polizisten in das Gesellenheim in der Zohmangasse und erkundigten sich nach zwei Schwarzen, für die sie Haftbefehle hatten. Nachdem sie erfahren hatten, dass sich die beiden zur Zeit im Haus befanden, gingen sie wieder. Auf die Frage der Heimleitung, warum sie die zwei nicht gleich mitnehmen würden, hieß es nur, damit warte man bis zur „Aktion“.

Diese Aktionen hatten einen äußerst medienwirksamen Charakter, und selbstverständlich hat sich die „Kronenzeitung“ dabei besonders hervorgetan. Die Überfälle geschahen überraschend in aller Herrgottsfrüh, aber seltsamerweise waren die Bildreporter schon zur Stelle. Es liegt auf der Hand, dass das auf P.R. angelegt war und wer dabei politisch profitieren sollte.

Den Vorfall in Traiskirchen (Polizeirazzia im Flüchtlingslager, siehe AUGUSTIN Nr. 52) kann ich zwar nicht mit einem politischen Ereignis in Zusammenhang bringen (da mußte man eher schnell die Gelegenheit beim Schopf packen, denn wann bekommt man denn schon so viele „Bimbos“ auf dem Präsentierteller serviert?). Aber die Razzia im Kolpingheim Sonnwendgasse war in Sichtweite der Regierungsangelobung angesiedelt. Die Vorgangsweise der Beamten war ähnlich der in der Zohmanngasse, und auch die näheren Umstände, wie das Herauswerfen von Socken, hörten sich ziemlich abgekupfert an.

Die Gerichte sollten zur Wahrheitsfindung beitragen. Stattdessen unterstreicht deren Arbeitsweise den Eindruck der Manipulation. Es treten nämlich immer wieder eklatante Widersprüche bei den Zeugenaussagen zutage, die aber weder Staatsanwaltschaft noch Richter besonders zu interessieren scheinen (über die diesbezüglichen Einzelheiten habe ich mir schon die Finger wundgeschrieben).

Der Ankläger wird von der Beweislast befreit

Die Lage ist nämlich derart, dass die Beweislast nicht der Ankläger, sondern der jeweilige Beschuldigte zu tragen hat. Das heißt aber, dass die anonymen Zeugen behaupten können, was sie wollen: ihnen wird alles geglaubt, den Angeklagten aber praktisch nichts. Das geht sogar so weit, dass Einzelheiten, die zur Entlastung dienen könnten, schon im Einvernahmeprotokoll fehlen, obwohl sie vorgebracht wurden.

Dass die anonymen Zeugen von der Polizei ferngesteuert werden, ist seit einem diesbezüglichen „Falter“-Bericht klar. Heinz Patzelt von ai-Österreich hat kürzlich gesagt, die Staatsanwaltschaft möge doch bedenken, dass die Polizei nicht von vornherein die Wahrheit sagt. Stimmt genau; nur wer sagt denn, ob man an der Wahrheit überhaupt interessiert ist? Die würde ja nur kontraproduktiv sein, im Sinne der politischen Absichten.

Man hat ja gleich mehrere Gründe für die Unterdrückung der relevanten Fakten. Die Polizei steht unter Erfolgsdruck. Denn da ist zunächst einmal der Umstand, dass man irgendwie erklären muß, wieso man z.B. in der Zohmanngasse einen Schaden von 300.000 Schilling angerichtet hat. Die Rambomethoden der Beamten lassen sich ja sonst nicht rechtfertigen, außer damit, dass man endlich einmal so richtig die Sau rauslassen konnte. Also werden die armen Teufel einbetoniert, was das Zeug hält. Und wenn dann nach einiger Zeit die Suppe dünner wird, dann muss man eben mit einer weiteren Aktion nachlegen, also die Angelegenheit quasi am Kochen halten. Stolz kann man dann auf die „Erfolge“ verweisen, und die Justiz trägt mit Brachialurteilen in der Gegend von 8 und 10 Jahren zum Gelingen des Bildes bei.

In Kooperation dazu hat das Kleinformat derart verheerende „Überzeugungsarbeit“ geleistet, dass die Bevölkerung geradezu verlangt, alles Schwarze zu arretieren. Und unsere unabhängige Justiz tut ihr selbstverständlich den Gefallen, damit nur ja alles seine Ordnung hat. Die Geschehnisse um den Professor Szilvassy sprechen Bände. Bezeichnenderweise hat die „Krone“ kein Wort darüber verloren, warum denn seine Expertisen so bedenklich sind.

Das erinnert an Costa Cavras Film „Z“

Was die sogenannte Unschuldsvermutung angeht, so scheint sie für die Farbigen schlicht und ergreifend nicht zu existieren. Die Verhandlungen werden zum Teil derart geführt, dass man den Eindruck erhält, sie dienten zur persönlichen Erheiterung der Richter, die deshalb ab und zu mit einem kleinen Scherzlein zur Unterhaltung beitragen, selbstverständlich auf Kosten des Angeklagten, no na.

Man kann aber Richter nicht auf den Weg der Rechtsstaatlichkeit zurückzwingen, denn sie sind ja „unabhängig“, wenngleich ihnen der Herr Woratsch offenbar zeigt, wo es langgeht. Richter und Staatsanwälte kommen zu einem Gutteil von der rechten Seite und agieren auch dementsprechend. Zur Illustration, was hier los ist, sollte man sich vielleicht den Film „Z“ von Costa Cavras in Erinnerung rufen. Ich bin geradezu erschrocken bei der Erkenntnis, wieviele Parallelen da existieren.

Andererseits habe ich gerade im Online-Standard gelesen, dass es Studenten in den USA trotz Gegenwind der Behörden gelungen ist, mehrere Todeskandidaten aus den Gefängnissen herauszubekommen, weil sie deren Unschuld nachweisen konnten. Man sollte sich einmal anschauen, wie die das gemacht haben.

Was überhaupt will man mit solchen Operationen erreichen? Die Feststellung, man könnte damit das sogenannte Drogenunwesen bekämpfen, ist entweder naiv oder bewußt falsch.

Zuerst hat man vollmundig erklärt, man hätte einen gefährlichen Drogenring zerschlagen. Dabei hat man nur dessen Vertriebswege kurzzeitig lahmgelegt. Sehr bald danach haben sich die Kanäle wieder regeneriert. Ist ja auch klar, denn der Bedarf an diesen Drogen besteht ja nach wie vor, und weil sich die Nachfrage nicht einfach beseitigen läßt, muss sie logischerweise befriedigt werden, irgendwie.

Man kann auf Dauer kein Rinnsal am Fließen hindern, indem man das Bachbett kurzerhand absperrt.

Nachdem ich annehmen muß, dass unsere Drogenbehörden um diese Zusammenhänge wissen, bleibt nur als Motiv pure Desinformation stehen. Also geht es um was ganz anderes.

Bloß kurzzeitige Lahmlegung der Drogenvertriebswege

Kann schon sein, dass man an die wahren Drahtzieher der Drogenszene nicht herankommt; es kann aber auch sein, dass man das gar nicht will. Denn die Leute, die sich mit Drogen goldene Nasen verdienen, sitzen ganz woanders und bleiben unbehelligt. Ich fürchte, dass unsere verantwortlichen Stellen erfolgreich daran arbeiten, dass das auch so bleibt. Ich habe ferner den Verdacht, dass es diese Banden mit den Namen „Bad Boys“ usw. gar nicht erst gibt; sie dienen eher dazu, damit man in den jeweiligen Gerichtsverhandlungen eine Handhabe für saftige Freiheitsstrafen dabeihat, denn solche Strafen lassen sich ausgezeichnet vermarkten.

Und es ist anzunehmen, dass die großen Bosse nicht in Nigeria, sondern in der westlichen Welt, also auch hier in Europa sitzen! Die kümmert es einen Dreck, was mit ihrem Bodenpersonal passiert. Im Gegenteil, solange es dort rund geht, haben die Chefs ihre Ruhe. Die These, Dealer würden extra aus Nigeria nach Österreich exportiert, ist schon sehr kühn; sie ist sehr wahrscheinlich ins Märchenland zu verweisen.

Es ist zweifelhaft, ob überhaupt einmal herauskommt, wieviele Farbige im Bau sitzen, obwohl sie mit Drogen nichts am Hut haben. Ich bin überzeugt, dass mein Freund N. völlig unschuldig ist. Aber wenn wir uns schon mit den Dealern auseinandersetzen, dann muß man endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass es sich dabei auch um menschliche Wesen handelt, die durch Umstände, an denen unser Staat nicht unschuldig ist, in diese Situation geraten sind. Sie machen diesen Job für wenig Geld, aber mit dem höchsten Risiko. Allein das legt nahe, dass man sich nur dann für einen solchen Scheißjob hergibt, wenn man keine andere Wahl zum Geldverdienen hat. Das ganze Geschwafel von den „Designerklamotten“ zeugt von Ahnungslosigkeit. Ist denn etwas schon Designerware, bloß weil „adidas“ draufsteht und der Fetzen obendrein noch gefälscht ist?

Wie rückt man den Vorurteilen zuleibe?

Die Situation mit den Medien ist weiter oben schon einige Male angesprochen worden. Sie – und besonders einzelne Journalisten, speziell der „Kronenzeitung“, also etwa Peter Gnam, „Cato“ Dichand himself, Wolfgang Martinek, „Staberl“ Richard Nimmerrichter u.a. – sind dafür verantwortlich, dass die Bevölkerung in der Fremdenfrage, besonders im Zusammenhang mit Farbigen, praktisch zweigeteilt ist. Aber zu ungleichen Teilen, natürlich.

Es liegt auf der Hand, dass diese Zeitung von der Politik für gezielte Desinformation herangezogen wurde und wird (das führt dann manchmal zu sehr erheiternden länderbezogenen Gegensätzen, zum Beispiel dass die Steirerkrone für den Semmeringtunnel war, die Wiener Krone dagegen).

Das macht es so schwierig, die Menschen mit vernünftigen Argumenten überhaupt zu erreichen, denn diese Zeitung wird von der überwiegenden Mehrheit gelesen. Dazu kommt noch, dass eben diese Mehrheit nur das zu lesen bekommt, was sie lesen will. Das ist ja der Grund für den erschreckend hohen Marktanteil der Krone. Deren Leser sind für weitergehende Zusammenhänge praktisch nicht zugänglich, jedenfalls ist das meine Meinung.

Es sind schon viele – hilflose – Versuche gestartet worden, die vorherrschenden Vorurteile anzugehen, allein die benutzten Mittel und Methoden sind gänzlich ungeeignet. Mann erreicht zum Beispiel mit Flugzetteln nur diejenigen, bei denen man ohnehin offene Türen einrennt; aber jene, die es eigentlich angeht, werfen den Zettel augenblicklich weg, sobald sie erfasst haben, worum es geht.

Auch das wilde Plakatieren erreicht eher das Gegenteil. Davor möchte ich ausdrücklich warnen. Man kann nämlich beobachten, wie der Zorn der Leute wächst angesichts der solcherart verunstalteten Großplakate, von der strafrechtlichen Seite der Aufklatschaktionen einmal ganz abgesehen. Und wenn es ab und zu doch jemanden interessiert, was da draufsteht, dann schaut er vorher, ob niemand schaut.

Ein weiterer Grund spricht dagegen: Vielfach wird auf diesen Plakaten/Flugzetteln mit Parolen gearbeitet, die einem schon in den Fünfzigern auf die Nerven gegangen sind. Mit solchen Fliegensprayargumenten überzeugt man niemand, sondern stößt eher ab, denn mit derartigen Schlagworten wird man nicht mehr für voll genommen. Die Leute wollen nichts damit zu tun haben und wähnen sich auf der richtigen Seite.

Die Kirchen mehr in die Pflicht nehmen!

Was ist also zu tun? Ich muß gestehen, dass ich noch zu keinem Ergebnis gekommen bin. Vielleicht wäre es ein Weg, wenn man eine Zeitung wie den „Kurier“ dafür gewinnen könnte, Vorurteile abzubauen, denn dort sitzen durchaus auch vernünftige Leute. Nur: das hebt die Polarisierung nicht auf. Wenn man, so wie ich, Meinungen hört wie „die Krone is ma beim Arsch lieber als der Kurier beim G’sicht“ oder „den Kurier les i net, der is ma zu links“(!), dann neigt man eher dazu, es gleich wieder aufzugeben. Aber was soll’s: Beginnen muß man irgendwie. Ich meine halt nur, dass es sinnvoller ist, mit einem Medium zu arbeiten, das doch eine gewisse Reichweite hat.

Ein weiterer Gedanke wäre etwa, auch die Kirchen etwas mehr in die Pflicht zu nehmen. Sicher, im Rahmen der Caritas oder der Diakonie geschieht schon sehr viel; aber wo bleiben die notwendigen Stellungnahmen zu all diesen hier besprochenen Gegebenheiten? Der Herr „Christianus“ Krenn in- oder außerhalb der Krone kann doch nicht das Problem sein. Oder fürchtet sich etwa Schönborn vor dem Dichand? (Ich glaube schon, denn sonst hätte er schon lange was zum Fall Gertraud Knoll sagen müssen, was bis dato noch nicht geschehen ist.)

Es muss doch einen Weg geben, den Leuten klarzumachen, dass man sich ins eigene Bett scheißt, wenn man derartige behördliche Willkür zuläßt. Denn heute betrifft es ja „eh nur de Nega“, aber was ist, wenn morgen die Brillenträger drankommen? Letztere sind Intellektuelle, und die sind ja bekanntlich nicht ungefährlich, oder?

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