Einsprachigkeit ist heilbartun & lassen

Emira hat an der Margaretenstraße Matura gemacht und studiert jetzt. Am Nachmittag kommt sie in den Unterricht. Da werden die Klassen geteilt und wird gemeinsam gelernt. „Rolemodels“ nennt sie das Konzept. Schaut her, ich war auch mal da, und so kann es gehen!Emira ist es ein Anliegen zu vermitteln, dass „zwei ganze Sprache mehr bringen als zwei halbe“. Viel zu viele Hauptschulabgänger plagten sich allein mit Deutsch herum, sagt Emira. Ihre Kompetenz der Mehrsprachigkeit mit Deutsch und Serbokroatisch ist ein großes Geschenk für die Klasse. Und die Ergebnisse sind sehr ermutigend. Jeden Tag steht den Schüler_innen eine Lernstunde zur Verfügung, in der sie mit Hilfe von Lehrenden und mehrsprachigen Lerntrainer_innen Hausübungen machen, üben und lernen. Man wollte die Probleme in den Regierungsstellen lange nicht wahrhaben, ergänzt ein Kollege und erzählt vom ständigen Kampf um Ressourcen. Auch die Rolemodels gibt es nur durch Spenden von außen. „Es fehlt besonders an Räumen, an guten Rahmenbedingungen für ganztägigen Unterricht“.

Die Soziolinguistik proklamierte bereits vor Jahren, dass Einsprachigkeit heilbar sei. „Niemand käme auf die Idee, ein Kind aus den USA, das Englisch, aber nicht Deutsch spricht, für nicht schulreif zu erklären. Bei Türkisch ist das hingegen ein ernsthaftes Argument“, so der Sprachforscher Hans-Jürgen Krumm. Die Folge: „Schule macht mehrsprachige Schüler einsprachig statt Einsprachige mehrsprachig.“ Auch ökonomisch hat das Auswirkungen: Österreich verliert sieben Milliarden Euro an Exporterlösen, weil an den berufsbildenden Schulen nicht genug Sprachvielfalt angeboten wird. Vorhandene Sprachkenntnisse können beim Deutschlernen behilflich sein, erklärt Krumm. „Wenn ein Sprachlehrer weiß, welche Sprachen ein Kind schon kann, kann er das nutzen.“ Derzeit werde jede Sprache „wie eine Insel“ für sich behandelt, was allerdings „lernökonomischer Unsinn“ sei. Krumm hat deshalb ein „Curriculum Mehrsprachigkeit“ entwickelt, bei dem beim Deutsch- oder Englischlernen auf bereits vorhandenen Kenntnissen aus anderen Sprachen aufgesetzt wird. Da werden die Sprachen, die die Kinder schon können, mit der neuen verglichen oder Unterschiede herausarbeitet. Auf „das Sprechen mit Selbstvertrauen“ hat die Sprachwissenschaftlerin Katharina Brizic bereits mehrmals in ihren Studien hingewiesen. Jene Kinder aus der Türkei, die in ihrer Muttersprache nicht sicher sind, tun sich auch beim Deutschlernen am schwersten. Diejenigen Kinder mit einem hohen Selbstwertgefühl und mit Sicherheit in ihrer Muttersprache zeigen die besseren Ergebnisse in Deutsch.

Von Afghanistan in den Süden von Wien, dem kleinen Stadtrandort Mödling, hat es Yasmin verschlagen. Das 17jährige Mädchen ist seit einem halben Jahr in Österreich, geflohen aus Afghanistan und dem Iran. Als anerkannter Flüchtling ist ihr die Erleichterung über das Ende ihrer bisherigen Odyssee anzumerken, aber viele Fragen bohren sich nun mit Nachdruck in ihren Kopf. Wie die neue Sprache lernen? Wie die Schule fertig machen? Wie überleben? Was sie jetzt gewonnen hat ist Sicherheit vor Verfolgung, was ihr aber fehlt ist ein Schulabschluss. Ein Freund erzählt ihr von BACH, einem Bildungsprojekt der Diakonie in Mödling. Yasmin geht wieder zur Schule, beginnt Deutsch zu lernen und macht die Hauptschule nach. Jährlich schaffen etwa 90% der jungen Teilnehmer_innen den Pflichtschulabschluss. Die Anmeldeliste bei BACH ist sehr lang. Nicht allen Jugendlichen, die ihren Abschluss machen wollen, kann ein Platz angeboten werden.