Erste Klasse Lebentun & lassen

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Als die Titanic den Eisberg rammte und sank, waren die Chancen für die Passagiere zu überleben sehr ungleich verteilt. Von den an Bord befindlichen 2200 Personen überlebten in etwa 700. Die Überlebenschancen richteten sich nach der Klassengrenze je nachdem welche Kabine man sich leisten konnte. Von 100 weiblichen Passagieren der ersten Klasse haben 90 überlebt, von den Frauen der dritten Klasse nur mehr die Hälfte. Von den Männern der zweiten und dritten Klasse haben 9 bzw. 14 von 100, von jenen der ersten Klasse immerhin noch 31 von 100 das Unglück überlebt.

Die Ungleichheit vor dem Tod ist nicht mit der Titanic versunken, sondern aktueller denn je. Ganz stark in den ärmeren Ländern der Welt, oder auch in den USA Stichwort Flut von New Orleans , aber auch im reichen Österreich.

Denn ähnlich verhält es sich auch bei uns mit der Lebenserwartung der Bevölkerung. Die Gesundheits- und Lebenschancen haben etwas mit dem sozialen Status der Menschen zu tun. Reiche leben zwischen 5 und 7 Jahre länger als Arme. Der Armutsbericht der Statistik Austria hat gerade aktuellste Daten veröffentlicht: Die Bevölkerung unter der Armutsgrenze weist einen dreimal schlechteren Gesundheitszustand auf (11 %) als hohe Einkommen (4 %).Und ist doppelt so oft krank wie mittlere Einkommen (7 %). So weit, so gar nicht neu. Dass diese Zusammenhänge hinlänglich bekannt sind, heißt aber leider noch lange nicht, dass etwas getan wird.

100.000 Menschen haben in Österreich keine Krankenversicherung, 20.000 Menschen in Sozialhilfe noch immer keine E-Card. Die Lücken im Krankenversicherungsschutz könnten durch die Einbindung bedürftiger Nichtversicherter über die Sozialhilfe geschlossen werden oder gleich durch einen generellen Krankenversicherungsschutz für alle. Da geht es um den Zugang zu Gesundheitsleistungen.

Das ist das eine; zur Gesundheit trägt es aber den kleineren Teil bei. Entgegen verbreiteter Vorstellungen spielen Medizin und Krankenversorgung bei höherer Lebenserwartung zwar eine unverzichtbare, aber untergeordnete Rolle: Maximal ein Drittel gehen auf das Konto der Medizin: bei Frauen, je nach Schätzung 2040 %, bei Männern 1030 %. Der Rest erklärt sich aus verbesserten Lebensverhältnissen, besserer Bildung, gewachsenen Handlungsspielräumen und durch diese Faktoren verstärkt gesundheitsgerechtes Verhalten. Die wichtigsten Ansatzpunkte zur Verbesserung der gesundheitlichen Lage liegen also außerhalb der Medizin. Wer mit Gesundheitsfragen von Armutsbetroffenen zu tun hat, sorgt sich beispielsweise um Beschäftigung, nicht-schimmelige Wohnungen, Bildung, Erholungsmöglichkeiten und eine Lösung der stressenden Existenzangst.

Die WHO hat sich zum Ziel gesetzt, jenes Erkrankungsrisiko, das von sozioökonomischen Bedingungen bestimmt wird, bis 2020 um 25 % zu verringern. In acht europäischen Staaten sind bereits größere Programme zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit angelaufen. Österreich ist da nicht dabei. Kein Wunder. Im Gesundheitsbericht des Ministeriums kommen sozioökonomische Analysen und Strategien nicht vor. In der Gesundheitsförderung gibt es bis jetzt keine Ziele zur Verringerung des höheren Krankheits- und Sterberisikos Ärmerer.

Wir haben keine Probleme auf der Titanic. Hört man aus der ersten Klasse.