Etikett Grundsicherungtun & lassen

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Grundeinkommen, Basislohn, bedarfsorientierte Grundsicherung, Sozialhilfereform; was verbirgt sich hinter diesen Begriffen? Grob gesagt vier Modelle:Das einfachste wäre eine Sozialhilfereform. Das bräuchte eine Korrektur der ausgewiesenen Mängel der Sozialhilfe wie die beschämenden Bedarfsprüfungen, mangelnde Krankenversicherung, undurchsichtige Richtsatzhöhen, falsche Anreizstrukturen in der Finanzierung, hohe Nichtinanspruchnahme, mangelnde Rechtssicherheit, die Armutsfalle „Regress“ oder die je nach Bundesland unterschiedlichen Regelungen. Dazu gibt es einen guten Modellentwurf von Sozialrechtler Walter Pfeil.

Aufpassen muss man auf falsche Etiketten: In Tirol haben sie das neue Sozialhilfegesetz einfach „Grundsicherung“ genannt, obwohl es darin ordentliche Verschlechterungen für die Betroffenen gegeben hat. Nicht was draufsteht, ist entscheidend, sondern was drinnen ist.

Das zweite Modell umfasst neben der Sozialhilfe auch die vorgelagerten Systeme der Notstandshilfe, des Arbeitslosengeldes, der Pension und der Krankenversicherung. Dieses Modell ist unter dem Namen „bedarfsorientierte Mindestsicherung“ bekannt geworden. Grundidee ist, Lücken im bestehenden System zu sockeln und mit Mindestsätzen zu ergänzen.

Voraussetzung für die Mindestsicherung sind Vermögensprüfung, Arbeitsmarktzugang und Haushaltsanrechnung. An diesen drei Schrauben entscheidet sich auch, ob die bedarfsorientierte Mindestsicherung eine Verbesserung oder eine Verschlechterung zur jetzigen Lage darstellt. Denn Bedarfsprüfungen können beschämen und neue Armutsfallen aufmachen. Hartz IV ist eine restriktive Spielart einer bedarfsorientierten Mindestsicherung. Eine Frau im Waldviertel mit zwei Kindern braucht ihr Auto, um die Kinder in den Kindergarten zu bringen und zur Arbeit zu fahren. Bei Hartz wurde das vorgelagerte System der Arbeitslosenversicherung in das noch schlechtere System der Sozialhilfe überführt. Das ist die große Gefahr auch bei der aktuellen Debatte. Was kommt am Schluss heraus? Wir wissen, dass in den Schubladen des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums eine Reform der Sozialhilfe bei gleichzeitiger Abschaffung der Notstandshilfe liegt. Das wäre dann ein österreichisches Mini-Hartz.

Eine bedarfsorientierte Mindestsicherung kann aber auch den umgekehrten Weg gehen, nämlich die Leistungen aller bestehenden Systeme grundrechtsorientiert und existenzsichernd gestalten, ohne sie weiter zu schwächen. Und es kann auf Vermögensanrechungen verzichtet bzw. Schonvermögen definiert werden. Weiters können Einschleifregelungen am Arbeitsmarkt Leute in prekären Jobs entlasten. Dieses Modell wurde von Sozialwissenschaftlern um Gerhard Bäcker (Deutschland) entwickelt, für Österreich durch die Studien Rosner/Dimmel/Talos/Wetzel adaptiert. Die Armutskonferenz hat dazu ein „Mindestsicherungs-ABC“ vorgelegt, in dem noch soziale Dienstleistungen und aktive Arbeitsmarktpolitik in die Mindestsicherung eingebaut werden.

Das dritte Modell ist das „Grundeinkommen im Sozialstaat“. Ein bedingungsloses Einkommen als soziales Grundrecht für alle. Die sozialen Sicherungssysteme (Sozialversicherung oder steuerfinanziert bei Gesundheit, Arbeitslosigkeit, Pension) bleiben bestehen. Auf das Grundeinkommen gibt es einen Rechtsanspruch unabhängig von sonstigen Einkommen, Arbeit oder Lebensweise. Dieses Modell ist in Österreich mit den Arbeiten der Katholischen Sozialakademie verbunden.

Als „Basislohn ohne Sozialstaat“ kann man das vierte Modell bezeichnen. Es ist ein voraussetzungsloses Einkommen für alle. Aber: Die sozialen Sicherungssysteme werden privatisiert. Die großen Lebensrisken werden nicht mehr solidarisch, sondern von jedem alleine getragen. Die öffentliche Hand zieht sich auch von sozialer Infrastruktur und Dienstleistungen zurück. Wer Geld hat, zahlt sich die gute Ausbildung und die gute Gesundheitsversorgung, wer kein Geld hat, dem bleibt die schlechte. Dieses Modell wurde vom „neoliberalen“ Ökonomen Friedrich A. Hayek vorgeschlagen.

Begriffe wie „Grundsicherung“ oder „Grundeinkommen“ allein sagen noch nicht viel aus. Nicht was draufsteht ist entscheidend, sondern was drinnen ist.

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