Fliegende Gummistiefeltun & lassen

Vor dem Finale des Ersten Wiener Bauerngolf-Cups

Bauerngolf_1.jpgWer sich seine Lebensmittel vom Bio-Bauernmarkt auf der Freyung holt, dem und der kommt ja vieles unter. Berge von bemalten Ostereiern ebenso wie haufenweise Kürbisse oder Burgen aus Strohballen. Aber tief fliegende Gummistiefel waren es bisher noch nie.

Für den jungen Mann im sportlichen Outfit hat die Welt rund um ihn vorübergehend ihre Bedeutung verloren. Konzentriert wiegt er einen quietschbunten Kindergummistiefel in seiner Hand. Holt Schwung und wirft ihn mit Eleganz. Mit einem fröhlichen Klong! trifft das Geschoss den Boden des umgestülpten Weitlings. Und rutscht ab, kommt auf dem Strohballen zu liegen, der als Unterlage dient. Frustriert schüttelt der Profi, der für den Wiener Cup trainiert, den Kopf. In den letzten zwanzig Minuten hat er es kein einziges Mal geschafft, dass der Stiefel auf dem Weitling liegen blieb. An einen Sonderpunkt wenn das Stieferl nämlich oben stehen bleibt wagt er gar nicht erst zu denken.

Die traditionelle Bauerngolf-Bahn hat sieben Stationen mit zunehmender Schwierigkeit. Unter dem Motto Stiefel Glück! mit einem Gummistiefel in die Scheibtruhe treffen, eine Gießkanne anschubsen, ein Holz vom Sockel schießen und vieles mehr gibt es zu tun. Nicht immer das Gleiche übrigens. Die Veranstalter verwenden vor Ort vorhandenes Material und variieren so den Spielverlauf.

Die Idee zum neuen Trendsport kam Herbert Floigl im Jahr 2000. Die TeilnehmerInnen eines WWOOF-Treffens (WWOOF = we are welcome on organic farms = arbeiten auf Bio-Bauernhöfen gegen Kost und Logis) hatten des Abends Lust, etwas zu spielen: Auf dem Bauernhof hat es Scheibtruhen und Gummistiefel gegeben. Also haben wir die Scheibtruhen als holes in der Gegend verteilt. Die Gummistiefel haben wir als Geschosse verwendet und sind damit von einer Station zur nächsten spaziert. Ursprünglich haben wir unser Spiel Bio-Bauern-Golf genannt. Den Namen mussten wir verkürzen, aber die Philosophie ist nach wie vor auf die Bio-Bauern zugeschnitten. Im Herbst 2002 wurde Bauerngolf im Rahmen des Hoffestes auf dem Biobauernhof Adamah mit einem Prominenten-Turnier der Öffentlichkeit vorgestellt.

Einfach, klar, unverdächtig

Was Bauerngolf können soll, ist für Herbert Floigl einfach zu erklären: Die Menschen sollen sich verstehen, miteinander kommunizieren, es lustig haben. Bauerngolf ist einfach, klar, unverdächtig. Da kann die Frau Dr. Dr. aus der Stadt mit dem Bauern und dem Behinderten spielen. Und wir wollen die Bio-Idee fördern. Das Spiel lässt mehrere Möglichkeiten offen, man kann es brutal egoistisch oder sozial spielen. Im Normalfall, so Floigl, nutzen die SpielerInnen die ganze Bandbreite aus. Nachsatz: Wir lernen viel von den Leuten.

Der Profi tritt zur Seite, um einem Ehepaar aus Deutschland Platz zu machen, das bereits die ersten fünf Stationen absolviert hat. Eigentlich wollte ja nur Josef spielen, aber schließlich wurde Renate auch überzeugt. Fast ist es ihr peinlich, dass sie höher punktet als ihr Mann. Auch den kleinen Quietschbunten landet sie da, wo er hin soll. Der Profi traut seinen Augen nicht.

Bauerngolf soll der ganzen Familie Spaß machen. Kinder wollen mit den Erwachsenen spielen, weiß Floigl. Während es früher eigene Kinderbahnen gab, dürfen die Kleinen jetzt bei den Großen mitspielen, aber aus geringerer Distanz werfen. Wenn die Kinder bei einem Festl Bauerngolf spielen wollen und die Eltern sagen nein, nein, ich nicht, ich schau nur zu! dann sagen wir immer: Das ist aber jetzt blöd, weil eigentlich ist das ein Familienspiel, da können die Kinder gar nicht allein spielen … und dann lächeln sie und machen mit.

Das Loch ist die Scheibtruhe

Seit neuestem können sich begeisterte Bauerngolfer abseits der traditionellen Bahn auch beim Zielwerfen profilieren: ein großer, schwerer Gummistiefel muss in einer Scheibtruhe landen (und auch drin bleiben), die bis zu 11 Meter entfernt ist. Dabei sind auch Preise zu holen. Erzählt Floigl: Geh, Papa, tua ma doch des Stofftier schiaßn … da haben sie wahrscheinlich schon 150 daheim, aber genau das hat dann der Papa geschossen …

Friedl P. trägt seinen Bio-Einkauf über die Freyung, schaut erst verblüfft den fliegenden Stiefeln zu und ist dann kurzentschlossen dabei. Von einer Station zur nächsten zieht er, fast ausnahmslos holt er Punkte. Auch mit dem bunten Kinderdings, das er klong! auf den Weitling plaziert. Neben ihm der Profi, fassungslos. Friedls Blick ist eindeutig: Wo, bitte, ist das Problem?

Mittlerweile werden die Bauerngolf-Veranstaltungen häufig von Stammgästen besucht. Immer öfter erzählen sie, dass sie zu Hause eigene Trainingsanlagen aufbauen. Mit Freunden oder bei Anlässen werde dann gespielt. Floigl hält das für eine gute Entwicklung die Idee soll kopiert werden. Im privaten Bereich wird zwar Bio nicht konkret gefördert, aber wenigstens nehmen sich Menschen Zeit füreinander, kommunizieren … und vielleicht wird sogar miteinander gekocht!

Schlussveranstaltung am Cobenzl

Offensichtlich war die Nachfrage größer als das Angebot. Deshalb entschloss man sich, heuer den Ersten Wiener Bauerngolf-Cup auszuloben. An sechs Spieltagen konnten Punkte gesammelt werden, die besten drei Ergebnisse wurden für die Cupwertung herangezogen. Gespielt wurde beim WienXtra-Sommerfest, auf dem Wienerberg und eben auf der Freyung; übrigens mit dem Norm-Gummistiefel, zwecks Fairness. Rund vierzig TeilnehmerInnen waren ernsthaft dabei, 16 kamen in die Endrunde. Die Schlussveranstaltung findet am 25. Oktober ab 15 Uhr auf dem Landgut Cobenzl statt. Dort können Interessierte bauerngolfen, abends findet die Siegerehrung des Wiener Cups statt.

Weil ja eines der Ziele ist, auf Bio-Produkte aufmerksam zu machen, kommen neben den obligaten Medaillen auch vier Geschenkkörbe mit Bio-Leckereien zur Vergabe. Drei für die SiegerInnen auf dem Stockerl, der vierte wird unter allen TeilnehmerInnen verlost.

Mittlerweile hat sich der Profi einen Trainer, einen der Organisatoren nämlich, zur Unterstützung geholt. Die beiden fachsimpeln, probieren unterschiedliche Haltungen und Würfe aus. Und endlich: Der Kindergummler bleibt klong! auf dem Weitling liegen. Der Profi strahlt. Und genießt die anerkennenden Blicke der Umstehenden, die nur darauf warten, es auch versuchen zu dürfen …

Über den Winter wird mit Bauerngolf grundsätzlich pausiert. Die Saisoneröffnung 2009 erfolgt am 19. April, wieder auf dem Landgut Cobenzl. Dort findet am Vortag auch ein Bauerngolf-Seminar statt, bei dem sich InteressentInnen mit Theorie und Praxis vertraut machen können. Als Praktikum werden sie die Bahn für den Sonntag aufbauen. Und ausgiebig testen Stiefel Glück!

INFO:

Bauerngolf-Verband

Sapphogasse 20/1

1100 Wien

Tel.: (01) 913 83 13

E-Mail: info@bauerngolf.at

www.bauerngolf.at

Wer schon jetzt für den nächsten Wiener Cup trainieren möchte, pilgert am besten zum Landgut Cobenzl, wo die erste fixe Bauerngolfbahn Wiens installiert wurde. Infos unter (01) 328 94 04-30 oder office@landgutcobenzl.at.