«Fühle mich verhöhnt!»tun & lassen

Wir beantworten Leser_innenpost zur Raiffeisen-Endlosserie

Vorerst einmal ein herzliches «Danke» für die vielen Reaktionen, die wir von den Augustin-Leser_innen bekommen! Fragen wie «Was wäre an der ÖVP anders, gäbe es Raiffeisen nicht?» oder «Hat die Raiffeisenbankengruppe wirklich an der Verstaatlichung der Kärntner Hypo Alpe Adria profitiert?» wollen wir hier gerne beantworten.Leserin Rosa Wolf aus Wien Margarethen schreibt: «Der Einfluss von Raiffeisen auf die ÖVP ist unübersehbar. Beispiele als Belege gibt es viele: Die Abgeordneten im Parlament mit gleichzeitiger Raiffeisenfunktion sind nur die sichtbarsten Zeichen. Was wäre an der ÖVP anders, gäbe es Raiffeisen nicht?»

Liebe Frau Wolf, wir wollen hier nicht spekulieren, was wäre, wenn, wir wissen auch nicht, ob die ÖVP ohne Raiffeisen das Porträt des Raiffeisenheiligen und Arbeitermörders Engelbert Dollfuß im ÖVP-Parlamentsklub nicht an der Wand hängen hätte. Worüber wir allerdings sicher sind: Beide Gruppen könnten nicht so agieren, wie sie es heute tun. Denken Sie an den regen Personaltausch zwischen ÖVP und Raiffeisen. Josef Pröll, erst VP-Minister, dann Vizekanzler und ÖVP-Obmann, ist der prominenteste Vertreter der Spezies ÖVP-Mandatar mit anschließender Raiffeisenkarriere. Er werkt heute bekanntlich als Vorstandssprecher der wichtigen Raiffeisenfirma Leipnik-Lundenburger. Es gäbe keine Debatten im Land über etwaige mögliche Vorleistungen, die nach derartigen Personaltauschmanövern regelmäßig auftauchen. Das Thema Primat der Politik gegenüber den Geschäftsleuten wäre anders beleuchtbar. ÖVP-Bauernbund und ÖVP-Wirtschaftsbund müssten sich wohl andere Finanziers suchen, und das Bild der kommunizierenden Gefäße, mit dem das Verhältnis Raiffeisen – ÖVP beschrieben werden kann, würde nicht mehr stimmen. Das und vieles mehr wären anders. Ob sich die Politik der ÖVP, beispielsweise eine Abwendung von der Rolle als Verteidigerin der Reichen und Superreichen, ändern würde, wäre ein Versuch wert. Und mindestens so interessant wäre es dann, die Position der Sozialdemokraten zu sehen, die bisher bequem mit der Ausrede unterwegs sind, die ÖVP verhindere eine gerechte Vermögenssteuerpolitik.

Leser Franz Stronsdorfer ärgert sich regelmäßig, wenn er auf die Abzüge auf seinem Lohnzettel schaut. Er weiß, ein Teil seiner Lohnsteuer fließt in die Bezahlung des Desasters, das Manager und Politiker mit der Hypo Alpe Adria in Klagenfurt angerichtet haben. Er schreibt: «Monatlich bezahle ich Lohnsteuer, und mit dem mir vorerst verbleibenden Geld bezahle ich Mehrwertsteuer auf alles, was ich kaufe. Das wäre ok, wenn diese Summen in Bildung, Gesundheit, Soziales, Infrastruktur, kurz in gemeinsame Projekte der Menschen fließen, die diesen Staat bilden. Tatsächlich werden mit dem von mir bezahlten Geld u. a. die Interessen der Bankenwelt finanziert. Völlig verhöhnt komme ich mir vor, wenn ich daran denke, dass darüber diskutiert wird, ob die Raiffeisenbankengruppe, also eine privaten Eigentümern zuzuordnende Bankengruppe, von der sogenannten ‹Notverstaatlichung› der Hypo Alpe Adria profitiert hat oder nicht.»

Lieber Herr Stronsdorfer! Auf jeden Fall haben wir Verständnis für Ihren Ärger mit dem Umstand, dass Steuergelder von den verantwortlichen politischen Entscheidungsträger_innen nicht im Sinne der Menschen in diesem Land verwendet werden! Und auch auf jeden Fall gilt hier Bertolt Brecht, wenn er sagt: «Ändere die Welt; sie braucht es.»

«Profitieren» ist ein weiter Begriff. Tatsache ist, dass andere österreichische Hypobanken in einem Haftungsverbund mit der Hypo Alpe Adria eingebunden waren. Die Eigentümer der anderen Hypobanken hätten selbstredend keine Freude gehabt, wenn der Haftungsfall eingetreten wäre. Unter den Eigentümern dieser anderen Hypobanken finden sich auch Raiffeiseninstitute. Mit der Übernahme der Hypo Alpe Adria durch die Republik Österreich ist die Möglichkeit einer Insolvenz des Institutes unter anderen Kriterien zu bewerten. Die Eigentümer der anderen Institute – unter ihnen wie erwähnt (federführend) Raiffeisen – waren jedenfalls über diese «Notverstaatlichung» höchst erfreut, haben die Aktion auch vehement argumentiert, und es ist der Deal in Milliardenvolumen für den/die Steuerzahler_in über Nacht gelungen. Finanzminister war damals übrigens Josef Pröll; siehe oben. Apropos Milliardendeal über Nacht: Können Sie sich daran erinnern, wie viele Jahre die Verhandlungen über die bedarfsorientierte Mindestsicherung gedauert haben? Für die Banken waren die Milliarden ruckzuck da. Betrachten Sie all diese Aspekte, und wenn Sie dann jemand fragt, ob Raiffeisen profitiert hat, dann antworten Sie mit Ja!