Gegen den Ausschluss der Gehörlosen aus der Kulturtun & lassen

Die sprechende Bewegung

Österreichweit gibt es 8000 bis 10.000 Gehörlose. Weitere 10.000 bis 15.000 Menschen sind so hochgradig schwerhörig, dass ihnen eine Verständigung mittels Hörhilfen nicht möglich ist. Ihre einzige Chance, mit ihrem Gegenüber zu kommunizieren, liegt in der Anwendung einer optischen Ausdruckform. Doch die Gebärdensprache ist in Österreich noch immer nicht anerkannt. In den letzten Jahren mehren sich Initiativen gegen einen Ausschluss der Gehörlosen aus der Kultur. Vom 6. bis zum 15. April findet im Theater des Augenblicks ein internationales Gehörlosentheaterfestival stattEntstanden ist die Gebärdensprache als Fingeralphabet im spanischen León, von wo sie sich weltweit mit nationalen und regionalen Ausprägungen verbreitete. Im Zuge der Streichung einer Gehörlosenbildung (seit 1779) im Jahr 1866, wurde auch die Gebärdensprache aus den Schulen genommen. 1880 kam es zum Verbot der Gebärdensprache, dessen Folgen noch heute zum Teil wirksam sind. Doch dank engagierter Lehrer, Schuldirektoren und Initiativen wurden in den letzten Jahren wieder vermehrt Augenmerk auf diese Kommunikationsform gesetzt.

In Relation zur Anzahl der Gehörlosen und deren Bedarf stellen ausgebildete Dolmetscher in diesem Bereich wahrlich eine Minderheit dar.

In Österreich gibt es so gut wie fast keine Behörden, die Gehörlosen zur Erledigung ihrer Amtswege Dolmetscher zur Verfügung stellen. Erst seit 1999! haben Gehörlose vor Gericht Rechtsanspruch auf einen bezahlten Gebärdensprache-Dolmetscher. Aber auch im Bildungsbereich herrscht diesbezüglich ein großes Defizit. Vom Vorurteil geprägt, dass Menschen, die sich durch „wildes Herumfuchteln“ verständigen oder gar unartikulierte Laute von sich geben, geistig behindert sein könnten, wurden ihnen von vorne herein der Zugang zu öffentlichen Bildungseinrichtungen erschwert oder gar verwehrt. Das Aus- und Weiterbildungsangebot für Gehörlose basiert hauptsächlich auf Eigeninitiative von meist ebenfalls gehörlosen Lehrkräften. Doch trotz dieser Hürden, versucht eine zunehmende Anzahl von Gehörlosen eine höhere Bildung zu erlangen. Als schwierig und kostspielig erweisen sich z.B. Prüfungssituationen an den Schulen und Universitäten, wo der gehörlose Schüler/Student dann einen fachkundigen Dolmetscher auftreiben und bezahlen muß.

Deshalb fordert die Generalsekretärin des Österreichischen Gehörlosenverbundes, Helene Jarmer, einen verstärkten Einsatz von Dolmetschern im Bildungswesen. „Da immer mehr Gehörlose maturieren und studieren, sind DolmetscherInnen mit Fachkompetenzen nötig, die wissenschaftlich arbeiten können.“ Das war auch mit ein Grund, dass im März 1998 der Österreichische Gebärdensprach-DolmetscherInnen Verband (ÖGSDV) mit Sitz in Wien gegründet wurde. Ziel des Verbands ist vor allem die Professionalisierung der Gebärdensprachdolmetscher. Das Grazer Institut für Übersetzer- und Dolmetschausbildung bietet seit 1990 in der Abteilung für Gebärdensprache und Gehörlosenkultur Lehrveranstaltungen zu diesem Thema an, mit dem Ziel eine professionelle Ausbildung zu ermöglichen und die Gebärdensprache in das Dolmetschstudium zu integrieren.

Wie in allen öffentlichen Bereichen besteht auch im Gesundheitssektor ein Mangel an Verständigung für Gehörlose. Als lobenswert zu erwähnen und als Vorbild anzusehen ist die 1993 erste errichtete Linzer Gehörlosenambulanz. Darauf folgte 1999 die Errichtung einer Gehörlosenambulanz im Landeskrankenhaus Salzburg und in Wien bei den Barmherzigen Brüdern.

Was die Unterhaltungsbranche betrifft, besteht ebenfalls ein großer Bedarf an einer Übersetzung für Gehörlose. So ist man der vehementen Forderung vieler Betroffener nach Gebärdendolmetschern oder Untertiteln zu allen Informationssendungen des ORF noch immer nicht nachgekommen. Norwegen, aber auch Dänemark sind Österreich auf diesem Gebiet schon wesentlich voraus. Alle Programme sind untertitelt und man arbeitet bereits an einem System für aktuelle (live) Sendungen. Dann könnten auch Shows, Diskussionsrunden usw. für gehörlose Menschen mitverfolgbar sein.

In den USA gibt es sogar Bemühungen, Kinofilme für Gehörlose zu untertiteln. Mit dem sogenannten „Rear Window Captioning System“ besteht die Möglichkeit individuell und an jedem Kinoplatz Acryl-Panelen einzurichten, die Untertiteln für den jeweiligen Besucher auf die Kinoleinwand reflektieren.

Solange die österreichische Gebärdensprache nicht als offizielle Sprache anerkannt ist, werden gehörlose Menschen massiv in ihren Grundrechten eingeschränkt. In den von der UNO im Dezember 1993 aufgestellten „Rahmenbedingungen für die Herstellung einer Chancengleichheit für Behinderte“ wurde das Recht für Gehörlose verankert, sich in ihrer nationalen Gebärdensprache auszudrücken. „Der entscheidendste integrationspolitische Schritt wäre zweifelslos die Anerkennung der Gebärdensprache als offizielle Minderheitensprache. Bei der gesetzlichen Anerkennung würden die Sonderrechte die größte Bedeutung haben. Es handelt sich hier dabei um die Rechte auf Gebrauch der eigenen Sprache auch im Verkehr mit Behörden, um Rechte auf dem Gebiet des Unterrichts- und Erziehungswesen und der Kultur“, so Frau Mag. Helene Jarmer.

Das 1998 in Kärnten gegründete Gehörlosentheater ARBOS (Gesellschaft für Musik und Theater) unter der künstlerischen Leitung von Herbert Gantschacher verwendet die Gebärdensprache als notwendiges Mittel zur Kommunikation für Gehörlose. Ziel ist die Darstellung, Verfeinerung und Überhöhung dieser als theatralisches Ausdrucksmittel. Die Gebärdensprache wird dabei zu einer eigenen Kunstform hochstilisiert, die auch die Hörenden „ansprechen“ soll. Die Theatertruppe legt großen Wert auf Professionalität, und kann u.a. auf die Zusammenarbeit vor zwei Jahren mit dem weltweit anerkannten gehörlosen Regisseur Howie Seago verweisen. Auch heuer findet vom 6. bis zum 15. April im Theater des Augenblicks ein Europäisches und Internationales ARBOS Gehörlosentheaterfestival statt. Das diesjähriges Motto der Veranstaltung läuft unter dem Titel „Die sprechende Bewegung Sprache in Raum und Zeit“, zu dem auch Künstler aus dem Ausland ihre Produktionenen präsentieren. So ist das schwedische Ensemble „Tyst Teater“ mit dem Brecht/Weill-Stück Das kleine Mahagonny vertreten. Parallel zum Festival vom 7. bis 9. April findet auch eine Gehörlosenkonferenz statt, um am Aufbau eines Europäischen Netzwerks von Gehörlosentheatern zu arbeiten.

So wie viele Minderheitenprojekte auf öffentliche Subventionen angewiesen sind, geht es ARBOS nicht anders. Zur Zeit kämpft die Gesellschaft für Musik und Theater um eine vom Land zugesagte, und dann vom Kärntner Landeshauptmann zurückbehaltene, Subvention in Höhe von 1,4 Millionen Schilling.

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