Gezahlt wird nicht!tun & lassen

Die Kleinbauern als Feigenblatt: Aspekte der Raiffeisendominanz (Teil 5)

Das große Geheimnis, weshalb Reiche immer reicher werden, besteht im einfachen Trick, dass sie vom Finanzministerium besonders steuerschonend behandelt werden. Das trifft insbesondere auf die Landes- und Zentralbanken der Raiffeisenorganisation zu, wie Hans Weiss im «Schwarzbuch Landwirtschaft – Die Machenschaften der Agrarpolitik» haarklein nachweist.Die Publikation von Weiss wäre keine schlechte Pflichtlektüre für die Kollegen von den aktuellen Medien, die durchwegs in der Hand von Privatunternehmern sind oder – wie der ORF – aus Parteizentralen gesteuert werden. Im «Schwarzbuch Landwirtschaft» zeigt ein wirklich unabhängiger Autor vor, worin substanzielle Recherche besteht und wo es in einem der wichtigsten Wirtschaftsektoren des Landes krankt.

In acht Kapiteln wird der Agrarsektor nach allen Regeln der Kunst tranchiert und werden seine Steuer-«Gene» zu Tage gefördert: Es ist die schier unauflösliche Verquickung von Großbauern und Großagrariern mit der Dreieinigkeit von ÖVP-Bauernbund, Landwirtschaftskammern und Raiffeisen, die dafür sorgt, dass die Landwirtschaft in Österreich eigenen Gesetzen gehorcht, die mit den im Parlament beschlossenen Rahmenbedingungen herzlich wenig zu tun haben. Begünstigt wird diese Ausnahmesituation durch die Tatsache, dass die «Strippenzieher» durchwegs aus der ÖVP stammen und da und dort aufgrund von Mehrfachfunktionen sich selbst beauftragen, wie das auch im 4. Teil dieser Serie dargestellt wurde.

Die Masse der Kleinbauern, die weiter dem ungebrochenen Bauernsterben (allein zwischen 1995 und 2007 betrug das Minus 21,8 Prozent oder pro Tag 12 Betriebsschließungen) ausgesetzt sind, dient bloß als Verschubmasse, um dafür zu sorgen, dass vor allem dort Tauben zufliegen, wo sich bereits welche aufhalten. Weiss schreibt, dass derzeit rund 160.000 Agrarbetriebe existieren; davon werden 100.000 im Nebenerwerb geführt.

Wörtlich heißt es weiter: «Jahr für Jahr zeigt sich, dass etwa vier Fünftel aller Subventionen der Raiffeisen-dominierten Lebensmittelindustrie, Agrarfabriken, Großbauern, Adeligen, Reichen und Agrarfunktionären zugute kommen. Ledigleich ein Fünftel gehr an die kleinen Bauern.» (S. 32) 2008 handelte es sich um den stolzen Betrag von 2,213 Milliarden Euro von der EU sowie von Bund und Ländern.

Wer hätte gedacht, dass Personen wie Dietrich Mateschitz (Red Bull), Ferdinand Piech (VW) oder Siegfried Wolf (früher Magna, jetzt in Russland aktiv) zehntausende Euro aus der Agrarförderung – zum Teil «zur Sicherung des Lebensunterhalts» – zufließen, ohne dass sie diese Transferzahlungen zurückweisen? Stark im Nehmen sind laut Weiss’ Dokumentation G’stopfte aller Art (darunter neben allen Raiffeisenfirmen Unternehmerfamilien wie Kahane, Rauch oder Rupp), nach dem alten römischen Prinzip: Geld stinkt nicht!

Drunter und drüber im «Feinkostladen»

Dem Autor gelingt es jede Menge von Ungereimtheiten in der gesamten heimischen Agrarpolitik dingfest zu machen. Das reicht von der Denaturierung der Produktion, geht über die Aneignung der Allmende (dem öffentlichen Eigentum in Landgemeinden) durch Agrargemeinschaften (in Tirol wurde ein Fünftel der Landesfläche auf diese Weise verschoben) oder der Monopolisierung der Zuckerproduktion durch Raiffeisen und endet bei der Tatsache, dass die meisten Gütesiegel für die Lebensmittelkennzeichnung eine Irreführung der Konsumenten darstellen.

Das heuer veröffentliche Buch beruht im Wesentlichen auf Zahlen aus dem Jahr 2008. Dennoch liefert es einen erstaunlich präzisen Beitrag zu einem Thema, das uns alle derzeit auf den Nägeln brennen sollte. Die Tatsache, dass den europäischen Staaten (samt Österreich) das Geld auszugehen scheint, weil sie die Banken und den Euro stabilisieren mussten und müssen. Deshalb wird massiv in die Sozial- und Bildungstöpfe gegriffen und die Forderung «Wir zahlen nicht für eure Krise» zu Makulatur. Weiss liefert insofern einen unschätzbar wertvollen Beitrag zu dieser Diskussion, als er nachweist, weshalb die Steuertöpfe leer sind.

Das ist der Fall, weil die großen Unternehmen im Allgemeinen und die Finanzinstitute im Besonderen fast keine Steuern mehr zahlen. Weiss schreibt unter Berufung auf die Arbeiterkammer: «Die Gewinne der 580 größten österreichischen Kapitalgesellschaften sind im Zeitraum 2005 bis 2007 um 38 Prozent gestiegen, und der Steuersatz ist von 21 auf siebzehn Prozent gefallen. Noch drastischer ist die Entwicklung bei den österreichischen Banken. Deren Gewinne sind im Durchschnitt um rund 24 Prozent gestiegen, und der Steuersatz ist um vier Prozent gefallen – auf ein Tief von nur noch sieben Prozent.» (S. 111)

Den Superlativ erreicht bzw. den Vogel abgeschossen hat in diesem Punkt laut Weiss die Raiffeisen-Organisation. Sie vereint eine ganze Reihe von Staatsmeistern im Wettbewerb der Steuerminimierer. Der Autor schreibt: «In den Jahren 2006 bis 2008 verbuchten alle österreichischen Landesbanken (ohne RZB und RI) zusammen Gewinnen in der Höhe von rund 19 Milliarden Euro. Dafür bezahlten sie Steuern in der Höhe von rund neunzehn Millionen Euro. Das ergibt einen Steuersatz von exakt einem Prozent.» (S. 109)

In dem Zusammenhang weist Weiss die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien als Champion der Steuervermeidung aus. Sie schaffte es in dem genannten Zeitrum bei einem Gewinn von 739 Millionen Euro keinen Groschen Steuer zu zahlen; vielmehr erhielt sie eine Gutschrift (Negativsteuer) über 21,6 Millionen Euro!

Unter diesen Umständen ist es weiter kein Wunder, dass der Staat am Hungertuch nagt und die Kleinbauern und die Mehrheit der Steuerzahler für Raiffeisen bluten müssen.

INFO

Hans Weiss: Schwarzbuch Landwirtschaft – Die Machenschaften der Agrarpolitik, Deuticke Verlag, Wien 2010, Preis: € 16,40