Hier wohnt ihr Geldtun & lassen

Wenn Maria Vassilakou wegen des Hochhaus-Projekts am Heumarkt in Kritik gerät, betont sie gerne, dass sie dafür kämpfe, Wiens Gründerzeitviertel vor Spekulation und Abriss zu schützen. Clemens Staudinger und Ulli Gladik beleuchten die Spekulation mit Wohnraum in Wien.

Illu: Much

Häuser werden «entmietet», saniert, Dachterrassenwohnungen kommen gewinnträchtig dazu, und die Erdgeschossflächen werden zu Minitiefgaragen umgebaut. «Hier wohnt ihr Geld» ist an den Baugerüsten zu lesen. Der Wiener Immobilienmarkt ist ein Investor_innenparadies. Gleichzeitig gibt es täglich circa sieben Delogierungen.

«Mit der schrittweisen Aushöhlung der Mieter_innenrechte in den letzten 20 bis 30 Jahren wurde die Entmietung von Gründerzeit-Häusern leicht und profitabel», kritisiert die Mieter_inneninitiative. Auch die Spekulation nimmt absurde Ausmaße an: Einige hundert neue Dachwohnungen erweisen sich mittlerweile als kaum verkäuflich. Auch Besserverdienende können sich die exorbitanten Preise für Eigentumswohnungen nicht leisten, die sich in den letzten Jahren teilweise verdreifacht haben. Diese Spekulationsspirale finanzieren jedoch vor allem jene, die weder an Wohnungskauf noch an Investment denken können: ganz normale, lohnabhängige Mieter_innen.

 

Lagezuschlag und Spekulationsspirale

Für Gebäude, die jünger als 70 Jahre sind, können Mieten ohne Limits verlangt werden. Für ältere Gebäude können Hausherren seit der Mietrechtsreform 1994 zusätzlich zum Richtwert auch einen Lagezuschlag einkassieren. Errechnet wird dieser an der Höhe der Immobilientransaktionen in dem Gebiet, in dem die Wohnung liegt. «Nach der Einführung im Jahr 1994 haben sich die Lagezuschläge bis 2010 wenig bis nicht verändert», schreibt Stadtforscher Justin Kadi auf urbanize.at. Und: «Seit 2010 ist der Anstieg aber in allen Kategorien klar ersichtlich. Die Lagezuschläge haben bereits jetzt die sozial-räumliche Spaltung der Stadt vorangetrieben. Ohne Reform des Mietrechts werden sie es in Zukunft auch weiter tun.»

Mietrecht ist Bundessache. Obwohl Grüne und AK immer wieder auf Reform drängen, tut sich gar nichts. Mit dem Regierungsprogramm 2013 sollten die rasant steigenden Mietkosten bekämpft werden, aber aus dem neuen Regierungsabkommen ist das Thema verschwunden. «Diese Spirale nach oben ist ein Geschenk an alle Immobilieninvestor_innen, die höhere Mieten verlangen dürfen, ohne irgendetwas am Wohnraum verbessert zu haben», kritisiert die Mieter_inneninitiative.

 

Abriss und Neubau

«Wer noch die letzten bescheidenen Mietbeschränkungen loswerden will, reißt ab und baut neu», kommentiert die Initiative das Geschehen am Immobilienmarkt. In der Brigittenau betrifft das aktuell ein Gründerzeithaus. Eigentümerin ist ein Tiroler Unternehmensgeflecht rund um Moser Wohnbau & Immobilien Gmbh, das «den Wiener Immobilienmarkt nun als wichtigen Expansionsmarkt definiert hat und hier mit langjährigen Kooperationspartnern ein Projekt realisiert», so die Selbstbeschreibung auf der Website.

Eine Anfrage im Büro Vassilakou zum Haus Denisgasse 1 wurde übrigens erst dann beantwortet, als das Haus auf Facebook thematisiert wurde. Die Vizebürgermeisterin lässt schreiben, das Haus liege außerhalb der Schutzzone, wonach der Abbruch bewilligungsfrei wäre. Dass man sich die Erweiterung der Schutzmechanismen zum Ziel gesetzt hat, wird ebenfalls versichert.

Nachbar_innen und Vertreter_innen der Bezirksvorstehung haben eine 4,5 Meter höhere Bebauung beeinsprucht. Der Akt gehe jetzt ins Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, sagt die Baubehörde. Jedenfalls steht das Haus seit einem Jahr leer. Das «Antispekulationspaket» der Grünen war entweder noch nicht geschnürt und/oder wirkungslos. Nicht zu funktionieren scheint auch das angekündigte «Frühwarnsystem» bei Entmietungen. Schade, dass keine Wahlen anstehen. Da wäre das grüne Engagement zu diesem Haus wohl etwas stärker ausgeprägt. In der Hetzgasse 8, wo ebenfalls ein Gründerzeithaus abgerissen werden sollte, sind die Grünen im Wien-Wahlkampf mit ihrem aufblasbaren Miethai aufgetreten. Planungsstadträtin Vassilakou leitete ein Eilverfahren ein. Ziel: eine Schutzzone für die Hetzgasse 8 und Umgebung. Der Rechtsstreit um das Haus ist noch nicht beendet.

PS: In der Printausgabe des Augustins haben wir fälschlicherweise behauptet, dass der Neubau von der Firma GEBÖS errichtet wird, wir entschuldigen uns für diesen Irrtum.