Hilfe, man kümmert sich um die Insel!tun & lassen

Rotgrün überlässt es den Blauen, zu Gauklern der Privatisierungsgegner zu werden

Gerald Loew (SPÖ), Wolfgang Friedrich (SPÖ), Sascha Kosteletzky (SPÖ), Harald Kopietz (SPÖ) u. a. haben einen monocholoren Donauinselvermarktungsverein gegründet – mit dem Segen der Umweltstadträtin und des grünen Regierungspartners, der nichts gegen die paar hunderttausend Tonnen künstlichen Schnees beim ersten Winterdonauinselfest einzuwenden hatte. Dem «Fridge»-Festival soll 2014 ein Monsterevent nach dem anderen folgen. Mit der fröhlichen Aneignung eines zentral gelegenen Naherholungsgrüns durch das Volk ist es vorbei. Das Volk scheint es sich gefallen zu lassen.

Einem privaten Event-Management mit allen Attributen einer SPÖ-Seilschaft überlässt also die öffentliche Hand ab sofort den zentralen Teil der Donauinsel. Das zur Staats- und Stadträson gewordene Konzept des Neoliberalismus knabbert die letzten «Allmenden», d. h. die letzten von der Allgemeinheit frei benutzbaren Zonen der Stadt an. Ausgerechnet die FPÖ, die – als sie von Schüssel in die Regierung genommen wurde – die Politik des «alles privatisieren!» am reinsten verkörperte, setzt sich derzeit als konsequenteste Gegnerin der Donauinsel-Privatisierung in Szene.

Unbekümmerte Insel

Die Sprache ist verräterisch. Als die Wiener Umweltstadträtin Ulli Sima im Gemeinderat die Auslieferung des Naherholungs-Grüns an das Event-Kapital verteidigte, führte sie die «geordneten Bahnen» im Munde. In diese gerate nun endlich das Veranstaltungswesen im Donauinselbereich zwischen Floridsdorfer Brücke und Schnellbahnbrücke. «In geordneten Bahnen» soll heißen, dass der neue Inselvermarktungsverein mit dem monströsen Titel «wien-ticket.at arena/festwiese donauinsel» (im Folgenden kurz «Festwiese» genannt) in diesem Teil für alles verantwortlich ist. Er bestimmt, wer hier Partys planen darf, ob Augustinverkäufer_innen ihre Zeitung vertreiben können – und wohl auch, ob Besucher_innen Puma-T-Shirts tragen dürfen, wenn ein Event von Adidas gesponsert wird. «In ungeordneten Bahnen», suggeriert Sima, verlief das selbstorganisierte Inselleben, als dort noch die Freiheit des L’art-pour-l’art-Spontanballesterns, der nichtkommerziellen Leibesübungen aller Genres, der unregulierten Winddrachenorgien und der ungebärdigen Frisbee-Leidenschaft herrschte.

«Endlich kümmert sich wer um die Donauinsel als Veranstaltungsort», zitierte Sima zustimmend eine positive Reaktion einer unbekannten Crew aus dem Eventbereich. Über dieses affirmierende Feedback kann die Stadträtin in der Tat froh sein, denn im Musikbetrieb und im Veranstaltungssektor wird die Schar der Bewunderer_innen der Projekte des «Festwiesen»-Vereins überschaubar bleiben: Der Neid der Mitbewerber_innen auf die neuen Donauinselmonopolmanager wird wie ein Nebel über den Wiesen der Ex-Allmende hängen. Es kümmert sich wer um die Insel? Es m u s s sich niemand kümmern um die Insel, keine obere Instanz. Wir kümmern uns selbst um sie, das ist das Gesetz des öffentlichen Raums.

Doch das Gesetz ist gebrochen. Es würde uns nicht wundern, wenn dort ein Häupl in der Ledernen im Herbst 2014 das größte und längste Oktoberfest der Galaxis eröffnen würde, vermutlich auf Kunstrasenteppichen, weil der natürliche Inselboden drei Wochen vorher unter den Schuhpaaren der drei Millionen Donauinselfestbesucher_innen sich in eine Wüste verwandelt hat.

Der Bund bleibt Eigentümer, der nichts zu sagen hat

«Wir haben wirklich sehr viele positive Zuschriften bekommen, ich könnte da jetzt noch stundenlang vorlesen», sagte die Umweltstadträtin in ihrer Rathausrede. Zum Glück blieb das Publikum auf den Galerien verschont von diesen unerquicklichen Stunden, auch deshalb, weil es seit der letzten Gemeinderatswahl grüne Hölzlwerfer_innen gibt, die Kollegas vom großen Koalitionspartner mit Zusatzredegründen versorgen. Konkretes Beispiel: Sima argumentierte gegen den Begriff «Privatisierung». Der Bund bleibe ja hundertprozentiger Eigentümer der Insel.

Das in vielerlei Hinsicht lehrreiche Gemeinderatsprotokoll dokumentiert die Anfragezeremonie des Gemeinderats Rüdiger Maresch vom grünen Rathausklub: «Sehr verehrte Frau Stadträtin! Man merkt, die FPÖ ist sozusagen im Wahlkampffieber. Es gibt also keine Privatisierung, wie es die FPÖ befürchtet, sondern nur einen Verein. Welchen Vorteil bringt der Verein für die Nutzer_innen und Veranstalter_innen der Donauinsel?»

Das klingt wie absichtlich aufgelegt für den Regierungspartner und unabsichtlich aufgelegt für besagte Partei im Wahlkampffieber. Wenn Tendenzen der Kommerzialisierung, der Eventisierung und der Privatisierung in der Stadtentwicklung von links nicht mehr kritisiert werden (und Gemeinderat Maresch sieht sich selbst links von der SPÖ angesiedelt), können sich Strache & Co. als die einzigen Antikapitalist_innen im Rathaus aufführen.

Wenn die Parteispenden offengelegt werden müssten, würden sich manche wundern, woher diese «Antikapitalisten» ihr Geld bekommen. Aber es ist gar nicht nötig, das zu wissen. Man könnte von links daran erinnern, wie viele öffentliche Unternehmen während der FPÖ-Regierungsbeteiligung an Private verscherbelt und wie viele tausend Arbeitsplätze dadurch vernichtet wurden. Man könnte die Rolle der Generalsekretärin des neoliberalen Hajek-Instituts, Barbara Kolm, als Wirtschaftsberaterin Straches durchleuchten. Der Präsident ihres Instituts ist Michael Prinz. Man könnte an die Beamtenstaatssekretärin Riess-Passer erinnern, die sofort nach der Wende 2000 den neoliberalen Angriff auf die Beamtenschaft startete und die «Abspeckung» des Staates forcierte. Man könnte auf die FPÖ-Bezirksratsfraktionen verweisen, die in ihren Bezirken die Errichtung von Obdachlosenasylen verhinderten oder an blaue Stadtpolitiker, die mithilfe eines generellen Bettelverbots «Bilder des Grauens» (© Johann Gudenus) zum Verschwinden bringen wollten.

Die Insel des Volks und der völkische Turbokapitalismus

Politische Beobachter_innen übersehen oft, dass die FPÖ als modernisierte rechte Partei einen ausgeprägten Rechtspopulismus, der eng nationalistisch daherkommt, mit Neoliberalismus vereinigen kann, der sich weltoffen und transnational gibt. «Der Rechtspopulismus schafft es hier durch seine Wortfahnen der sozialen Täuschung, Verteilungsfragen aus politischen Diskursen auszublenden», meint die Politologin Eva Kreisky, und sie bezeichnet diese Verbindung von Marktradikalismus und Rechtsradikalismus (mit Georg Seeßlen) als «völkischen Turbokapitalismus». Dass ein Bürgermeister Strache es sich nicht nehmen lassen hätte, das turbokapitalistischste Event ever, das Fridge Festival, auf der Rampe als braungebrannte Snowboardrampensau und als ski-city-jumpender Anti-Häupl, auf der Bühne als DJ-Highlight und im Riesen-Fridge-Zelt als Brandredner gegen die Spekulanten zu eröffnen, darf angenommen werden.