Im November feierte die ‚Gruft‘ ihre Wiedereröffnungtun & lassen

Schlafend sitzen, sitzend schlafen

Die neue Küche verstrahlt Nirosta-Glanz; der Asphaltboden ist durch einen PVC-Boden ersetzt worden, eine Unterlage, die den Fußbodenschläfern mehr Wärme vermittelt; neue Fließen machen den Vorraum einladender. Die „Gruft“ unter der Pfarrkirche von Mariahilf, Wiens „populärstes“ Obdachlosenzentrum, stellt sich rundumerneuert dar. Rechtzeitig vor der Winterkälte bietet sie wieder, rund um die Uhr, Schutz für bis zu 200 Obdachlose. Die Renovierung war durch private Spenden (etwa vom Rotary Club Wien/Oper) ermöglicht worden.Schon in der Nacht zum 11. November, dem Tag des Wiedereröffnungsfestes, zählten die „Gruft“-SozialarbeiterInnen 110 SchläferInnen. Rund 70 von ihnen haben sich um 22 Uhr in eine Reihe gestellt, um bei der allabendlichen Matten-Ausgabe nicht zu kurz zu kommen. Alle wollen ohnehin nicht auf der Matte schlafen. Sie ziehen es vor, die Nacht sitzend, in sich gekauert, zu verbringen. Schon bei 110 BesucherInnen drängt sich der Sardinendosenvergleich auf, und man kann sich kaum vorstellen, dass die Dose in der Spitzenbelastungszeit – rund um den Heiligen Abend – um einiges gefüllter ist.

So beengt die Verhältnisse hier sind, so erleichtert sind die „Gruftler“, weil sie das Provisorium während der Umbauzeit hinter sich haben. In dieser Zeit diente der nahegelegene Pfarrsaal als Aufenthalts- und Nächtigungsraum.

Die „Gruft“ präsentiert sich in neuem Gesicht, die Zielsetzung der sozialen Arbeit ist die gleiche geblieben. „Gruft“-Leiter Charly Gölles und sein Team (vier diplomierte SozialarbeiterInnen, neun SozialbetreuerInnen, drei Zivildiener, PraktikantInnen und ehrenamtliche MitarbeiterInnen) können hier eine Reihe von Grundbedürfnissen gestrandeter Menschen abdecken: Morgens, mittags und abends gibt’s warmes Essen, bei Bedarf neue Kleidung; die Betroffenen können sich hier duschen, es stehen ihnen Spinds zur Aufbewahrung ihrer persönlichen Gegenstände zur Verfügung.

Die medizinische Versorgung ist organisiert, und wöchentlich erscheinen FriseurInnen in der „Gruft“, um sich den Haaren jener zu widmen, die in den Hairsalons wohl unerwünschte Kunden wären. Die Obdachlosen können in der „Gruft“ beliebig lang anonym bleiben – eines der Grundprinzipien des „Gruft“-Konzepts und aus der Sicht der Betroffenen ein Stückchen Freiheit in einer Umwelt, in der sonst alles nach Registrieren schreit.

Wer seine Schulden in den Griff kriegen, eine Alkoholtherapie wagen oder irgendwie wieder zu einer Wohnung kommen will, kann sich ebenfalls an die „Gruft“-SozialarbeiterInnen wenden. Diese betreuen nicht nur die „Gruft“-Kundschaft, sondern suchen – als Nachtstreetworker – dreimal wöchentlich die bekannten „Sandlertreffs“ des Großstadtdschungels auf.

Die „Gruft“ ist 13 Jahre alt, hat allerdings einige Metamorphosen hinter sich gebracht. Zunächst war sie nur eine Teestube für Obdachlose – als solche wurde sie im Dezember 1986 eröffnet. 1987 weitete die katholische „Vinzenzgemeinschaft Mariahilf“ diese Teestube zu einem Tageszentrum aus. Der 24-Stunden-Betrieb – und damit das Nächtigungsangebot – wurde 1994 eingeführt. Seit Juli 1996 ist die Caritas Trägerorganisation der „Gruft“

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