„Kavaliersdelikt“ Foltertun & lassen

Augustin beobachtet die Justiz (3): Die WEGA. Ein Gespräch mit Bakarys Rechtsanwalt

Der Richter im Bakary-Prozess habe die wahre Dimension dieses Falles nicht wirklich gesehen, meint Bakary-Anwalt Josef Philip Bischof im Augustin-Gespräch. Mit „ein bisserl Frustabladen“ der Beamten sei gar nichts erklärt. Bischof: „Stellen Sie sich vor, jeder, der ein bisserl frustriert ist, verschafft sich Luft mit Folter – „Na dann gute Nacht!“ Wäre ich Richter in diesem Verfahren gewesen, hätte der Verhandlungsverlauf anders ausgesehen.Herr Bakary J. ist mit einer Österreicherin verheiratet. Aber er hatte auch eine zweijährige Strafe wegen Drogenbesitzes zu verbüßen. Danach kam er in Schubhaft. Eines Tages tauchten WEGA-Beamte auf und brachten ihn – ohne dass er sich von seiner Familie hätte verabschieden können – zum Flughafen, um ihn in seine Heimat zurückzutransportieren. Er machte dem Flugpersonal klar, dass die Abschiebung gegen seinen Willen passiere. Der Kapitän weigerte sich daraufhin, ihn mitzunehmen. Die WEGA-Beamten brachten Bakary J. in eine Halle, verprügelten ihn, drohten ihm, dass er nun sterben werde, fuhren ihn mit einem Auto an, hielten ihm eine Granate unter die Nase usw. Ein Unterstandsloser fühlte sich in seiner „Wohnung“ durch die Schmerzensschreie gestört und wurde so indirekt Zeuge dieser Foltern. Vor Gericht fassten nun die Beamten geringe bedingte Strafen aus und entfachten damit eine Diskussion über die Privilegien von prügelnder Polizei.

Geradezu sensationell war, dass in Österreich Polizeibeamte der WEGA von einem Gericht wegen körperlicher Misshandlung von Bakary J. in drei Fällen zu 8 Monaten, in einem Fall zu 6 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt wurden. Diese Tat, die als Folter eingestuft werden kann, wurde jedoch durch das milde Strafausmaß wie ein „Kavaliersdelikt“ geahndet.



Rechtsanwalt J. P. Bischof: Ich sehe das Verfahren und das Urteil ambivalent. Positiv ist, dass aufgrund ordentlicher Ermittlungen die Beschuldigten völlig zu Recht verurteilt wurden. Negativ ist die Höhe der verhängten Strafen. Aus generalpräventiven Gründen bekommt z. B. ein bislang unbescholtener Afrikaner – also Ersttäter -, der ein Kugerl Kokain/Heroin verkauft, auch wenn er geständig ist, zumindest eine teilbedingte Strafe und muss einige Zeit ins Gefängnis. Die WEGA-Beamten haben laut Urteil meinen Mandanten körperliche und seelische Qualen zugefügt, indem sie ihm wiederholt und intensiv androhten, ihn umzubringen und ihn dadurch in Todesangst versetzten. Sie schleiften ihn in gefesseltem Zustand in der Lagerhalle umher, versetzten ihm zahlreiche Faustschläge und Fußtritte und fuhren ihn mit einem Polizeifahrzeug von hinten vorsätzlich an. Die Tat hatte sowohl körperlich als auch seelisch schwere Folgen: komplexes Bruchsystem im Bereich der oberen Gesichtshälfte, die das Stirnbein, die Augenhöhle und das rechte Jochbein umfasste, eine Prellung der rechten Stirnhälfte mit Hautabschürfung, eine Schwellung des Ober- und Unterlides des rechten Auges, eine Zerrung der Halswirbelsäule, eine Prellung der linken Schulter, Prellungen beider Hüften, ein Hämatom am linken Oberarm, eine Schürfung am linken Ellbogen und eine posttraumatische Belastungsstörung. Bei der Schwere der Verletzungen und der menschenverachtenden Vorgangsweise und Brutalität der Beamten quasi beide Hühneraugen zuzudrücken ist für mich schlicht unverständlich!

Nach dem Urteil haben sich viele Beobachter gefragt, weshalb Sie als Vertreter von Herrn Bakary J. gegen das Urteil nicht in Berufung gegangen sind?



Der Staatsanwalt hätte in Berufung gehen müssen. Als Privatbeteiligtenvertreter habe ich keine Möglichkeit, gegen die Strafhöhe zu berufen.

Alles spricht für einen Deal im Vorfeld. Sie hatten 6000 Euro gefordert, der Richter begnügte sich mit 3.000 Euro. Auch das haben Sie hingenommen.

Die 6000 Euro waren ein vorläufiger Schmerzengeldbetrag aufgrund des Gutachtens. Warum der Richter nur 3000 Euro zugesprochen hat, ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Verurteilung und der teilweise Zuspruch waren aber ohnedies nur ein erster Schritt der Schadensgutmachung. Die weiteren Ansprüche werden natürlich Gegenstand eines weiteren, allerdings zivilrechtlichen Verfahrens.

Erstaunlich war, dass die vier Beamten das Verfahren mit einem Geständnis eröffnet haben. Anfangs wirkten sie auch reumütig. Doch mit Dauer der Verhandlung entstand der Eindruck, dass es im Vorfeld einen „Deal“ gab, dass die Beweislast erdrückend war und die Männer nur das gestanden, was ohne Zweifel bewiesen werden konnte.



Das ist richtig. Eine Verurteilung wäre aufgrund der erdrückenden Beweislage, die die Aussage meines Mandanten voll bestätigte, auch ohne Geständnis sehr wahrscheinlich gewesen. Bei der Sachlage nicht geständig zu sein, wäre schon abenteuerlich gewesen. Für ihr halbherziges Geständnis wurden sie unverhältnismäßig großzügig belohnt. Bei einer Verurteilung über 12 Monaten wären sie ihre Arbeit jetzt automatisch los.

Herr Bakary J. wurde sehr genau in Detailfragen einvernommen. Die Beamten antworteten kurz, geradezu flapsig. Die Foltern wurden wesentlich oberflächlicher abgehandelt, als die Frage, was genau Bakary J. beim Betreten des Flugzeuges gesagt hat.



Richter, Staats- und Rechtsanwälte kennen im Gegensatz zu Außenstehenden den Akt bereits zu Beginn der Verhandlung sehr genau. Mein Mandant und auch die beschuldigten Beamten wurden im Vorverfahren mehrfach und ausführlichst befragt. Das überraschende Geständnis der Beamten hat natürlich zu einer Verkürzung des Verfahrens geführt, weil der vorgeworfene Sachverhalt im Wesentlichen zugestanden wurde. Ich selbst habe mir zahlreiche Fragen, die sich aus den zahlreichen Widersprüchlichkeiten der Aussagen der Beamten vor Prozessbeginn ergaben, vorbereitet. Meine Aufgabe als Anwalt von Bakary J. war jedoch, auf eine Verurteilung der Beamten im Sinn des Strafantrages hinzuwirken. Die Rolle des Richters war es, amtswegig die Wahrheit zu erforschen. Ich glaube, der Richter hat die wahre Dimension dieses Falles nicht wirklich gesehen, mit ein „bisserl Frustabladen“ der Beamten ist für mich gar nichts erklärt. Stellen Sie sich vor, jeder, der ein bisserl frustriert ist, verschafft sich Luft mit Folter – na dann gute Nacht! Wäre ich Richter in diesem Verfahren gewesen, hätte der Verhandlungsverlauf sicher ganz anders ausgesehen.

Der Generalsekretär der österreichischen Sektion von amnesty international kritisierte, dass amnesty international 15 Jahre lang gegen solche Urteile in der Türkei kämpfte.



Tja, die Türkei scheint uns in Menschenrechtsangelegenheiten um einiges voraus zu sein. Anderes als Zynismus fällt mir dazu jetzt leider nicht ein.

Es gibt seit Monaten den Eindruck, dass “ aufgrund der parteipolitischen Umstrukturierungen innerhalb des Polizeiapparates “ dort die Hackeln in alle Richtungen fliegen.



Das ist offenkundig. Pikante Polizeiinterna, die da in die Öffentlichkeit gelangen, sind wohl nicht geeignet, das Vertrauen in die Exekutive zu stärken. Statt vertrauensbildender Maßnahmen sieht sich jedoch die Frau Innenministerin nicht einmal veranlasst, sich öffentlich bei einem Opfer von Polizeifolter mit schweren Folgen zu entschuldigen.

Und wie sieht die Zukunft des Herrn Bakary J. aus?



Seine Zukunft ist ungewiss. Zunächst gilt es einmal, die schweren psychischen Folgen der Tat, das posttraumatische Belastungstrauma in den Griff zu bekommen. Er braucht jetzt Ruhe und seine Familie.

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