Kein Justizirrtumtun & lassen

Billa & Polizei zerschlagen Knacker-Mafia

Habsburli, der blaublütige Jongleur karitativer Spendengelder (NEWS zufolge sollen mindestens 1,1 Millionen Schilling von „World Vision“ an Karl H.’s Paneuropa-Bewegung geflossen sein), wird deswegen wohl keine Stunde hinter Gittern verbringen. Denn das Platzangebot in Österreichs Gefängnissen ist für andere bestimmt. Für Leute wie Günter H. zum Beispiel (vollständiger Name der Redaktion bekannt), den 36jährigen Obdachlosen. Seit zwölf Jahren lebt er auf der Straße, und dieses Leben hat ihn gezeichnet. Drei Zehen seines linken Fußes sind abgefroren. Vom Sozialamt bekommt Günter monatlich eine Aushilfe von 4945 Schilling (Sozialhilfe-Richtsatz). Ein teuflisch kalkulierter Betrag: Wie wenn ein Bürokrat exakt jene Summe ausgerechnet hätte, die „zum Sterben zuviel und zum Leben zuwenig“ ist. Für Günter sind in einem Obdachlosen-Tageszentrum immerhin täglich Wärme und Essen bereit.Neulich ist Günter H. zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen verurteilt worden. Er habe (siehe auch Faksimile) „am 15. 3. 1998 in Wien 2, Praterstern, Fa. Billa zur Befriedigung seines Gelüstes versucht, sich eine Sache geringen Wertes, nämlich eine Packung Knackerwurst (sic!) im Wert von S 27,10 zuzueignen, indem er sie in seiner Jackentasche verbarg und die Kassa passierte ohne zu zahlen, wobei er jedoch beobachtet und betreten wurde.“ Weil Günters Monatsbudget die Bezahlung von 2600 Schilling – die Summe aus Geldstrafe und Strafverfahrenskosten – natürlich nicht zuläßt, heißt es für ihn: ein Monat hinter Gittern!

Derlei „rechts“staatliche Attacken gegen die Habenichtse der Stadt nach Bagatell-Delikten sind derart „selbstverständlich“ und üblich, daß Betroffene wie SozialarbeiterInnen in der Regel wenig Aufhebens darum machen (etwa in Form einer Notiz für den AUGUSTIN). Das Bemerkenswerteste in unserem „Fall Knackerwurst“ ist, daß Täter Günter H. – „wohnhaft in o. U.“, wie es in der Strafverfügung heißt – gleich die Maximalstrafe ausfaßte; im § 141 StGB heißt es nämlich, „wer aus Not, aus Unbesonnenheit oder zur Befriedigung eines Gelüstes eine Sache geringen Wertes einem anderen entzieht“, der sei mit einer Freiheitsstrafe „bis zu einem Monat“ zu bestrafen (siehe Faksimile).

Kleiner Exkurs nach Frankreich: Im Zuge des Erwerbslosenaufstandes im vergangenen Winter kam es zu Beschlagnahmungsaktionen: Wir nennen das die Taktik der Requisition. Eine Gruppe von Arbeitslosen „besucht“ eine Großkaufhalle. Aber wir gehen nicht einfach her unf füllen die Einkaufswagen voll, sondern wir sprechen vorher mit dem Direktor. Dabei sind wir so geschickt, daß dieser meistens nicht nein sagen kann, zumal wir auch immer wieder die Presse mit dabei haben, die wir über solche Aktionen informieren. Diese Requisitionsunternehmungen veranstalten wir in der Regel nur zur Weihnachtszeit – da haben wir die Bevölkerung nicht gegen uns. (aus einem Interview mit Lara Winter von der französischen Erwerbslosenorganisation AC!, AUGUSTIN Nr. 29, Mai 98). Tatsächlich berichteten viele deutsche und österreichische Zeitungen verwundert, daß „normale“ Supermarktkunden solche Beschlagnahmungen durch arme Leute legitim hielten und manchmal sogar solidarischen Beifall bekundeten.

Kleiner Exkurs in die Zukunft: Günther H., ein 46 Jahre alter Obdachloser, der seit 22 Jahren auf der Straße lebt, wird in einem Wiener Supermarkt beim versuchten Entwenden einer Knackwurst ertappt. Als das Strafausmaß bekannt wird – 30 Tage Gefängnis -, kommt es zu sozialen Unruhen in der Stadt.Aus so gut wie allen Supermärkten der Billa-Kette wird gemeldet, daß Kunden sich demonstrativ über die Knackwurstvorräte hermachen und sie, ohne zu zahlen, an den Kassen vorbeitragen, zumeist unter dem Beifall der Kassadamen. Die beschlagnahmte Ware wird bei den Obdachlosen-Tageszentren, in der Gruft und im AUGUSTIN-Vertriebsbüro abgeliefert.

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