Kein Raum mehrtun & lassen

eingSCHENKt

Wer die Fußball-Weltmeisterschaft gesehen hat, hat bemerkt: Die Räume werden eng. Tag für Tag und Match für Match haben die Netzwerkanalytiker_innen um den Soziologen Harald Katzmair den Spielverlauf verfolgt, die Passwege dokumentiert und die Spielkombinationen ausgewertet. «Was wir beobachten konnten, war eine generelle Versiegelung des Raums», sagt er. Über neunzig Minuten wurde alles so gründlich zugestellt, dass ein kreatives Kombinieren kaum mehr möglich war.Die Basis dafür bildete eine sichtbare Aufrüstung der Körper. Bis vor wenigen Jahren schienen austrainierte Oberkörper unter Fußballern eher Ausdruck persönlicher Eitelkeit zu sein, jetzt sind sie Bestandteil der Spielausstattung. Diese Renaissance des Heldenkörpers rückt den Spielmacher als Impulsgeber in den Hintergrund. Wir haben eine in manchen Phasen äußerst brutale WM erlebt. Die Körper prallten «wie Projektile aufeinander» (Katzmair). Der Heldenkörper verstellt und bemächtigt sich am Fußballplatz des Raumes.

Und auf der Straße ist auch was los. Da machen große Geländewagen den Raum dicht. Diese «Sportnutzfahrzeuge», kurz SUVs, werden mehr und mehr. Sie sind Geländewagen ohne Gelände, erhöhte Straßenkreuzer im umkämpften Verkehrsalltag. Ein Zusammenstoß mit den großspurigen Gefährten wird jedenfalls nicht gut für den «Gegner» ausgehen. Der/Die typische SUV-Fahrer_in ist etwas älter und verfügt über ein deutlich höheres Einkommen als der Durchschnitt. Die Ausbreitung von Geländewagen gerade dort, wo gar kein Gelände ist, setzt ein Zeichen. Diejenigen hinterm Lenkrad können für sich fantasieren: Ich könnte da jetzt ausbrechen aus dieser Straße, wenn ich es wollte. Ich bin nicht von dieser schnöden Straßenwelt. Der SUV ist ein Abstandhalter zwischen sich und der Welt da draußen, er sorgt für Abstand zwischen unten und oben. Ein Auto bemächtigt sich des Raumes und signalisiert soziale Distanz.

Beide Beobachtungen sagen: Es wird ungemütlicher, autoritärer, mit weniger Luft und weniger Raum. Aber ausgemacht ist nichts. Die Kräfte, die den Raum besetzen und den Status quo beherrschen, sind nicht automatisch stärker gegenüber jenen Kräften, die sich auf die Suche nach dem Neuen und den offenen Räumen machen. Auch wenn es gerade für kreative Spielgestalter_innen und kooperative Impulsgebende nicht so gut auszusehen scheint. Diese Taktiken des zugestellten Raumes bei gleichzeitiger sozialer Distanz haben einen erheblichen Nachteil: Wir fühlen uns von der Welt und anderen Menschen getrennt. Eines ist immer möglich. Nämlich sich zusammenzutun und etwas zu wagen. Wann, wenn nicht jetzt? Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als Freiräume zu nützen und etwas auszuprobieren.