Kurs-Trägerverein plant Klagetun & lassen

AMS schloss Sprachkurs für Migrantinnen wegen "Substandard"

Deutschkurs.jpgDas siebente Jahr seiner Existenz ist das schwärzeste Jahre des Vereins Zentrum Döbling. Dabei hatte das sechste Jahr so vielversprechend geendet: Im Dezember 2007 war das AMS an den auf Fremdsprachenvermittlung spezialisierten Verein herangetreten, ob er nicht als Partner für seine Integrationsinitiative Deutsch 08 zu Verfügung stünde. Zentrum Döbling stand zur Verfügung: Schon am 14. Jänner 2008 startete, im Auftrag des AMS, ein Deutschkurs für mehr als hundert Migrantinnen. Doch genau ein Monat später erklärte der Auftraggeber den Kurs für beendet. Wir haben keine andere Wahl als eine Klage gegen das Arbeitsmarktservice, sagte Zentrum Döbling-Mitarbeiterin Constanze Millwisch dem Augustin.

Elf entsprechend ausgebildete DeutschlehrerInnen sollten über einen Zeitraum von vier Monaten hinweg zehn Deutschkurse für mindestens 100 Migrantinnen abhalten das war der Inhalt des Vertrags, und darauf war der Verein Zentrum Döbling vorbereitet. Dem AMS war die Kompetenz des Vereins als Erwachsenenbildungseinrichtung und als Nachbarschaftszentrum durchaus bekannt, andernfalls wäre es nicht zu dem Vertrag gekommen. Die Stornierung des Vertrags kam überfallsartig, praktisch ohne Vorwarnung, wie die betroffenen TrainerInnen erklären. Die Folgen für den verstoßenen Auftragnehmer: Die 15.000 Euro, die vom AMS Ende Februar überwiesen wurden, decken nicht die Ausgaben des Vereins und verstoßen gegen die Vereinbarung, dass bei Kursbeginn 30.000 Euro vom AMS auf das Vereinskonto zu überweisen sind.

Storno ohne Vorwarnung? In der zweiten Woche kam ein Kontrollteam vom AMS, um nach dem Rechten zu sehen, und in der fünften Woche hatten wir abermals Besuch, erzählt Constanze Millwisch. Die beiden Kontrollteams hätten nichts beanstandet. Umso überraschter waren die Vereinsaktivistinnen über die Begründung des Kursabbruchs: Räumliche und technische Mängel, stand im Kündigungsfax. Die Kursteilnehmerinnen müssten den Deutschunterricht in Hernals fortsetzen, andernfalls würde ihnen das Arbeitslosengeld gestrichen. Viele von ihnen, die zu uns nur wenige Minuten brauchten, haben jetzt einen halbstündigen Weg zum Ersatzsprachkurs, so Millwisch.

Kein journalistischer Status

Als nicht behebbare infrastrukturelle Mängel, so erfuhr die Vereinsleitung schließlich auf Nachfrage, wurden die Lage des Klos, die Benutzung eines Durchgangszimmers als Kursraum oder die Ersetzung einer Türe durch einen Vorhang bezeichnet, wie auch schon in einigen Medien zu lesen war. Die Härte der Sanktion anlässlich dieses Sündenregisters scheint eine sonderbare bürokratische Kleinlichkeit auszudrücken angesichts der Tatsache, dass die betroffenen Kursteilnehmerinnen sehr zufrieden mit dem Angebot waren (und deswegen auch Protestbriefe verfassten und eine Demo zum AMS veranstalteten) und dass das Arbeitsmarktservice Jobsuchende massenhaft an Firmen vermittelt, die unbeanstandet von AMS-Kontrollteams rechtliche Standards verletzen.

Ermuntert vom Augustin, wollte Constanze Millwisch einen Artikel zur Abwürgung des Deutschkurses verfassen, der als Hilfe zur Eingliederung der Kursteilnehmerinnen in den Arbeitsmarkt konzipiert war. Sie müsse dafür freilich auch eine offizielle Stellungnahme des AMS Wien einholen, so lautete der Auftrag des Augustin. Die Stellungnahme fiel anders als von Millwisch erwartet, aber im Sinn des herrschenden Verständnisses redaktioneller Arbeit durchaus logisch aus: Da Sie offensichtlich eine Funktion in diesem Verein bekleiden, kann ich nicht von einem journalistischen Status Ihrerseits ausgehen (…) Aus diesem Grund sehe ich mich als Pressesprecher des AMS Wien nicht in der Lage, Ihnen im angezogenen Fall Auskünfte zu erteilen, hieß es im Antwortschreiben von Hans-Paul Nosko.

Bei allem Verständnis für die Parteilichkeit des Journalismus, die den Augustin auszeichnet, den er Ausgabe für Ausgabe vor sich auf dem Tisch liegen habe: Der Augustinredaktion selbst bescheinigte der Pressesprecher des AMS Wien jenes Mindestmaß an Unvoreingenommenheit, das zum journalistischen Handwerk gehöre, und so sei er ihr gegenüber zu einer Stellungnahme bereit.

Und die lautet? Haben Sie schon die Kursräume des Zentrums Döbling gesehen? Nein? Dann haben Sie meinen Erfahrungsstand. Aber unsere Kontrollore berichteten uns, dass die Zustände dort nicht vertretbar waren. Und warum hat man das nicht schon vor der Vertragsunterzeichnung feststellen können? Das Arbeitsmarktservice kann davon ausgehen, dass Organisationen, die mit ihm kooperieren, sich an die internationalen Standards halten, was die Infrastruktur betrifft, so Hans-Paul Nosko.

Dürfen die Kundinnen und Kunden des Arbeitsmarktservices nun die Hoffnung wagen, vom erniedrigenden Bewerbungszwang befreit zu werden, wenn die angebotenen Arbeitsplätze internationalen Standards widersprechen? Ist ab sofort nur mehr das Beste gut genug für die vom AMS Betreuten?