Lebensmittel für Obdachlosetun & lassen

Spenden, die im Magen liegen?

Die Stimmung ist gut auf dem Vorplatz des Wiener Unternehmens. Trotz der Eiseskälte sind viele Mitarbeiter zum Weihnachtspunsch gekommen, den das Unternehmen sponsert. Speisen und Getränke werden verkauft, der Reinerlös kommt karitativen Zwecken zugute. Am Ende der Veranstaltung bleiben immer noch Brote und Krapfen übrig. „Auch gut“, denkt einer der Mitarbeiter, „da sollen andere noch was davon haben.“ Er lädt alles ins Auto und übergibt die Lebensmittel einer Einrichtung, die Obdachlose unterstützt.Und ahnt nicht, daß er damit „mit einem Fuß im Kriminal steht“, wie der Leiter einer Event Marketing-Firma es markig ausdrückt. Denn Lebensmittelspenden können zum Bumerang für ein Unternehmen werden.

Im Prinzip kann nämlich einiges passieren. Anders als im konkreten obigen Fall werden manchmal Reste von Buffets gespendet, die in einem zimmerwarmen Raum aufgestellt waren. Das bedeutet, daß viele Menschen mit den Speisen in Kontakt kamen, die Speisen zu großer Wärme oder auch Keimen ausgesetzt waren oder daß die erforderliche Kühl- bzw. Wärmekette unterbrochen war. Damit könnten die Lebensmittel wertgemindert, wenn nicht sogar gesundheitsschädlich sein.

„Aber die Gäste der Veranstaltung hätten dieselben Dinge ja auch noch gegessen!“ denkt der optimistische Spender. Stimmt. Bei einer Lebensmittelspende kommt jedoch noch einmal ein Transportweg hinzu – und eine verlängerte Lagerzeit, denn üblicherweise enden Veranstaltungen mit Buffet irgendwann am Abend oder in der Nacht. Gegessen werden die Spenden jedoch erst beim nächsten Frühstück.

Ein weiteres Problem kommt hinzu: Klienten karitativer Einrichtungen sind in vielen Fällen durch verschiedenste Umstände (Krankheiten, Abhängigkeiten, …) immungeschwächt. Der Körper reagiert dadurch intensiver auf verdorbene Lebensmittel. Überdies erkennen sie manchmal – ebenfalls durch obige Umstände – weniger schnell am Geruch oder Geschmack, daß sie das, was sie essen, besser nicht mehr essen sollten.

Kommt es dann tatsächlich einmal zu einem kritischen Fall und erkrankt ein Klient, muß der behandelnde Arzt der Sache nachgehen. Er wird sich erkundigen, was sein Patient gegesen hat, und wird das Marktamt beauftragen, eine amtliche Probe zu ziehen. Die Lebensmitteluntersuchungsanstalt überprüft dann, ob ein Zusammenhang zwischen der Spende und der Lebensmittelvergiftung besteht. Das Lebensmittelgesetz schreibt verschiedene Behandlungsweisen von Lebensmitteln vor, und wenn fahrlässiges Handeln nachgewiesen wird, muß der Spender der Speise mit einer Anzeige wegen Körperverletzung rechnen, und vielleicht nebenbei mit einer Schadenersatzklage.

Obwohl ein solcher Fall bisher nicht bekannt wurde, wird so mancher willige Spender jetzt schlucken und sich sagen, daß er beim nächsten Mal allfällige Überschüsse lieber im Restmüll deponiert.

Ist das nicht eine verkehrte Welt, in der wir quasi von Gesetzes wegen gezwungen sind, überschüssige Lebensmittel zu vernichten, anstatt sie bedürftigen Menschen anzubieten?

Ja und nein. Wenn Sie Lebensmittel spenden wollen, begeben Sie sich auf eine Gratwanderung zwischen sozialem Denken und Herablassung. Keinem Spender soll unterstellt werden, die Klienten karitativer Einrichtungen als „Müllschlucker“ zu sehen. Im Gegenteil: Spenden sind erwünscht, sie werden gerne angenommen (und nötigenfalls nochmals durchsortiert). Andererseits müssen wir uns immer fragen: „Wenn es uns diese Menschen nicht wert sind, ihnen ein frisches Essen zu liefern, sollten wir es dann nicht ganz lassen?“, wie es ein Mitarbeiter der Lebensmitteluntersuchungsanstalt formuliert.

Das österreichische Lebensmittelgesetz ist tatsächlich europaweit eines der strengsten – aber wäre es zielführend, es auf Kosten der Gesundheit „aufzuweichen“?

Wie spendet man also richtig? Nun, Ideen gibt es einige. Die einfachste ist, bei einer Veranstaltung Speisen und Getränke nicht im Überfluß zur Verfügung zu stellen, sondern knapp zu kalkulieren. Dabei riskiert man zwar, daß die letzten Hungrigen nicht mehr wirklich satt werden (ist das der eigentliche Zweck der Veranstaltung?), aber man hat Geld gespart und kann die Differenz an eine karitative Einrichtung überweisen.

Will man seine Gäste nicht vergrämen, kann man es auch mit einem „leichter spendbaren“ Buffet versuchen: statt der obligaten Mayonnaisebrötchen einmal Vollkorngebäck und Aufstriche in Töpfen anbieten (wenn die Töpfe klein genug sind und immer nachgereicht werden, können sogar einige originalverpackte übrigbleiben!). Oder frisches Obst. Oder Kuchen ohne Buttercreme und Schlagobers, sondern solche, die durchwegs noch ein bis zwei weitere Tage gut überstehen.

Keine Angst – niemand liegt arglistig auf der Lauer, um Ihnen aus Ihrer gutgemeinten Lebensmittelspende einen Strick zu drehen. Schließlich tragen Sie auch, wenn Sie daheim Ihre Freunde bewirten, das Risiko, daß einer Ihrer Gäste Ihr Menü nicht verträgt. Wenn Sie spenden wollen, tun Sie es bitte weiterhin – vielleicht mit Erinnerung an diese Zeilen…

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