Mama hatte einen Schlaganfalltun & lassen

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Mama hatte einen Schlaganfall, da war ich 12 Jahre alt, erzählt Ulli. Ich weiß das noch ganz genau: Wir zwei waren bummeln auf der Mariahilfer Straße, da sagte meine Mutter: «Komisch, ich kann auf einmal nur die halbe Schrift auf dem Schild lesen.» Ich wusste damals nicht, was sie damit meinte.

Daheim angekommen, ist dann meine Mutter einfach vom Sofa runtergefallen und liegen geblieben. Ich hab in meinem Schock zuerst die Rettung angerufen und dann meine Tante. Und dann ist die Rettung gekommen und hat sie ins Spital gebracht. Dort hat sie dann erfahren, dass sie gelähmt sei. Das war fürchterlich für sie.

Meine Mutter kam nach Monaten endlich wieder nach Hause, erzählt Ulli weiter, aber ich musste ihr beim Duschen helfen, den Haushalt führen, Essen kochen. Wenn sie zum Arzt musste, hab ich sie begleitet, weil der Lift im Halbstock war und die Stufen konnten sie nicht alleine gehen. Und auf der Straße brauchte sie immer den Rollstuhl, da hab ich sie auch geführt. «Essen auf Rädern» hab ich auch organisiert, aber das war erst viel später, weil ich so lange nicht gewusst hab, dass es so etwas gibt.

42.000 Kinder pflegen in Österreich ihre Eltern. Das Durchschnittsalter der Kinder liegt bei 12 Jahren, 70 Prozent sind Mädchen. Die Kinder helfen im Haushalt, beim Waschen, beim Kochen, gehen einkaufen, spazieren oder unterstützen bei behördlichen Wegen. Sie helfen bei der Körperpflege, beim Wechsel der Inkontinenzeinlagen oder beim Verbandwechsel. Manche sind einfach nur öfter zu Hause, für den Fall, dass etwas passiert und Hilfe benötigt wird. Häufig stehen sie mit den Erfahrungen, die sie täglich machen, alleine da und wissen nicht, wie sie mit belastenden Situationen umgehen sollen.

Ich finde es ganz wichtig, Kindern, deren Bezugsperson einen Schlaganfall oder eine andere Erkrankung erlitten hat, helfend zur Seite zu stehen, sagt Ulli. Sie zu entlasten in der täglichen Pflege und in ihrem seelischen Leid. Denn so eine Erfahrung, so eine Angst um den geliebten Elternteil zu haben, hinterlässt Spuren. Ich weiß das aus eigener Erfahrung!

All das zeigt: Wir können uns für die Pflege nicht auf Angehörige stützen, die noch Kinder sind. Kinder genießen einen besonderen Schutz, und das Kindeswohl muss Vorrang haben. Das heißt: Kinder dürfen nicht die Hauptlast für Gesundheit und Wohl von Erwachsenen tragen. Das ist in diesem Fall einfach verkehrt herum. Deshalb braucht es hier Pflegeangebote, um Kinder und Jugendliche zu entlasten. Und die pflegebedürftige Mama gut betreut zu wissen. Eine «Family Nurse» wie in Dänemark zum Beispiel.

Was wünscht sich Ulli? Dass Kinder in einer ähnlichen Situation nicht mehr allein gelassen werden. Dass es jemanden gibt, der sie an der Hand nimmt und ihnen «tragen» hilft. Jemanden, der den Alltag weiterhin organisiert, damit sich das Kind nicht selbst darum kümmern muss. Jemanden der die Sorgen des Kindes ernst nimmt und ihm Zuspruch und Verständnis entgegenbringt.