Mindestsicherung: Missstände von Amts wegentun & lassen

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In einem gemeinsamen Vertrag haben vor vier Jahren Bund und Länder beschlossen, den Angehörigen-Regress in der Mindestsicherung abzuschaffen. Der Regress bedeutete, dass Armutsbetroffene und ihre Angehörigen die Sozialhilfe zurückzahlen mussten.Das hat die soziale Situation oft noch weiter verschärft und führte auch dazu, dass viele Anspruchsberechtigte keinen Antrag stellten. Nur: Die Steiermark und Kärnten halten sich nicht an diese vertragliche Vereinbarung und haben den Regress wieder eingeführt. Die restlichen Bundesländer haben ihn abgeschafft, dafür einen anderen Weg gefunden, um Eltern bzw. volljährige Kinder von Mindestsicherungsbezieher_innen zur Kassa zu bitten. Die Sozialämter fordern Antragsteller_innen auf, ihre Eltern bzw. ihre erwachsenen Kinder auf Unterhalt zu klagen. Der Verwandten-Regress wurde abgeschafft – im Gegenzug werden Unterhaltsklagen eingeführt.

Was viele Betroffene nicht wissen: Zwischen erwachsenen Eltern und Kindern bestehen nur im Ausnahmefall tatsächlich auch Unterhaltspflichten. Viele der Klagsaufforderungen der Ämter sind rechtlich äußerst fragwürdig. Das sind amtliche Missstände, behördliche Anmaßungen, amtswegige Willkür. Sparen hilft die neue Praxis den Bundesländern freilich trotzdem: Aus Angst, dass ihre Angehörigen belangt werden könnten, bringen viele keinen Antrag ein. Das ist besonders in Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und Tirol beobachtbar. Insgesamt kann der Druck zur Unterhaltsklage noch existenzbedrohender sein als der auch nicht hilfreiche Regress.

Im Vertrag zwischen dem Bund und den Ländern steht ein ausdrückliches Verschlechterungsverbot, also ein Verbot, dass die neue Mindestsicherung eine schlechtere Regelung beinhaltet als die alte Sozialhilfe. Dieses Verschlechterungsverbot wird durch die Praxis des Regresses und die Praxis der Unterhaltsklagen gebrochen.

Verschlechterungen gibt es auch in anderen Bereichen: Die Mindestsicherung ist im System des österreichischen Sozialstaats das letzte Netz. Dieses letzte Netz kann zu 100 Prozent abgerissen werden. Sanktionen sehen eine Totalkürzung um 100 Prozent vor. Das war in Wien, Vorarlberg, Steiermark und Kärnten in der alten Sozialhilfe nicht möglich.

Auch beim Wohnen kann es zu Verschlechterungen kommen, gerade in Städten, wo die Wohnkosten in die Höhe geschnellt sind. Die vorgesehene Summe fürs Wohnen beträgt 200 Euro. Damit geht sich keine Miete aus. Alles hängt also davon ab, wie die einzelnen Bundesländer ihre Wohnhilfe gestaltet haben.

Verschlechterungen gibt es auch bei der Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderungen. Das trifft ausschließlich Personen, bei denen es sich jetzt schon hinten und vorne nicht ausgeht: Menschen mit schweren Beeinträchtigungen, die deshalb kein Erwerbseinkommen erzielen können. Personen, die chronisch krank sind und deren Gesundheitszustand sich in der Regel nicht verbessert, sondern maximal stabil gehalten werden kann. Menschen, deren Situation – ohne die entsprechende Unterstützung in gesundheitlichen Belangen – sich rasch weiter verschlechtert. In Niederösterreich, Kärnten und Oberösterreich wird diese Leistung auf die Mindestsicherung bisher angerechnet und so massiv gekürzt.

Rechtsmittel dagegen und Klagen vor Gericht könnten erfolgreich sein. Denn die Missstände sind «ex officio», von Amts wegen.

Informationen und Kontakte zu Rechtsberatung:

www.mindestsicherung.at