Mythen beinharttun & lassen

eingSCHENKt

Aus der Ferne sieht man vieles klarer. George Bush nennt das Pensionssystem der USA bankrott. Deshalb sollen die US-BürgerInnen ein Drittel ihrer Beiträge ab jetzt an der Wallstreet in Aktien anlegen. Das bringt keine festen Leistungszusagen mehr und Einbußen bis zu 40 Prozent für den/die Durchschnitts-Pensionisten/in. Nur: Das US-Pensionssystem macht derzeit 1,5 Billionen Dollar Überschüsse. Das hindert Bush nicht daran, vom Pensionsnetz, das nicht mehr finanzierbar ist zu sprechen. Aus der Ferne sieht man: Um Pensionen zu kürzen, braucht man keine harten Facts, sondern die Herrschaft über die Köpfe.

In Europa heißt das Generationenkonflikt. Die Argumente sind dieselben. Sie beruhen nicht auf harten Fakten, sondern auf beinharten Interessen.

Mythos 1: Die demografische Entwicklung mache Pensionen unfinanzierbar. Nicht die Jungen erhalten die Alten, so der Ökonom Gunther Tichy von der Akademie der Wissenschaften, sondern die Erwerbstätigen die Nicht-Erwerbstätigen. Die steigende Belastung durch die Alten werde durch die sinkende Gesamtbelastung durch Junge, Arbeitslose und Frühpensionisten weitgehend ausgeglichen. Heute erhalten 56 Erwerbstätige 24 Kinder und 20 Pensionisten. Macht insgesamt 44 Nicht-Erwerbstätige. Im Jahr 2021 werden 58 Erwerbstätige 14 Kinder und 28 Pensionisten erhalten. Macht insgesamt 42 Nicht-Erwerbstätige. Also sogar um zwei weniger.

Mythos 2: Ein Ansparen auf die künftige Belastung sei notwendig. Dazu Tichy: Erstens könne auf die 2050 zu erwartende Güterknappheit nicht angespart werden. Zweitens, wenn viele Leute viel sparen, sinkt der Zinssatz, die Kurse steigen. Wenn dann alle zugleich ihre Ersparnisse auflösen, weil sie in Pension gehen, fällt der Wert.

Mythos 3: Das Umlageverfahren sei ineffizient und müsse durch die Aktienmärkte zumindest teilweise ersetzt werden. Tichy: Das Umlageverfahren ist notwendig, da nur dieses gegen die großen Risken solidarisch absichern kann.

Die Finanzierung des Sozialstaats ist eine Frage des Produktivitätsfortschritts, nicht der Kopfzahlen; es ist eine Frage der Größe und der Verteilung des gesamtgesellschaftlich erwirtschafteten Kuchens. Österreich ist letztes Jahr insgesamt um 1 Prozent reicher geworden. Die Zukunft des Sozialstaats besteht nicht in erster Linie in einem Konflikt zwischen Jung und Alt, sondern zwischen unten und oben. Die Verlagerungen sozialer Sicherung auf die Kapitalmärkte sind Maßnahmen zur Umverteilung von Arm zu Reich, von Schlechter- zu Besserverdienern. Das geben diejenigen, denen das nützt, nicht gerne zu.

Gunther Tichy argumentiert noch weiter, warum es sich um keinen Generationenkonflikt handelt. Den 150 Milliarden Euro Staatsschulden, die die Alten den Jungen weitergeben, stehen 290 Milliarden Geldvermögen gegenüber. Würden wir alle Schulden begleichen, blieben noch immer 140 Milliarden Euro, die von Alt zu Jung vererbt werden.

Auch hier wird klar: Das Problem liegt dort, wo kein Geld zum Weitergeben da ist. Wo der soziale Status mitvererbt wird. Womit wir wieder beim Kern des Konflikts wären: der Verteilung.

Martin Schenk

teilen: