Nazi-Codes bleiben 15 Jahretun & lassen

Halbherziges Verbot «lächerlicher» & «anstößiger» Wunschkennzeichen

Das Verkehrsministerium geht mit den unter einschlägigen Verkehrsteilnehmer_innen beliebten Nazi-Symbolen auf KFZ-Kennzeichen bemerkenswert halbherzig ins Gericht. Der wirkliche Skandal ist aber, dass der Sturm der Entrüstung ausbleibt. Von Erich Félix Mautner.

Foto: BMVIT

Das war eine freudige Erregung! Mitten im Hochsommer 2015, wo die meisten Bürger in den Ferien waren, es zum Zeitungslesen viel zu heiß war, gerade so, als ob man viel Aufhebens darum vermeiden wollte, überraschten die Pressesprecherin von Verkehrsminister Stöger (Sie werden ihn nicht kennen, den Minister, das ist der mit der Brille und der ordentlichen Frisur) und die österreichischen Tageszeitungen mit der sensationellen Neuigkeit: «Nazi-Codes verboten» («Wiener Zeitung», 20 kurze Zeilen) und «Keine Nazi-Codes mehr auf Wunschkennzeichen» («Der Standard», 12 sehr kurze Zeilen) und «Autokennzeichen: Aus für Nazi-Codes» («Kurier», 12 ganz kurze Zeilen). Und das immerhin 70 Jahre seit Bestehen des Verfassungsgesetzes vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP (Verbotsgesetz), StGBl. Nr. 13/1945 (das anfangs sogar die Todesstrafe vorgesehen hatte).

Genau genommen hieß es bis zum Sommer 2015 im Bundesgesetz vom 23. Juni 1967 über das Kraftfahrwesen (Kraftfahrgesetz 1967 – KFG. 1967), BGBl. Nr. 267/1967 […] § 48a (1): «Die nicht behördenbezogenen Teile eines Kennzeichens (Vormerkzeichen) können nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen frei gewählt werden (Wunschkennzeichen) […], wenn […] es nicht eine lächerliche oder anstößige Buchstabenkombination enthält.»

Also waren erstens Humor und zweitens Anstößiges (was immer das sein könnte) an Heck und Bug verboten, NS-Ideologisches war da unter «lächerlich» oder «anstößig» mit gemeint. Die durften aber schon nach dem NS-Verbotsgesetz gar nicht ausgegeben werden – weshalb die Verantwortung alleine bei der jeweiligen Bezirksbehörde liegt. «PE NIS 20», «I MECHT 6», «BL OWJO 8», «W TF 1» (What the fuck), «MU SCHI 1», «SL GAY 69» (wenn SL für «Second Life» steht), «GU SCH 1» sowie «KL ANE 11», mit dem eine 1,32 Meter große Kärntnerin fährt, alle diese fielen bisher nicht unter das Spaßverbot, weil das nämlich bis zum Sommer 2015 nur die Buchstaben und Ziffern der «nicht behördenbezogenen Teile eines Kennzeichens (Vormerkzeichen)» betraf. Der topographische Teil, die Behördenbezeichnung, war gar nicht mit gemeint.

Und es erfreuten sich (zufällig oder absichtlich sei einerlei) verhaltensauffällige Kennzeichen bei Kraftfahrern mit gestörtem Taferlklassenbewusstsein eigenartiger Beliebtheit und Legalität, wo der Spaß längst aufgehört haben sollte: In Baden bei Wien gibt es einen BN AZI 1. Das ist noch immer völlig legal, weil eben im Gesetz nur der Teil AZI verboten war und nicht das N aus der «Behördenbezeichnung».

Dieses war hingegen streng verboten: Ein Straßenkamerad hat sich beim Ansichtigwerden des Kennzeichens «GU LMAA 1» (wer weiß, wie lange der hinter dem Taferl herzockeln musste) mit Recht dermaßen gekränkt und gemeint gefühlt, dass er die Volksanwaltschaft um Hilfe anrufen musste. Und diese zog nach reiflicher Beratung und Dokumentation tatsächlich die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung am amtlichen Ohr, um schließlich zu verkünden, dass dieser Schildbürgerstreich als «anstößig» qualifiziert sei und daher nie vergeben werden hätte dürfen. Weil eben kein behördenbezogener Teil des Kennzeichens betroffen war.

Aus Amstetten: ISIS 1 unterwegs

Und weil es einen Erlass Zl. 179.482/4-I//-89 des Innenministeriums gibt, der «Buchstabenkombinationen ‹NSDAP›, ‹NSFK›, ‹NSKK›, ‹NSV›, ‹SA›, ‹SS› und dergleichen als anstößig» bezeichnet – aber nicht Ziffernkombinationen, waren bisher auch «Heil Hitler»-Kennzeichentafeln und ähnlich Witzloses, in Wien W W 88, gar nicht verboten, wenn sie nur in Ziffern dargestellt wurden.

Die Sensation der neuen Gesetzesfassung ist also erstens die Ausdehnung des Verbots auf die Buchstaben-Ziffernkombination, zweitens, dass auch am ersten Teil des Schildes, der «Behördenbezeichnung», nicht geschweinigelt werden darf, und drittens ergänzt der Erlass GZ. BMVIT-179.493/0011-IV/ST4/2015 vom 23. Juli 2015: «Weitere aufgrund der derzeit aktuellen Situation jedenfalls anstößige Buchstabenkombination: IS oder ISIS». In Amstetten fährt AM ISIS 1.

Dieser Erlass «an alle Landeshauptmänner» [sic!] klärt aber auch auf: Wer schon so ein Nazi-Emblem hat, dem kann nicht zugemutet werden, dieses schleunigst abzuschrauben. Schließlich hat er ja dafür bezahlt. Da sind Legislative und Exekutive großzügig, diese dürfen die gesamte Vertragsdauer auf dem Geltungstriebwerk Unfug treiben – 15 Jahre lang! Von Strafe ist sowieso keine Rede. Vermutlich, weil bei einem solchen Einzugsverfahren aktenkundig würde, was bisher nur hinter vorgehaltener Beamtenhand gehandelt wurde, dass nämlich jeweils eine Bezirksverwaltungsbehörde für den Nazi-Unfug verantwortlich ist. BMVIT-Pressesprecherin: «Die letztgültige Entscheidung bei Wunschkennzeichen liegt auch weiterhin bei den dafür zuständigen Bezirkshauptmannschaften.»